Dunja Hayali, eine Journalistin der sogenannten „Lügenpresse“, die sich gegen Rassismus einsetzt, gibt der neurechten “Jungen Freiheit” ein Interview? Das finden viele suspekt. Hayali wünscht sich ein Durchbrechen der Echokammern. Wie reagieren die Leser_innen der „Jungen Freiheit“ auf das Gesprächsangebot? Eine Analyse.
Von Simon Raulf
Lange schon fühlen sich neurechte Zeitungen und Blogs - und ihre Leser_innen - vom gesellschaftlichen Diskurs isoliert. Sie beklagen, niemand rede mit ihnen reden und dadurch werde ihre Meinung unterdrückt. Gerade den öffentlich-rechtlichen Medien werfen sie regelmäßig vor, einseitig und damit zugleich nicht wahrheitsgetreu zu berichten.
Dunja Hayali ist eine der Journalistinnen, die kein gutes Standing hat in der neurechten Medienlandschaft. Ihre Berichterstattung über eine Kundgebung der „Alternativen für Deutschland“ (AfD) im Oktober 2015 empörte viele aus dem Umfeld von Pegida und Co. Für ihren Beitrag erhielt Hayali im Februar 2016 die Auszeichnung „Goldene Kamera“ in der Kategorie „Beste Information“ - und das für eine Vertreterin der angeblichen “Lügenpresse”.
Daher sorgt es für großes Aufsehen, dass die neurechte „Junge Freiheit“ am 22. März ein Interview mit der Journalistin auf der Titelseite der Zeitung mit dem therapeutischen Slogan „Wir müssen reden!“ präsentieren kann. Auf Hayalis Facebook-Seite empören sich einige, wieso sie mit dem neurechten Sprachrohr redet, es damit als Medium legitimiert. Es gibt auch Personen, die den Einstieg in die Diskussion befürworten. Doch wie geht es den Leser_innen der “Jungen Freiheit”, die Hayali mit ihren Argumenten erreichen will? Welche Schlüsse und Erkenntnisse ziehen sie aus dem Interview? Die grau hinterlegten Screenshots stammen aus der Kommentarspalte unter dem Artikel auf jungefreiheit.de, die weiß hinterlegten Screenshots von der Facebook-Seite der “Jungen Freiheit”.
1. Beleidigungen
Für einige hat sich die Diskussion schon allein durch die Biographie der Journalistin erledigt. Dabei gegen sie freimütig Einblicke in ihr rassistisches Weltbild.
2. “Die Überläuferin“
Manche Leser_innen glauben nicht, dass Dunja Hayali einfach so das Gespräch mit der „Jungen Freiheit“ sucht. Gehört sie jetzt “zu uns”? Dahinter muss eine Absicht stecken.
Andere Leser_innen sehen das Interview als Zeichen einer Zeitenwende. Der Wind habe sich scheinbar gedreht.
Ein Leser befürchtet die „muslimische Unterwanderung“ (Funfact: Dunja Hayali ist die Tochter irakischer Christen).
Andere glauben ihr erst, wenn sie ihren “Frontenwechsel” öffentlich bestätigt.
Selbst die Internetseite der „Jungen Freiheit“ scheint infiltriert.
3. “Die Fronten sind klar.“
Einige Leser_innen sehen keinen Grund, einen Dialog außerhalb des eigenen Horizonts zu führen.
Andere kündigen direkt ihr Abo:
Fazit: Bei der Betrachtung der Kommentarspalte unter dem Artikel und auf Facebook scheint es, dass es für die Leser_innen der „Jungen Freiheit“ weniger um einen Austausch geht als um Anerkennung für die Legitimität ihrer Positionen und eine Diskursverschiebung. Feindbilder bleiben dabei aktiv. So wird ein „versöhnliches“ Interview trotzdem als Übernahme und Infiltrierung gedeutet. Die Diskussionsverweigerung , die rassistischen Äußerungen und Beleidigungen aussenden, spricht für sich.
In neurechten Blogs wird das Interview derweil als voller Erfolg gefeiert. In David Bergers Beitrag, der auch von der „Jungen Freiheit“ auf Facebook geteilt wurde, tönt er: „Dunja Hayali ist zu einer Art anständigem „Cover-Girl“ der konservativen Wochenzeitung „Junge Freiheit“ konvertiert.“ Der Titel seines Beitrags lautet „Dunja Hayali in der „Jungen Freiheit“: Die AfD tut der Demokratie gut“. Seinen Kommentar beendet er mit der Frage, ob Dunja Hayali die neue Eva Herman werden könne. Hier ist er jedoch skeptisch.
“Junge Freiheit”-Chefredakteur Dieter Stein stellt in seinem Kommentar zum Interview die These auf, es gäbe eine Differenz „zwischen dem, was Bürger denken und meinen und dem, was – insbesondere öffentlich-rechtliche Medien abbilden und reflektieren.“ Stein weiter: „ Der polemische Ausruf „Lügenpresse“ oder „Fake News“ drang von den Rändern in die Mitte vor. In Sozialen Medien wie Facebook und Twitter reflektieren Leser und Zuschauer in Echtzeit, welche Nachrichten Verbreitung finden und sorgen für alternative Informationen.“ Zwar plädiert Dieter Stein am Ende des Kommentars dafür, auch die eigene Echokammer zu verlassen. Das Interview mit Dunja Hayali, scheint er aber eher als Einknicken einer Vertreterin des öffentlich-rechtlichen Journalismus vor dem Vorwurf einseitiger Berichterstattung zu sehen.