Siegfried Borchardt
Jennifer Marken

"SS-Siggi": Das Neonazi-Maskottchen kommt wieder in den Knast

In den vergangenen 30 Jahren war Siegfried Borchardt, „SS-Siggi“, eine Ikone der rechtsextremen Szene. Doch von seiner Strahlkraft auf Neonazis ist nicht mehr viel übrig. Der jetzige Gefängnisaufenthalt ist eine weitere Station seines Abstiegs.

 

Jennifer Marken

 

Der betagte Dortmunder Neonazi Siegfried Borschardt, der sich auch gerne als „SS-Siggi“ feiern lässt, muss für vier Monate in Haft. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte den Dortmunder zur dieser Haftstrafe, wie ein Polizeisprecher der Stadt Dortmund am Donnerstag, den 27. September, bestätigte. Diese Haftstrafe war bereits im April diesen Jahres vom Landgericht Dortmund verhängt worden. „Das ist ein weiteres Ergebnis unseres unermüdlichen Einsatzes gegen rechtsextremistische Straf - und Gewalttäter. Die konsequente Reaktion des Rechtsstaates ist ein wichtiges Signal“, kommentiert Polizeipräsident Gregor Lange das Urteil. 

Dortmund gerät wegen antisemitischer Einschüchterungsversuche durch Neonazis immer wieder negativ in die Schlagzeilen. Vergangenen Freitag erst, zogen Rechtsextreme unter dem Gebrüll „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“, weitgehend ohne Polizeibegleitung, durch Dortmund-Dorstfeld und Dortmund-Marten.

 

Militanter Antisemitismus

Die jüngsten antisemitischen Ausfälle der Dortmunder Neonazis sind keine Ausnahme, sondern der vorläufige Höhepunkt militanter antisemitischer Skandale. Borchardt war hieran seit den 1980er Jahren beteiligt, allerdings ist er in den letzten Jahren durch eine Gruppe junger, militanter, gut ausgebildeter Neonazis ersetzt worden.

Im Juni marschierten 600 Neonazis, viele davon aus Osteuropa, unter dem Motto „Europa erwache“ durch Dortmunds Zentrum. Der antisemitische Hass verband die ansonsten untereinander zerstrittenen Neonazis. Auf der Kundgebungsbühne prangte ein riesiges Konterfei des ehemaligen iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinetschads und der vulgär-antisemitische Schriftzug „The world without Zionism“. Kurz darauf wurde ein 26-jähriger Dortmunder Jude binnen weniger Tage gleich dreimal von Neonazis attackiert. Beim Aufbau dieser gewaltbereiten Dortmunder Neonazi-Szene hat „SS-Sigi“ maßgeblich mitgewirkt.

 

Die lange Nazikarriere des Siegfried Borchardt

Der 1953 geborene Siegfried Borchard hat seine rechtsextreme Kariere bei den neonazistischen Kameradschaften begonnen und gründete 1982 die Dortmunder „Borussenfront“. Diese verwandelte sich bald in eine rechtsextreme Kampftruppe mit „SS-Siggi“ an der Spitze. Neonazipolitik und massiver Alkoholkonsum waren hierbei stets miteinander verbunden. Die „Borussenfront“ diente auch als Saalschutz der NPD.

Parallel zu seinen Aktivitäten bei der „Borussenfront“ war Borchardt führender Aktivist der inzwischen verbotenen FAP, für die er 1984 kandidierte. Weiterhin war Borchardt Kameradschaftsführer der Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten.

Bereits in den 1980er Jahre wurde Borchardt – der Vorstrafen sammelt wie andere Briefmarken - mehrfach wegen verschiedener Delikte wie Landfriedensbruch sowie  schwerer körperlicher Übergriffe zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. 1987 kam er wieder frei, weitere Haftstrafen folgten. Nach dem Verbot der FAP im Jahr 1995 baute der uneinsichtige Neonazi ein Jahr später, unterstützt durch den Hamburger Neonazi Christian Worch, die „Kameradschaft Dortmund“ auf. Ab Oktober 2012 war er Dortmunder Kreisvorsitzender der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“. Ende Mai 2014 zog Borchardt schließlich als Spitzenkandidat in den Dortmunder Stadtrat ein, legte sein Amt aber bereits nach zwei Monaten nieder.

 

„Die Dortmunder Polizei steht fest an der Seite der jüdischen Gemeinde“

Immer wieder beklagten die Jüdischen Gemeinden im Ruhrgebiet die massiven Einschüchterungsversuche – vergeblich. Immer mehr Gemeindemitglieder bleiben den jüdischen Feiern fern, aus Angst. Ein Polizeisprecher verwies angesichts der erneuten Haftstrafe von Borchardt darauf, dass in den vergangenen Monaten gegen weitere führende Dortmunder Neonazis empfindliche Haftstrafen verurteilt worden seien. Auch gegen die berüchtigte „Aktionsgruppe Dortmund West“ seien durch verdeckte Maßnahmen Strafverfahren eingeleitet worden. Die Polizei versicherte durch ihren Sprecher abschließend: „Die Dortmunder Polizei steht fest an der Seite der jüdischen Gemeinde.“

Ob den Ankündigungen wirkliche Taten folgen bleibt abzuwarten. Der inzwischen mit Krückstock auftretende Borchardt hat mittlerweile kaum noch Autorität innerhalb der Neonaziszene. Er dient nur noch als Nazi-Maskottchen. Die antisemitischen und rassistischen Bedrohungen gehen heute von den jüngeren Rechtsextremen in Dortmund aus.

 

drucken