Parteiveranstaltung mit Festivalstimmung

Am 11. Juli 2009 fand in Gera zum siebenten Mal das NPD-Fest „Rock für Deutschland“ statt. Dieses Jahr stand es unter dem Motto „Wir für Gera! Hier bleiben – Anpacken“. Die Parteiveranstaltung ist das zweitgrößte Nazifestival nach dem „Fest der Völker“ in Thüringen. Jährlich reisen hunderte Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet an. Die Partei hat sich in diesem Jahr besondere Mühe gegeben, prominente Redner und Bands zu versammeln – darunter auch die Bands „Die Lunikoff Verschwörung“ und „Sleipnir“. Schon zwei Monate vorher häufen sich Nazischmierereien in Gera.

Von Nora Winter

„Das kann und darf nicht Normalzustand sein“, sagt Sebastian Müller von der Initiative –„Kabelbruch“, einer Gruppe Jugendlicher, die sich gegen das jährliche NPD-Festival „Rock für Deutschland“ engagiert. Seit 2003 in Gera etabliert geworden, zieht „Rock für Deutschland“ jedes Jahr mehr Sympathisantinnen und Sympathisanten der Naziszene an und rangiert schon kurz hinter der größten NPD-Konzertveranstaltung, dem „Fest der Völker“ (Link). Auch dieses Nazi-Großereignis findet jedes Jahr an wechselnden Orten in Thüringen statt. Diesmal heißt das „Rock für Deutschland“-Motto „Wir für Gera! Hier bleiben – Anpacken“. „Während anfangs noch etwa 200 (2003) bzw. 150 (2004) Personen teilnahmen, stieg deren Zahl in 2005 auf 700 bis 750 an“, schätzt der Verfassungsschutzbericht 2008 des Landes Thüringen die Zahl der Nazis beim „Rock für Deutschland“. Schon im Mai tauchten 2009 vermehrt Neonazischmierereien in Gera auf. Wahlplakate der Grünen wurden mit Hakenkreuzen beschmiert. Am Rondell der Integrierten Gesamtschule in Gera wurde „Jude Brenn“ gesprüht, was schnell auf Initiative einer Lehrerin entfernt wurde.

Ansprache an die subkulturell orientierte Szene

Das NPD-Fest ist eine Parteiveranstaltung, die besonders junge Anhängerinnen und Anhänger im Blick hat. Neben Reden auf der Bühne, die übliches nazistisches Ideologiegebräu aus Rassismus, Antisemitismus und Volkstümelei gepaart mit regressiver Kapitalismuskritik erwarten lassen, spielen Nazibands, die das Publikum bei Laune halten sollen. Aus dem Jahr 2008 gibt es sogar einen Mitschnitt auf DVD, der bei „Rebel Records“, einem Nazimusikversand, der im brandenburgischen Cottbus seinen Sitz hat, zu kaufen ist. Seinen bisherigen Höhepunkt hatte „Rock für Deutschland“ 2005. In diesem Jahr wurde es als Ersatzveranstaltung für das ausgefallene „Pressefest der Deutschen Stimme“ gehandelt, das jährlich sogar mehrere tausend Nazis versammelt. Die „Deutsche Stimme“ ist die Parteizeitung der NPD. 2009 wird die Zahl von rund 750 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wohl um einiges übertroffen werden.

Konzerte als nazistisches Happening

Denn 2009 darf die Rolle des „Festivals“ im Landtags- und Bundestagswahlkampf für die NPD nicht unterschätzt werden. Die Partei hat sich in diesem Jahr besonders Mühe gegeben, hochrangige Namen aus der Szene zu versammeln. Es werden „Die Lunikoff Verschwörung“, „Sleipnir“, „Blitzkrieg“ und „Frontalkraft“ spielen. „Die Lunikoff Verschwörung“ kann als Nachfolgergruppe der bekanntesten Naziband „Landser“ angesehen werden. Der Ex-Landser-Sänger Michael „Lunikoff“ Regener gründete die Band 2003 mit den Mitgliedern der Band „Spreegeschwader“, eine weitere Naziband aus Berlin. „Sleipnir“ bezieht sich auf die germanische Mythologie und gab sich den Name von Odins Pferd. Seit 1996 veröffentlichte „Sleipnir“ mehrere CDs veröffentlicht. Die Band ist eine der aktivsten und gibt auch bei auf europäischen Nazisveranstaltungen Konzerte. „Hier marschiert der Nationale Widerstand“ singen sie – ein Slogan der auf vielen Demonstrationen der Naziszene zu hören ist. „Frontalkraft“ stellte u. a. Songs für Sampler-CDs von „Freien Kameradschaften“ zur Verfügung und ist wiederum mit „Rebel Records“ verknüpft. Auch „Blitzkrieg“ gehört zu den bekanntesten und aktivsten Nazibands.

Viele Teilnehmer erwartet

Allein wegen diesem Konzertaufgebot muss mit einer sehr hohen Zahl von Teilnehmenden gerechnet werden. Auch aus Belgien und der Schweiz wollen Nazis anreisen. „Aufgrund des prominent besetzten Rechtsrock- und Rednerprogramms ist zu befürchten, dass eine neue Qualität in seiner Stellung als bundesweit zweitgrößtes Neonazifest erreicht wird“, sagt Anna Schneider von der Antifaschistischen Aktion Gera, die Teil des Organisationsbündnisses ist. „So zog die angekündigte Rechtsrockband ‚die Lunikoff-Verschwörung’ beispielsweise 2005 über 2000 Anhängerinnen und Anhänger nach Pößneck“.

Warum Konzerte für die Szene wichtig sind

Konzerte sind für die Szene stets ein wichtiger Treffpunkt. Bei den jugendlichen Besucherinnen und Besucher solcher Konzerte ist die Ideologie aus Rassismus, Antisemitismus oder Volkstümelei allerdings längst nicht mehr nur latent. Textzeilen wie „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ werden unverhohlen mitgesungen. Die Konzerte sorgen vielmehr dafür, dass bisher Unorganisierte fester an Strukturen gebunden werden. Und auch die NPD kann damit jüngere und außerparteilich organisierte Nazis bei der Stange halten.

Zusammenspiel von NPD und Kameradschaften...

NPD und die „Freien Nationalen Kräfte Thüringen“ treten gemeinsam als Veranstalterinnen auf. Denn bei den Kameradschaften Thüringens liegen auch die Wurzeln der lokalen NPD. Die NPD Gera etwa ging aus den Nazigruppen hervor, die sich nach der Wende bildeten. Zu ihnen gehörte auch der jetzige Vorsitzende des Kreisverbandes der NPD, Gordon Richter. Der Geraer Kreisverband der NPD war fast personalidentisch mit der lokalen Struktur des Vereins „Die Nationalen e.V.“, eine Organisation zur Etablierung eines bundesweiten Kameradschaftsnetzwerkes. 1997 löste sich dieser Verein auf, da es vermehrt Zeichen für ein Verbot gab.

... mit Reibungsflächen

Doch immer wieder gibt es zwischen der Partei und anderen Naziorganisationen auch Spannungen. Das in der Szene neuere Phänomen der „Autonomen Nationalisten“ ist gerade bei Demonstrationen immer wieder ein Streitpunkt. Das martialische Auftreten schreckt ab. Die alten Herren sehen ihr Image als gute deutsche Bürger gefährdet, mit dem sie auch Wählerinnen und Wähler der vermeintlich demokratischen „Mitte“ der Bevölkerung gewinnen und damit in Parlamente einziehen. Bei der Kommunalwahl im Juni diesen Jahres haben in Gera zwei Kandidaten der NPD, eben jener Gordon Richter und Frank Jahn, in den Stadtrat einziehen können.

NPD will junge, subkulturelle Szene binden

Auf der anderen Seite wächst in vielen Regionen eine junge Generation von Nazis ohne Parteibuch heran. Für sie ist das scheinbare Spießbürgertum der Partei nicht das Richtige. Der Thüringer NPD-Wahlkampfslogan „Arbeit. Familie. Heimat. Die Heimatpartei“ ist nicht die passende Vision ihres kommenden „nationalen und sozialen Deutschlands“. Doch die NPD will auch sie weiterhin an sich binden. So veranstaltet die Partei einerseits Familienfeste und andererseits Festivals wie „Rock für Deutschland“.

Die Redner

Auch personell ist zu erkennen, dass hier auf Integration der außerparteilichen Szene geachtet wird. Neben Udo Voigt, Bundesvorsitzender der NPD, wird auch die Thüringer Parteiprominenz Frank Schwerdt, Patrick Wieschke und Peter Nürnberger ihre Ideologie zum Besten geben. Ebenso zugesagt hat Patrick Schröder aus Bayern.

Dabei steht Frank Schwerdt für eine lange Parteiarbeit, die außerparteiliche Strömungen im Blick hat. Obwohl auch er früher mit der NPD haderte, versuchte er immer, die Verbindungen zwischen NPD und den sogenannten Freien Kräften und anders organisierten Nazis zu stärken. Schwerdt, heute NPD-Landesvorsitzender in Thüringen, war etwa Gründer der „Arbeitsgemeinschaft nationaler Sozialisten innerhalb und außerhalb der NPD“ und des „Märkischen Heimatschutzes“ in Brandenburg. Zum jetzigen Wahlkampf erfährt Schwerdts Internetseite auch Werbung vom „Freien Netz – Altenburg“. Schwerdt war in den 90er Jahren Vorsitzender des Vereins „Die Nationalen e.V.“.

Peter Nürnberger, heute Landesgeschäftsführer und Pressesprecher der Thüringer NPD, trat auch er mehrmals auf Veranstaltungen des „Freien Netz – Altenburg“ auf.

Patrick Wieschke, heute Geschäftsführer der NPD in Thüringen, gründete das „Nationale und Soziale Aktionsbündnis Westthüringen“, ein Zusammenschluss der Kameradschaften Eisenach, Unstrut-Hainich, Bad Liebenstein, des „Nationalen Widerstands Schmalkalden“ und des „Anti-Antifaschistischen Komitees Eisenach“, mit. Er selbst war auch Anführer der Kameradschaft Eisenach.

Patrick Schröder wuchs aus der Kameradschaftsszene in die NPD hinein. Früher war er Anführer der Kameradschaft „Widerstand Weiden“. Heute ist Schröder Kreisvorsitzender der NPD im Kreisverband Weiden/Oberpfalz.

Die Redner wollen vor allem noch unorganisierte Sympathisantinnen und Sympathisanten zur Wahl der NPD bewegen. „Wenn leute nur wegen bands kommen u nebenbei ein paar redner mitbekommen, hat das für mich schon einen sehr großen sinn! So erreicht man auch mal die die sonst nicht auf Demos oder an ähnlichen aktivitäten teilnehmen...bedenke 2009 ist das ‚Superwahljahr’“, schreibt User „bonfire“ im Naziforum „Thiazi“.

Protest regt sich

Ebenfalls am 11. Juli findet ab 12 Uhr eine Gegendemonstration statt, die vom Aktionsbündnis Kabelbruch organisiert wird. Treffpunkt ist schon ab 10 Uhr auf der Veranstaltungsfläche vor dem Kultur- und Kongresszentrum in Gera. „Unter dem diesjährigen Motto ‚Hier bleiben – Anpacken’ versuchen Nazis und Rassistinnen unterschiedlicher Strukturen ihrem lebensfeindlichen Weltbild eine Plattform zu geben und gleichzeitig den Wahlkampf der NPD finanziell zu unterstützen“, erklärt Sebastian Müller. Auch wenn „Rock für Deutschland“ als Demonstration angemeldet ist, muss ein „freiwilliger Unkostenbeitrag“ geleistet werden. Und der fließt gleich noch in die Wahlkampfkasse der NPD. „Wir hoffen auf einen breiten Protest, an dem sich viele beteiligen“, so Müller weiter.

Auch der Oberbürgermeister Geras, Norbert Vornehm von der SPD, ruft zur Gegendemonstration auf. Unter dem Motto „Gera bunt, tolerant und weltoffen. Kein Platz für Nazis!“ sollen möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich am Protest beteiligen.

Ergänzung vom 13.07.2009

3.900 Nazis besuchten "Rock für Deutschland", die Gegenproteste waren spärlich. Reportage auf unserem Partnerportal
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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