Pro Berlin - Eine Herausforderung für Demokraten

Wer steht hinter Pro Berlin und was kennzeichnet die selbsternannte Bürgerbewegung? Eine Analyse der Mitarbeiter des Projekts "Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins"

Von: Verein für Demokratische Kultur / Projekt "Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins"

Pro Berlin ist als Landesverband Teil der rechtspopulistischen Organisation Pro Deutschland, die sich selbst als „Bürgerbewegung“ bezeichnet, aber in ihrem Charakter und rechtlichem Status einer Partei entspricht. Die Gründung des Berliner Landesverbandes erfolgte im Juni 2010 mit Blick auf die Abgeordnetenhaus- und Kommunalwahlen im Jahr 2011 durch Funktionäre von Pro Deutschland. Es soll versucht werden, das vergleichsweise erfolgreiche Modell von Pro Köln aus Nordrhein-Westfalen nach Berlin zu exportieren.

Kurzcharakterisierung der rechtspopulistischer Themenfelder – insbesondere von Pro Berlin

Wichtigste Themen von Pro sind die vermeintliche „Islamisierung“ und die Zuwanderung in Deutschland. Pro lässt sich analytisch als Vertreter eines anti-muslimischen Rassismus kennzeichnen, der über negative und pauschale kulturelle Zuschreibungen an „den Islam“ bzw. „die Muslime“ funktioniert. Wesentlich für die Agitation von Pro ist die Ethnisierung und Kulturalisierung sozialer Probleme. Auch die Agitation gegen „die da oben“ – gegen Korruption, Filz und Klüngel-Wirtschaft der „Bonzen“ und „Alt-Parteien“ – gehört in das rechtspopulistische Repertoire. Autoritäre Vorschläge in der Sicherheitspolitik in den Bereichen Kriminalität und Terrorismus einerseits und das Einfordern der eigenen Meinungsfreiheit – etwa angesichts von gegen Pro gerichteten Protesten – sowie die Inszenierung als „wahre Demokraten“ andererseits runden das rechtspopulistische Themenspektrum von Pro ab.

Die Pro-Organisationen konkurrieren mit anderen Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums wie der rechtsextremen NPD um ein ähnliches Wähler/innenpotenzial. Zugleich bemüht sich Pro um eine rechtspopulistische Modernisierung der deutschen Rechten nach dem Vorbild Österreichs oder der Niederlande.
Der Rechtspopulismus steht für den Versuch, den Raum zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus zu besetzen und eine Verbindung zwischen beiden Spektren im Sinne einer Scharnierfunktion herzustellen.

Rechtspopulismus als Krisenphänomen knüpft an autoritäre Momente des öffentlichen Diskurses an, spitzt sie zu und reagiert auf sie in pauschalisierten Krisenlösungen und einfachen Antworten, die Unsicherheiten und Ängste in der Bevölkerung aufgreifen. Rechtspopulismus ist oft kampagnenorientiert, da sich Kampagnen mit vergleichsweise wenig Ressourcen bewerkstelligen lassen und sie sich strategisch gut eignen, um die Selbstinszenierung als authentische „Bürgerbewegung“ zu unterstreichen. Auch Unterschriftensammlungen sind daher ein bevorzugtes politisches Mitteln.

Von der rechtsextremen Kleinstpartei über Pro Köln und Pro NRW zu Pro Deutschland

Als die rechtsextreme Partei Deutsche Liga für Volk und Heimat (DLVH) 1999 in Köln eine schwere Wahlniederlage hinnehmen musste, übernahmen ihre lokalen Funktionsträger – insbesondere der Kölner Verleger Manfred Rouhs und der Leverkusener Anwalt Markus Beisicht – die Führung des bis dahin unbedeutenden Vereins Pro Köln und wandelten diesen in eine lokal erfolgreiche rechtspopulistische Organisation.

Pro Köln wurde durch die Kampagne gegen einen Moschee-Bau in Köln-Ehrenfeld als vermeintliche „Bürgerbewegung“ bundesweit bekannt. Bei den Kommunalwahlen 2004 errang Pro Köln vier Mandate im Kölner Stadtrat und ist seitdem in allen kommunalen Gremien Kölns vertreten. Die Stadtratsmitglieder von Pro Köln zeigen sich bis heute sehr darum bemüht, engagiert zu wirken, was an ihrer in der Regel guten Vorbereitung und der geschickten Platzierung von Anträgen abzulesen ist.

Inhaltlich bedient Pro Köln die oben genannten für den Rechtspopulismus typischen Themen und versucht zusätzlich, mit vermeintlich unideologischen Beiträgen für Irritationen bei den demokratischen Kommunalpolitiker/innen zu sorgen und so deren Abgrenzung zu erschweren.

Im Februar 2007 erfolgte die Gründung des Vereins Pro NRW, der die Übertragung des Modells Pro Köln auf weitere Städte in Nordrhein-Westfalen und den Landtag zum Ziel hatte. Bei den Kommunalwahlen 2009 konnte das Wahlergebnis in Köln mit 5,4% leicht verbessert werden. Pro NRW zog nach der zwischenzeitlichen Umwandlung in eine Partei in verschiedene Stadt- und Gemeinderäte ein. Der Einzug in den Landtag blieb Pro NRW im Mai 2010 mit 1,4% aber klar verwehrt.

Pro Köln und Pro NRW werden wegen des Verdachts verfassungsfeindlicher Bestrebungen vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen beobachtet. Pro Deutschland wurde bereits im Januar 2005 gegründet und verfolgt unter der Federführung von Manfred Rouhs das Ziel, den Erfolg von Pro Köln auf Städte im ganzen Bundesgebiet auszudehnen. Voraussetzung für einen Wahlantritt ist dabei die eigene Wahlkampffähigkeit, die von Pro Deutschland an der Anzahl der in Unterschriftenlisten erfassten Unterstützer/innen gemessen wird.

Bisherige Entwicklung von Pro in Berlin

Der Gründung des Landesverbandes Berlin von Pro Deutschland im Juni 2010 gingen Treffen für Berliner Interessierte seit April 2007 voraus – sogenannte „Berliner Stammtische“. Organisiert wurden die Stammtische von Manfred Rouhs, dem Vorsitzenden von Pro Deutschland, der zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen aktiv war. Rouhs trieb gemeinsam mit anderen Funktionären von Pro Deutschland die Gründung in Berlin voran. Für den kommenden Wahlkampf hat Rouhs seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt.

Im Jahr 2009 wurden die ersten regionalspezifischen Pro-Flugblätter für Berlin hergestellt, nachdem zuvor ausschließlich auf Kampagnenmaterial von Pro Deutschland (z.B. gegen den EU-Beitritt der Türkei) zurückgegriffen wurde. Aktuell gibt Pro vor, in Berlin 180 Mitglieder zu haben. Nach realistischen Schätzungen ist das eine überhöhte und irreführende Angabe. Vielmehr sind kaum qualifizierte Funktionär/innen und nur etwa ein Dutzend Aktive sichtbar. Gary Beuth ist der Berliner Vorsitzende von Pro in Berlin. Der stellvertretende Vorsitzende und Landesgeschäftsführer Lars Seidensticker, ein ehemaliges DVU-Mitglied, ist aus Niedersachsen zur Unterstützung nach Berlin gezogen.

Ein sogenanntes „Bürgerbüro“ wurde in Marzahn-Hellersdorf eröffnet und der Sitz von Pro Deutschland soll in naher Zukunft von Köln nach Berlin verlegt werden. Laut Rouhs sollen dauerhaft mehr als 80% der Gelder von Pro Deutschland für Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden. Im Wahlkampf möchte Pro alle Ressourcen auf Berlin konzentrieren und die meisten Haushalte mindestens einmal mit Direktwerbemitteln erreichen. Das Programm des Berliner Landesverbandes von Pro Deutschland zu den Wahlen 2011 ist schwerpunktmäßig gegen Muslime gerichtet und schürt die Angst vor „Überfremdung und Islamisierung“.

Wahlchancen und Erfolgsbedingungen für Pro in Berlin

Pro wird im Berliner Wahlkampf 2011 inhaltlich die Verknüpfung von antimuslimischem Rassismus, autoritären Forderungen in der Sicherheitspolitik und sozialem Protest anstreben. Damit verbunden ist die Hoffnung, ein Wähler/innenpotenzial zu erreichen, das die mittlerweile in Berlin kaum noch wahrnehmbaren Republikaner in früheren Zeiten mobilisieren konnten (z.B. 1989: 7,5%).

Die optimistischen Erwartungen betreffen vor allem Bezirke im Westteil der Stadt. Die baldige Gründung von Kreisverbänden ist für Neukölln, Steglitz-Zehlendorf und Spandau angekündigt. Hier rechnen sich die führenden Personen offenbar Aussichten auf (Teil-)Erfolge aus, die sich etwa in dem Einzug in einzelne Bezirksverordnetenversammlungen ausdrücken könnten. Die 15% der Stimmen, die Pro nach eigener Aussage in Berlin für erreichbar hält, sind jedoch unrealistisch. Zur Zeit ist nicht zu erkennen, dass Pro die strukturelle und personelle Stärke erreichen kann, um einen erfolgreichen Wahlkampf in Berlin zu führen. Die grundlegenden Voraussetzungen für relevante Stimmengewinne sind die eigene organisatorische Handlungsfähigkeit im Wahlkampf sowie die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit glaubwürdig als nicht-rechtsextrem präsentieren zu können. Zu den weiteren Bedingungen, die einen Erfolg von Pro begünstigen könnten, gehört die Frage, wer sich gegen andere rechtspopulistische, aber auch rechtsextreme Parteien in der Konkurrenz um dieselbe Wähler/innen-Klientel durchsetzen kann. Interne Streitigkeiten z.B. über grundsätzliche strategische Fragen, die bei Pro in der Vergangenheit bereits eskalierten, müssten zumindest vorläufig beigelegt werden. Ob sich die in diesem Zusammenhang getroffenen Absprachen und Kompromisse als belastbar erweisen, lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen.

Finanziell sollte der schwedische Unternehmer und Millionär Patrik Brinkmann den Wahlkampf von Pro in Berlin tragen. An NPD und DVU ist das Geld von Brinkmann in den letzten Jahren nicht in erwartetem Umfang geflossen – bei beiden rechtsextremen Parteien war er zuvor als Geldgeber im Gespräch und teilweise aktiv. Im Oktober 2010 verkündete Brinkmann, der nach Aussagen von Rouhs zwischenzeitlich als Kandidat für eine Bezirksverordnetenversammlung eingeplant war, eine Distanzierung von seinem Engagement für Pro im Berliner Raum. Fehlende Geldmittel haben direkten Einfluss auf den Aufwand, den Pro in Berlin betreiben kann.

Für eine wirksame Agitation im Wahlkampf benötigt Pro einen Kristallisations- und Anknüpfungspunkt, z.B. in Form antimuslimischer Debatten, die in der Mitte der Gesellschaft geführt werden. Hier könnte Pro als „Trittbrettfahrer“ der Diskurse auftreten und sich plausibel als das „antimuslimische Original“ profilieren. Falls sich Pro während des Wahlkampfs ein passender Anlass für eine Kampagne bietet, ist mit dem Versuch zu rechnen, sich in der Öffentlichkeit als „Sprachrohr des Volkes“ zu inszenieren und so möglicherweise von der Dynamik der Situation zu profitieren. Beispiele für einzelne Ereignisse, die hierfür potenziell in Frage kommen, sind etwa medial aufbereitete „Ehrenmorde“, Moschee-Neubauten, rassistische Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen oder islamistische Aktivitäten.

Herausforderungen für Demokrat/innen

Eine Herausforderung für die Demokratinnen und Demokraten im Umgang mit Rechtspopulismus liegt darin, eine Abgrenzung von Pro zu vereinbaren, die passgenau auf deren Inhalte und Vorgehensweisen zugeschnitten ist. Im Unterschied zur offen rechtsextremen NPD bekennt sich Pro wie auch andere Rechtspopulist/innen demonstrativ zu Demokratie und Grundgesetz. So macht Pro aus strategischem Kalkül eine deutliche Absage gegenüber rechtsextremer Ideologie und bemüht sich um eine organisatorische wie personelle Trennung zu diesem Spektrum. Bedingung für die Mitgliedschaft ist nach Angaben von Pro beispielsweise, eine Treueerklärung gegenüber dem Grundgesetz zu unterschreiben.

Auch wenn die Biographien zentraler Führungsleute von Pro ein politisches Vorleben in rechtsextremen Organisationen aufweisen, sind ideologische Unterschiede etwa zur rechtsextremen NPD vorhanden. Auf Seiten der NPD und anderer Rechtsextremer findet sich oftmals ein revolutionärer, systemfeindlicher Habitus, ein eindeutig positiver Bezug auf den historischen Nationalsozialismus sowie ein völkisches Nationenverständnis – Ideologieelemente, die eine Abgrenzung seitens der Demokrat/innen vergleichsweise einfach machen. Vorgeblich „demokratische“ Rechtspopulist/innen wie Pro, die z.B. mit ihrer Forderung nach Volksentscheiden Mittel der demokratischen Mitbestimmung für die Agitation gegen Einwanderung instrumentalisieren, stellen Demokrat/innen vor besondere Aufgaben. Insbesondere das Argumentieren gegen anti-muslimische Ressentiments wird im kommenden Berliner Wahlkampf eine der zentralen politischen Herausforderungen sein.

Dieser Artikel erschien zuerst auf der neuen Website des Projekts "Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins" und wurde uns zur Verfügung gestellt. Das Projekt »Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in kommunalen Gremien Berlins – Dokumentation und Analyse« ist ein Projekt des Vereins für Demokratische Kultur in Berlin (VDK) e.V. und kooperiert eng mit der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR)". Gefördert wird das Projekt unter anderem von der Amadeu Antonio Stiftung

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