Die "Turonen" waren 2017 bei "Rock gegen Überfremdung II" in die Organisation eingebunden und trugen einheitlich orange Shirts
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"Rock gegen Überfremdung" – wieder wollen Neonazis in einem kleinen Thüringer Ort "abhitlern"

In Thüringen wollen Neonazis dieses Wochenende wieder ihrer menschenverachtenden Ideologie fröhnen. Tausende Rechtsextreme werden erwartet. Infos zum Hass-Event, zum Anmelder-Netzwerk, zu den rechtsextremen Bands und den Gegenprotesten.

 

Von Moritz Ebert und Zamira Alshater

 

Update 05. Oktober 16.00 Uhr:

Wie uns die Polizei Thüringen soeben mitteilte, hat die Gemeinde Magdala per einstweiliger Verfügung erwirken können, dass die Neonazis ihr Rechtsrock-Event nicht auf dem geplanten Gelände abhalten dürfen. Möglicherweise verlegen sie das Konzert nach Apolda. „Rock gegen Überfremdung III“ (RgÜ) war parallel für den Apoldarer Marktplatz sowie für eine Wiese in Magdala als politische Versammlung angemeldet worden.

 

 

Am Wochenende gibt es das nächste Highlight für Rechtsrock-Fans – wieder in Thüringen, in dem knapp 2.000-Einwohner Örtchen Magdala. „Rock gegen Überfremdung III“ (RgÜ) darf nahezu wie geplant stattfinden. Das Thüringer Oberverwaltungsgericht lehnte fast alle Auflagen der Behörden für das menschenverachtende Event ab. Die Richter erklärten zur Begründung, dass in der Kürze der Zeit keine genaue Prüfung konkreter Gefahren möglich sei. Neben rechtsextremer Musik sollen wie üblich auf solchen Veranstaltungen auch wieder Reden von Neonazi-Kadern gehalten werden. So versuchen sie den Schein einer politischen Versammlung zu wahren.

 

Ursprünglich wollten die Neonazis Ende August in der ebenfalls thüringischen 500-Einwohner Gemeinde Mattstedt bei „Rock gegen Überfremdung III“ feiern. Doch Politik und Verwaltungsbehörden sendeten deutliche Signale und konnten letztendlich die braune Veranstaltung absagen. Damals sollen bereits im Vorverkauf über 4.000 Tickets verkauft worden sein. Es wäre das größte Neonazi-Konzert des Jahres gewesen. Da die Tickets ihre Gültigkeit für die kommende Veranstaltung behalten, muss nun auch an diesem Wochenende mit einem massiven Andrang deutscher und europäischer Neonazis gerechnet werden. Im vergangenen Jahr reisten zu „Rock gegen Überfremdung II“ etwa 6.000 Neonazis nach Themar. Es zählt damit zu einer der größten Neonazi-Veranstaltungen der deutschen Nachkriegsgeschichte.

 

Der Anmelder

Angemeldet wurde das Hass-Event im August vom Saalfelder Neonazi Steffen Richter, der über Kontakte ins „Hammerskin-“ und „Blood & Honour“-Netzwerk verfügt und zum Führungskreis der „Turonen“ gehört. Richter hat bereits zahlreiche  Vorstrafen gesammelt, darunter Waffendelikte, Körperverletzungen und Eigentumsdelikte. Damit nicht genug, ist Richter zudem ein enger Weggefährte des NSU-Helfers Ralf Wohlleben, den er tatkräftig unterstützte. Nach dem Auffliegen des NSU-Netzwerkes 2011 und der Inhaftierung von Ralf Wohlleben organisierte Richter diverse Soli-Aktionen und Musikveranstaltungen für „Wolle“, wie thüringenrechtsaußen berichtete. Daher ist es durchaus möglich dass Ralf Wohlleben und André Eminger, der ebenfalls im NSU-Prozess angeklagt war, am Wochenende zu „Rock gegen Überfremdung“ kommen werden, um sich persönlich bei der rechtsextremen Szene für die (finanzielle) Unterstützung zu bedanken.  

 

„Turonen / Garde 20“

Die „Turonen“, beziehungsweise „Garde 20“, treten als sogenannte Bruderschaft mit rockerähnlichen Kutten auf. Zunächst trat diese Neonazi-Gruppe 2014 unter dem Namen „Bruderschaft Thüringen“, teilweise auch als „Bruderschaft H8 Thüringen“, in Erscheinung. 2015 wurde die Gruppe umbenannt und ist seit dem als„Turonen“ bekannt. Unterstützer bezeichnen sich als  „Garde 20“.

Die „Turonen“, zu deren Führungsfiguren Steffen Richter und der im Ballstädt-Prozess angeklagte Neonazi Thomas Wagner gehören, organisierten im Oktober 2016 im schweizerischen Toggenburg bereits das „Rocktoberfest“ mit 5.000 Teilnehmer*innen. Die „Turonen“ waren zudem maßgeblich an Organisation und Aufbau beim vergangenen „Rock gegen Überfremdung II“ beteiligt. Es handelt sich hier um einen Personenkreis der bereits Erfahrungen mit derartigen Großevents hat und bestens vernetzt ist. Rechtsaußen werden die „Turonen“ meist als authentisch wahrgenommen, da es sich hier nicht um eine Partei handelt, was wiederum als mobilisierendes Element in der zum Teil zerstrittenen Szene gewertet werden kann.

 

„Gigi und die braunen Stadtmusikanten“

Auftreten sollen am Wochenende unter anderem „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“, die bereits 2010, also vor Auffliegen der Terrorzelle des NSU, auf ihrem Album „Adolf Hitler lebt!“ in dem Lied „Döner Killer“ die Morde des Terror-Trios feierten. Sänger „Gigi“, Daniel Giese, Gründer der Band “Stahlgewitter”,verbreitet als einer der bestvernetztesten Musiker der Rechtsrock-Szene seit 2004 populäre Coversongs mit rassistischen Inhalten. Immer wieder taucht die Band als „Soundtrack“ im Rahmen von Gerichtsverhandlungen mit rechtsextremen Hintergründen auf – zum Beispiel auch im Prozess um die „Gruppe Freital“. „Gigi“ wird zudem nachgesagt, Teil des rassistischen Musikprojekts „Zillertaler Türkenjäger“ gewesen zu sein. Eine Anklage wegen Volksverhetzung platzte jedoch, da eine Stimmenanalyse nicht hundert Prozent beweisen konnte, dass es sich dabei um Giese handelte. 

 

„Stahlgewitter“

Daniel Giese gründete 1996 zusammen mit dem Neonazi Frank Krämer die „Blood & Honour“-nahe Band „Stahlgewitter“, die ebenfalls bei RgÜ angekündigt ist. Sie gehören zu den populärsten Gruppen der Szene und decken in ihren Texten alle klassischen Motive des Rechtsrocks ab. „Stahlgewitter“ sehen sich „im Kampf gegen ZOG“ („zionist occupied government“), huldigen den heutigen Neonazis im Sinne der SA als „politische Soldaten“ oder wünschen „Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht“. Unterstützung bekommt „Gigi“ live von Musikern der Bands „Flak“ und „Division Germania“. Letztere ist ebenfalls für das musikalische Programm des RgÜ III am Freitag angekündigt. Ihr Sänger Andreas Koroschetz gehört dem Netzwerk der elitären Bruderschaft „Hammerskins“ an. 

 

„Die Lunikoff-Verschwörung“

Auch der umtriebige Berliner Neonazi Michael Regener wird mit seiner Band „Die Lunikoff-Verschwörung“ seine menschenverachtende Musik grölen. Das Vorgängerprojekt Regeners, die Band „Landser“ wurde 2004 als kriminelle Vereinigung eingestuft und verboten. Der über 50 Jahre alte Regener gilt zudem als Führungsperson der rockerähnlichen Neonazi-Bruderschaft „Vandalen“, die auf dem RgÜ II 2017 in die Orga-Struktur eingebunden wurden.

„Übermensch“

Mit „Übermensch“ soll wohl am Samstag das eher jüngere Rechtsrock-Publikum angesprochenen werden, denn die Band aus Mecklenburg-Vorpommern gibt sich im Vergleich zu Rechtsrock-Veteranen wie „Lunikoff“ oder „Gigi“ progressiv und musikalisch versiert. Mit mehrdeutigen Texten und schweren Metal-Riffs gilt die Band in der Szene mittlerweile als populär.
Dies dürfte aber auch an ihrem Sänger Frank Haack liegen, der auch in den Bands „Terrorsphära“, „H8Machine“ und „Phönix“ mitwirkt und zudem bei „Überzeugungstäter“, „Leopold & das Paddelbootorchester“ und „Anthrazit“ singt. Er gilt außerdem als Strippenzieher hinter den Labels „Leveler Records“ und „Glaube Wille Tat Produktion“ und ist bekannt dafür Bands im „Nebelhorn Tonstudio“ abzumischen.

„F.i.e.L.,“ und „Barny“

Auf dem RgÜIII dürfen auch die Liedermacher nicht fehlen. Mit Mirko Szydlowski alias „Barny“ soll am Freitag nicht nur ein Unterstützer des „Hammerskin“-Netzwerkes spielen, sondern auch ein enger Vertrauter Ralf Wohllebens. Szydlowski stammt aus dem nur 15 km von Magdala entfernten Jena, wirkte dort schon in Bands wie „Blutstahl“ mit und galt als Mitglied der Kameradschaftsstrukturen um den „Thüringer Heimatschutz“, aus denen auch das NSU-Kerntrio stammte.
Für Samstag ist zudem „F.i.eL.“ angekündigt – eine Abkürzung für „Fremd im eigenen Land“. Die Band um Marcel Mertens aus Mecklenburg-Vorpommern wird jedoch als abgespeckte Solo-Variante angekündigt. Spätestens seit der Veröffentlichung der CD „Hautnah aus Germania“, bestehend aus Mitschnitten diverser Konzertmitschnitte, ist „F.i.e.L.“ der Rechtsrock-Hörerschaft kein Unbekannter mehr. Auch durch Coversongs von populären, nicht-rechten Bands wie „Santiano“ konnte der Liedermacher Mertens in der Szene Aufmerksamkeit erreichen. Auf YouTube konnte er damit bis zu 70.000 Klicks generieren.

 

„Frontalkraft“

Zwar ein Dauergast auf öffentlich beworbenen Groß-und Kleinkonzerten im In-und Ausland und damit sicher nicht exklusiver musikalischer Act auf dem RgÜ, ist die Cottbuser Band um Sten Söhndel dennoch ein relevanter Bezugspunkt der Neonazi-Szene. Sowohl für die ältere Hörerschaft, als auch für die jüngere Generation, denn „Frontalkraft“ lassen heute nicht nur moderne Elemente aus dem Hardcore in ihre Musik einfließen, sondern bedienen mit ihren Texten über Kameradschaft, Ehre und Treue ein durchaus breites Spektrum der Szene.
Die Band ist zudem eng an das „Hammerskin“-Netzwerk angebunden. Einzelne Mitglieder nahmen jüngst an den Aufmärschen der rechten Initiative „Zukunft Heimat“ in Cottbus teil.

„Kahlkopf – Der Metzger"

Die Band aus dem Raum Frankfurt a.M. gilt als eine der einflussreichsten Bands der rechten Skinhead-Szene der 80er und 90er Jahre und spielte unter anderem 1985 ein Konzert mit der damals in der rechtsextremen Szene verankerten Band „Böhse Onkelz“. „Kahlkopfs“ Debütalbum „Der Metzger“ aus dem Jahr 1987 besitzt heute noch Kult-Status. An diesen Erfolg will nun deren Sänger Lutz Christopher erneut anknüpfen und lies „Kahlkopf“ vor ein paar Jahren unter dem Namen „Der Metzger“ neu aufleben. Bisher spielte er nur im Rahmen eines konspirativen Konzertes in Thüringen. Sein Auftritt auf dem RgÜ III am Wochenende dürfte vor allem die Generation Ü45 ansprechen.

Undercover Journalist Thomas Kuban filmte die Band auf einem konspirativen Konzert im August in Kirchheim als von der Bühne aus zu Straftaten aufgerufen wurde. Über die politischen Gegner sang Sänger Lutz Christopher statt der Zeile „Sperrt die alle ein“, „Schlagt sie alle tot“. Kuban informierte daraufhin die zuständigen Ordnungsbehörden in der Verwaltungsgemeinschaft über den Mordaufruf, mit der Hoffnung ein Auftrittsverbot zu erwirken. Daraus wurde leider nichts.

 

Proteste gegen das Neonazi-Festival

Viele Menschen aus der Region wollen das Hass-Event allerdings nicht unwidersprochen lassen: Das Bündnis „Wir für Apolda – Kein Ort für Nazis“ ruft am Wochenende zu vielfältigem Protest auf. So wird es neben Redebeiträgen eine Demonstration durch den Ort geben und sowohl am Freitag wie auch am Samstag Konzerte gegen Rechts.

 

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