Projektarbeit gegen Antisemitismus unter migrantischen Jugendlichen

Wie kann Antisemitismus in der Jugendarbeit begegnet werden? Dieser Frage ging das Projekt „Amira“ in den letzten drei Jahren nach und hat in dieser Zeit einige Handlungsmöglichkeiten entwickelt. Diese wurden in der vergangenen Woche vorgestellt.

Von Valentina Huthmacher

„Das ist hier doch (k)ein Judenclub!“ – Dass man derartige Sprüche in der Berliner Jugendarbeit gerade von Jugendlichen mit (muslimischem) Migrationshintergrund häufiger hören kann, war einer der Gründe des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin e.V., das Modellprojekt „Antisemitismus im Kontext von Migration und Rassismus“ ins Leben zu rufen. Das Projekt steht jetzt fast am Ende seiner dreijährigen Laufzeit und in der vergangenen Woche wurden die Ergebnisse dargestellt.

Die Projektleiterin Claudia de Coster erläuterte in der Einführung, dass Antisemitismus einerseits nach wie vor ein Problem in unserer Gesellschaft ist, das wenig differenziert diskutiert wird. Andererseits gebe es zwar schon Antidiskriminierungs- und Antirassismusarbeit, diese könne Antisemitismus aber nicht ausreichend entgegenwirken.
Weiterhin erklärte sie, dass Antisemitismus und andere Ungleichwertigkeitsvorstellungen gerade bei Angehörigen von gesellschaftlich benachteiligten Gruppen Mittel zur Kompensation der eigenen Benachteiligung sind. Antisemitismus wirke identitätsstiftend und gemeinschaftsbildend, auch in Abgrenzung von der deutschen Mehrheitsgesellschaft.

Gabriel Fréville, einer der Koordinatoren des Projekts, stellte anschließend die Zielsetzung des Projekts vor: Zunächst sollte das Projekt dazu dienen, Antisemitismus in der Jugendarbeit zu problematisieren und damit für das Thema zu sensibilisieren. Darüber hinaus sollte ein Rahmen für eine konstruktive Auseinandersetzung mit Antisemitismus geschaffen werden, indem in Zusammenarbeit mit VertreterInnen aus der Jugendarbeit und mit MigrantInnenorganisationen pädagogische Ansätze entwickelt und publiziert werden.
Die entwickelten und in der Praxis getesteten Module bestehen aus Fortbildungsmaßnahmen für VertreterInnen der Jugendarbeit, aus Ideen für Workshops mit Jugendlichen und aus einer Handreichung zu jüdisch-nichtjüdischen Begegnungen.

Eine der beiden vorgestellten Fortbildungen hat der Theaterpädagoge und Schauspieler Yilmaz Atmaca entwickelt. In dieser Fortbildung sollen JugendarbeiterInnen durch Rollenspiele an ihrer Haltung gegenüber ihren KlientInnen arbeiten und das Rollenspiel als Methode der Thematisierung von Antisemitismus kennen lernen. In seiner Arbeit hat Yilmaz Atmaca die Strategie entwickelt, zunächst die antisemitische Position des jugendlichen Gegenübers zu kopieren, um sie später hinterfragen und damit einen Denkprozess beim Gegenüber anregen zu können.
Einer der Workshops wurde von Olaf Stuve, Vertreter des Beratungs-, Bildungs- und Forschungsinstitut Dissens e.V., vorgestellt. Er richtet sich an männliche Jugendliche und bearbeitet Antisemitismus verschränkt mit migrantischer Männlichkeit. In Form eines Spiels werden den Jugendlichen Fragen zu den Themen Männlichkeit, Gewalt, soziale (Un-) Gerechtigkeit und Rassismus gestellt, die eine Diskussion und eine Auseinandersetzung mit den Themen auslösen sollen.
Giuseppina Lettieri stellte die Kiezrallye, einen weiteren Workshop, vor. Bei der Kiezrallye werden Jugendliche in der Art einer Schnitzeljagd durch ihren Stadtteil geschickt und lernen dabei religiöse und andere Einrichtungen kennen.
Die von Amira entwickelte Handreichung zu jüdisch-nichtjüdischen Begegnungen stellt beispielhaft Begegnungsprojekte vor: im Projekt „Schalom, Frieden, Salam?!“ des Domgymnasiums Brandenburg fand ein Begegnungstag mit christlichen, muslimischen und jüdischen Jugendlichen statt; Karame e.V. veranstaltete eine Fahrt nach Israel mit Unterstützung der Stiftung „Erinnerung Verantwortung Zukunft“; die „Begegnungsstätte Schloss Gollwitz“, das Jugenddialogprojekt Likrat und der Jugendclub der „Kreuzberger Musikalischen Aktion e.V.“ bieten Möglichkeiten für die Begegnung von Juden und Nichtjuden. Daneben finden sich in der Handreichung Fachartikel und Verweise auf Filme zu jüdischem Leben in Deutschland.

Die Ergebnisse des Projekts stellte Gabriel Fréville dar: Es habe sich gezeigt, dass es in der offenen Jugendarbeit schwierig ist, Maßnahmen gegen Antisemitismus durchzuführen. Einerseits liege dies an der mangelnden Bereitschaft der KlientInnen, ihren Jugendclub nicht nur als Freizeit-, sondern auch als Bildungsort zu nutzen. Andererseits seien die JugendarbeiterInnen in der offenen Jugendarbeit ohnehin einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Dennoch sei es sinnvoll, Maßnahmen in diesem Kontext durchzuführen, da der Einstieg sehr niedrigschwellig ist. Die Durchführung müsse an den Ressourcen der Einrichtung orientiert sein und sollte in den Alltag eingebunden werden.
Des Weiteren sei es wichtig, die Herkunftsspezifika der KlientInnen zu berücksichtigen. Der Umgang mit ihnen sollte anerkennend und wertschätzend sein, um Kooperation zu erreichen.
Es habe sich als notwendig erwiesen, die Maßnahmen als langfristige und kommunikationsintensive Prozesse anzusetzen. Es sollte eine verbindliche Zusammenarbeit mit den MultiplikatorInnen bestehen und beratende Begleitung angeboten werden.

Ende August wird die Abschlussdokumentation erscheinen.

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