Am Ostermontag war es wieder so weit: Eine wilde Mischung aus Verschwörungstheoretiker*innen, Antisemit*innen und "Compact"-Prominenz traf sich in mehreren deutschen Städten zu Montagsdemonstrationen der "Friedensbewegung 2014". Protestiert wurde unter anderem gegen tödliche Kondensstreifen und die Gleichschaltung der Medien. Auf der Berliner Kundgebung der "Verquerfront" schaute auch NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke vorbei.
Die Kolleg*innen vom Störungsmelder haben sich das Phänomen genauer angeschaut.
Ein Text von Roland Sieber
Die “Friedensbewegung 2014″ mobilisiert massiv im Netz. Nun beteiligen sich Verschwörungstheoretiker, Antidemokraten und Neonazis an den montäglichen Demos. Die Organisatoren der ursprünglichen Montagsdemos gegen Hartz-IV distanzieren sich davon. Auch am vergangenen Montag demonstrierten wieder bundesweit hunderte Menschen auf sogenannten Friedensmahnwachen. Die Bewegung wirbt massiv für sich, vor allem in sozialen Netzwerken. Sie fordert einerseits ganz harmlos Frieden und Liebe – doch prangert sie vielerorts auch die “Todespolitik” der Zentralbank der Vereinigten Staaten und das Zinssystem an. Gegen den angeblichen “Volkstod der Deutschen” reihten sich in Magdeburg Neonazis in die Demonstration ein. In Dortmund übernahmen Querfrontler, die eine “gemeinsame Front” von Linksradikalen und Rechtsextremisten gegen den Staat fordern, die Veranstaltung fast vollständig. Die ursprünglich als breites Zeichen für den Frieden gedachte Bewegung droht langsam, aber sicher in die rechte Ecke abzudriften. Was vielerorts fehlt, ist die Abgrenzung gegen rechtsextreme und antisemitische Strömungen in den eigenen Reihen.
In Hamburg nahmen rund 120 Personen an der Mahnwache teil. Beobachtern bot sich ein skurriles Bild. Schon in der Einladung auf der Webseite der Organisatoren war der Satz zu lesen: “Rechts…links…ach leckt mich doch”. So verwundert es nicht, dass der Querfrontler Jürgen Elsässer ursprünglich als Redner eingeladen wurde. Erst nach massiver Kritik wurde sein Auftritt wieder abgesagt. Mehrfach beriefen sich die Redner am Abend auf den Verschwörungsideologen Andreas Popp, der sich in seinen Videobotschaften zu den Themen der Friedensbewegten äußert. Reichsbürger Rüdiger Klasen durfte, obwohl seine demokratiefeindlichen Flyer den Organisatoren bekannt waren, am offenen Mikrofon seine Staats- und Verfassungsleugnung erläutern und seine Website bewerben. Obwohl etwa die Hälfte der Teilnehmer ihm im Laufe seiner Rede aus Ablehnung demonstrativ den Rücken zudrehte, durfte er zu Ende reden.
Die selbsternannte “Reichsbürgerbewegung” ist eine bizarre Gruppe von Rechtsextremisten, Holocaustleugnern und rechten Esoterikern. Sie bestreiten die Existenz der Bundesrepublik mit der Begründung, das “Deutsche Reich” bestehe fort. Das führt soweit, dass sie sich verweigern, Bußgelder und Steuern zu zahlen, Autokennzeichen fälschen und eigene Fantasie-Führerscheine und Personalausweise erstellen. Auch prominente Neonazis wie der Holocaustleugner Horst Mahler zählen zum neonazistischen Teil der Reichsbürgerbewegung.
Die Mahnwachenanmelder legen nach eigener Aussage Wert darauf, dass am offenen Mikro jeder nur seine persönliche Meinung wiedergibt und niemand für die gesamte Gruppe spricht. Doch es gab auch kritische Wortmeldungen gegen Vorurteile und Antisemitismus. Ansonsten blieb es allgemein für Frieden und gegen die Nato, stets verbunden mit Kritik an Israel. Handgreiflich wurde es kurz vor 21 Uhr. Drei vorbeilaufende Personen pöbelten eine Gruppe von sieben Gegendemonstranten mit “scheiß Juden” an und entrissen ihnen gewaltsam eine Israelfahne.
Wer tatsächlich hinter der Mahnwache in Hamburg steckt, ist nicht klar. Offiziell ist laut eigener Aussage der Hamburger Physik-Student Henrik H. für die Mahnwache verantwortlich. Das Hamburger Online-Magazin Mittendrin hat jedoch Hinweise darauf, dass die aus den USA stammende, antisemitische Organisation I-UV beteiligt ist. I-UV steht für „Ich und Universeller Werteaustausch“. Die Gruppe soll Teil der verschwörungstheoretischen Bewegung „The One People’s Public Trust“ (OPPT) sein.
Wie in Hamburg sollen noch in 22 weiteren deutschen Städten Demonstrationen und Mahnwachen der selbsternannten “Friedensbewegung 2014″ stattgefunden haben. Die Organisatoren der bundesweiten Montagsdemos gegen Hartz-IV distanzieren sich inzwischen mit deutlichen Worten von dieser “Friedensbewegung”, können aber die Unterwanderung ihrer Demos vielerorts nicht verhindern. Auch die Anmelder der traditionellen Ostermärsche distanzieren sich von der vermeintlichen Protestwelle. Die Linke Jugend- und Hochschulgruppe Magdeburg warnte ausdrücklich vor der Teilnahme. Als eine “Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda”, bezeichnete ein Sprecher der Gruppe gegenüber Telepolis die Mahnwachen.
Dieser Artikel wurde zunächst auf der Website des "Störungsmelder" veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Veröffentlicher*innen.