„pro Deutschland“ ruft zum Marsch durchs Brandenburger Tor

Seit Wochen werben die Berliner Rechtspopulisten für den, am kommenden Wochenende stattfindenden, „1. Anti-Islamisierungskongress“ in der Hauptstadt. Prominente und weniger prominente Rechtspopulisten aus ganz Europa kündigen ihre Teilnahme an. Ausländerfeindliche Parolen unter dem Deckmantel der Islamkritik sollen der Partei die nötige Aufmerksamkeit verschaffen, um bei den Abgeordnetenhauswahlen am 18. September die wichtige 1%-Hürde zu überschreiten.

Von Ulla Scharfenberg

Die selbsternannte „Bürgerbewegung pro Deutschland“ fällt im Berliner Wahlkampf bislang kaum auf. Bezeichnenderweise war es einzig Thilo Sarrazin, der den Rechtspopulisten zu kurzfristig erhöhter Aufmerksamkeit verhalf. Die Partei warb auf ihren Wahlplakaten mit dem Symbol einer durchgestrichenen Moschee und dem Slogan „Wählen gehen für Thilos Thesen“. Sarrazin sah das Recht am eigenen Namen verletzt und erwirkte eine einstweilige Verfügung. Anstatt die Plakate wieder abzuhängen, überklebten Rouhs und Co einfach den Namen mit einem Sticker. Unter diesem neuen Slogan rufen die Rechtspopulisten nun zum Anti-Islamisierungskongress auf: „Wählen gehen für zensierte Thesen“.

Rechtspopulistisches Familientreffen
Für ihre „spektakuläre politische Versammlung“, wie es im Aufruf heißt, holt sich „Pro Deutschland“ auch Unterstützung aus dem Ausland. Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter hat sich überregional einen Namen gemacht, als sie im Wahlkampf 2008 vor einem „muslimischen Einwanderungstsunami“ warnte, den Propheten Mohammed einen „Kinderschänder“ nannte und behauptete, er habe den Koran „im Rahmen von epileptischen Anfällen“ geschrieben. Aus Belgien reisen Hilde de Lobel und Barbara Bonte (beide „Vlaams Belang“) an. Der US-Amerikaner Taylor Rose, Vorsitzender der Studentengruppe „Youth for Western Civilisation“, die sich in der Tradition der ultrarechten „Tea Party“ Bewegung versteht, empfindet es als „eine Ehre“ am Sonntag mit den deutschen Gesinnungsgenossen zu marschieren. Die übrigen Redner rekrutiert „pro Deutschland“ aus den eigenen Reihen. Markus Beisicht, Multifunktionär von „pro Köln“ und „pro NRW“, kann auf eine abwechslungsreiche Karriere im ultrarechten Spektrum zurückblicken. Vom Bundesvorsitzenden des „Ring Freiheitliche Studenten“ kam er zu den Republikanern (REP), bei denen er es Ende der 1980er Jahre sogar in den Bundesvorstand und zum Kölner Stadtrat schaffte. Anfang der 1990er Jahre wechselte er zur rechtsextremen „Deutschen Liga für Volk und Heimat“ (DLVH), an deren Gründung er beteiligt war. Spätestens bei der DLVH kreuzten sich die Wege von Beisicht und Manfred Rouhs. Kurz darauf wechselten beide zur neugegründeten "Bürgerbewegung pro Köln". Der Bundesvorsitzende von „pro Deutschland“ und Berliner Spitzenkandidat Rouhs begann seinen politischen Werdegang bei der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN). Seine rechte Hand, Lars Seidensticker äußert sich im Vorfeld der Veranstaltung mit einer Kampfansage: „Von Berlin geht ein Signal aus an die muslimische Welt: Die kulturbewahrenden Kräfte Europas arbeiten zusammen. Sie werden die Islamisierung ihres Kontinents verhindern.“

Ein Kongress, der den Namen nicht verdient
Wie viele Teilnehmer am Wochenende in Berlin zu erwarten sind, ist schwer einzuschätzen. Nach eigener Auskunft sollen „allein aus Nordrhein-Westfalen mehrere Busse“ anreisen. Neben dem „zentralen Ereignis“ am Sonntagvormittag kündigt „pro Deutschland“ eine Pressekonferenz an, die am Samstag um 10 Uhr im Hauptstadtbüro der Partei, Allee der Kosmonauten 28, stattfinden soll. Im Anschluss daran planen die Rechtspopulisten „verschiedene interne Aktivitäten der bundesweit nach Berlin anreisenden Mitglieder und Unterstützer“. Wie diese Aktivitäten aussehen könnten, bleibt offen. Möglicherweise versammeln sich die rechten Teilnehmer zu spontanen Infoständen und Kurzkundgebungen an verschiedenen Orten der Stadt. Denkbar ist auch eine Beteiligung an den Protesten gegen den „Al-Quds-Tag“ am Samstag am Joachimsthaler Platz. „Die Al-Quds Demonstration bewegt sich mit ihren Forderungen und den zu erwartenden TeilnehmerInnen in einem Spektrum, welches von Rechtpopulisten, im vermeintlich libertären Gewand, attackiert wird. Gleichzeitig ist den Protesten eine gewisse Medienaufmerksamkeit sicher und möglicherweise möchte sich pro Deutschland genau diese zunutze machen, um sich als Verteidiger ‚westlicher Werte’ zu inszenieren“, erklärt Michael Trube von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (mbr). Dass "pro Deutschland" ihre Veranstaltungen am Wochenende vollmundig als "Kongress" ankündigt, verwundert nicht, angesichts der aktuellen Selbstüberschätzung der Partei. Während die Rechtspopulisten von 5% und mehr träumen („Der Einzug der Bürgerbewegung pro Deutschland ins Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September 2011 wird das deutsche Parteiengefüge umkrempeln“, fantasiert Manfred Rouhs), muss sie in Wahrheit um die Erstattung ihrer Wahlkampfkosten bangen. Geld gibt’s nur, wenn die Partei Berlinweit 1% oder mehr erreicht. Aktuell scheint diese Hürde alles andere als leicht zu nehmen.

Proteste gegen rechtspopulistische Provokation
Nach Einschätzung der mbr wird der "Anti-Islamisierungskongress" der Rechtspopulisten nicht vergleichbar sein mit den "anti-islamischen Aktionstagen", die 2010 in Nordrhein-Westfalen stattfanden: „Zum einen sind die eingeladenen Redner/innen deutlich weniger hochkarätig, als dies im vergangenen Jahr der Fall war und zum anderen ist die zu erwartende mediale Aufmerksamkeit, die aus einer derartigen Demonstration folgen könnte, in Berlin wesentlich geringer als im Rheinland.“.

Verschiedene Berliner Gruppen haben für das kommende Wochenende Gegenaktionen angekündigt. Eine erste Demonstration startet bereits am Freitagabend um 18 Uhr am Boxhagener Platz. Auch rund um die Pressekonferenz von "pro Deutschland" am Samstag (10 Uhr), sowie gegen den Aufmarsch der Rechtspopulisten am Sonntag am Potsdamer Platz (10 Uhr) sind Proteste geplant.

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