Menschenverachtende Aktivitäten im Social Web ist unser Schwerpunkt im Juli 2016. Heute: Die Narrative um die "Lügenpresse" und die dann vermeintlich nötige "Gegenöffentlichkeit".
Netz gegen Nazis

Narrative und Motive: »Lügenpresse« und »Gegenöffentlichkeit«

»Lügenpresse« wurde 2015 zum Unwort des Jahres 2014 gewählt. Wie Google Trends verdeutlicht, ist der Begriff mit der Popularisierung von PEGIDA verbunden. »Lügenpresse! Lügenpresse!« war ein ständiger Schlachtruf auf den Demonstrationen. Ab Dezember 2014, mit Beginn der ersten PEGIDA-Demonstrationen in Dresden, stiegen die Suchanfragen nach dem Begriff sprunghaft auf ihren relativen Höchststand im Januar 2015.

Er verweist auf verschwörungsideologische Vorstellungen einer Presse, die im Auftrag von Verschwörer_innen Unwahrheiten und Propaganda über gesellschaftliche Verhältnisse und die eigene Gruppe berichtet. Der Ausdruck »Lügenpresse« impliziert, dass es komplementär eine »Wahrheitspresse« geben müsse. Letztere zeigt sich dieser Logik folgend in der »alternativen« Medienlandschaft bzw. »Gegenöffentlichkeit«, die sich um (rechts-) populistische Infomagazine, -portale und -seiten wie Anonymous.Kollektiv, RT Deutsch, KenFM, COMPACT Magazin, The Epoch Times und ähnliche gebildet hat.

Die »Wahrheit« über die aktuelle Lage im Land und der Welt finde sich also nicht mehr in der Qualitätspresse, sondern im Internet. Gerade in sozialen Netzwerken, deren automatisches Informationsangebot sich weitgehend aus Posts der eigenen »Freunde« sowie den bisherigen Likes und Klicks generiert, steigt die Gefahr, sich mittels dieser »alternativen« Medien vollständig in eine sogenannte Echokammer zurückzuziehen, in der ausschließlich die eigene Ideologie reproduziert und Widersprüche fast vollständig ausgemerzt werden. Dieser Selbsteinschluss kann als Teil von Radikalisierungsprozessen aufgefasst werden. In solchen Echokammern wird über Polarisierungen, Übertreibungen und Falschmeldungen der Eindruck erweckt, dass der Untergang des Abendlandes und der deutschen Nation unmittelbar bevorstünde.

Damit steigt zugleich der Druck, den Drohgebärden im Netz (Morddrohungen unter Klarnamen) und auf der Straße (Galgen bei PEGIDA) auch Taten folgen zu lassen. Dieses Klima darf als zusätzliche Ursache für die rasant gestiegene Anzahl von Brandanschlägen auf Unterkünfte für Flüchtlinge im Jahr 2015 nicht unterschätzt werden. Ein weiteres Resultat sind die stark angestiegenen Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten. Die Organisation Reporter ohne Grenzen berichtet von mindestens 39 gewalttätigen Übergriffen auf Journalist_innen.
 

Auszug

aus "Monitoringsbericht 2015/2016 - Rechtsextreme und menschenverachtende Phänomene im Social Web" unseres Partner-Projektes debate_dehate /no-nazi.net der Amadeu Antonio Stiftung.
 

Mehr aus dem Bericht auf Belltower.news unter

| Schwerpunkt Juli 2016: Hass im Netz 2016
 

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