Plakate beim antisemitischen Al-Quds-Tag

Monatsüberblick Antisemitismus - Juli 2017

+++ Spiegel begründet Streichung von "Finis Germania" aus Bestsellerliste +++ Aufruf zum Mord: "Juden Töten“-Banner an Schweizer Autobahn +++ Friedhof in Jena: Jüdisches Grab geschändet +++  "Antisemitismus ist Schulalltag" +++ Viele sind antisemitisch und merken es nicht +++  Veranstaltungen, die einen Israel-Boykott unterstützen +++ Sprachkursanbieter in Österreich - Fragwürdige Werbe-Kampagne von Berlitz +++ Mit Rap lässt sich lügen +++ Rede von FPÖ-Politiker mit antisemitischen Codes +++

 

Zusammengestellt von Alina Darmstadt

 

"Spiegel" begründet Streichung von "Finis Germania" aus Bestsellerliste

Erst auf Platz sechs, dann plötzlich verschwunden: Das umstrittene Sachbuch "Finis Germania" fehlt auf der aktuellen Bestsellerliste. Jetzt hat die Chefredaktion des Nachrichtenmagazins Stellung genommen. In einer Erklärung "in eigener Sache" schreibt die stellvertretende Chefredakteurin Susanne Beyer, ohne die Empfehlung des "Spiegel"-Redakteurs Johannes Saltzwedel für die "Sachbücher des Monats" im Juni hätte es das Werk des 2016 verstorbenen Autors Rolf Peter Sieferle "unserer Einschätzung nach nicht in die Liste geschafft". Die Bestsellerliste stütze sich zwar auf Verkaufszahlen, werde aber von vielen als Empfehlungsliste verstanden. "Insofern haben wir in diesem Fall eine besondere Verantwortung." Der Eingriff bleibe aber eine "absolute Ausnahme". DW

 

Aufruf zum Mord: "Juden Töten“-Banner an Schweizer Autobahn

Auf der Schweizer A3 Richtung Zürich haben Unbekannte mehrere Spruchbänder über die Autobahn gespannt. Darauf sind Hakenkreuze und die Aufschrift "I love Hitler!" zu sehen. Auf einem weiteren Banner riefen die Täter sogar zum Mord auf: "Juden töten". Bereits am vergangenen Freitagmorgen rückte die zuständige Schweizer Polizei aus, um die Nazi-Plakate zu entfernen. Wie lange die Parolen an den Autobahnbrücken Reichenburg und Richterswill hingen, ist nicht bekannt. "Wir haben von den Plakaten Kenntnis. Mehrere Patrouillen sind bereits im Einsatz, um diese zu entfernen, weil so etwas nicht zulässig ist", sagte Polizei-Sprecher Florian Gassmann gegenüber dem Newsportal "20Minuten". Tag24

 

Friedhof in Jena: Jüdisches Grab geschändet

Auf dem Johannisfriedhof in Jena ist das jüdische Grab von Gustav Dreyspring geschändet worden. Das teilte die Polizei am Mittwoch mit. Unbekannte besprühten demnach die Grabplatte zunächst mit einem Schaumfeuerlöscher, welcher am Tatort zurückgelassen wurde. Außerdem wurden Glasscherben auf dem Grab verteilt und ein abgebrochener Flaschenhals auf einen eingravierten Davidstern gelegt. Thüringen 24

 

"Antisemitismus ist Schulalltag"

Antisemitismus gehört laut einer Umfrage an Berliner Schulen zum Alltag. Manche Lehrer berichten von Schülern, die als "Moralwächter" agieren. Antisemitische und islamistische Einstellungen gewinnen in Schulen an Einfluss. Dies ist das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage unter 27 Lehrern an 21 Schulen in acht Bezirken. Das American Jewish Committee stellte die daraus entstandene Dokumentation mit Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) vor, betonte aber, dass es sich um ein „Stimmungsbild und keine Untersuchung“ handele. Zum Thema Antisemitismus berichten manche Lehrkräfte, Unterricht zum Thema Nahost sei inzwischen „nahezu unmöglich“. Gute Erfahrungen machen sie aber bei Begegnungen mit deutschen oder israelischen Juden sowie mit Klassenfahrten nach Israel. Tagesspiegel , Neues Deutschland

 

Viele sind antisemitisch und merken es nicht

Als eine Berliner Schule in die Kritik geriet, weil ein jüdischer Junge über Monate hinweg von muslimischen Mitschülern gequält wurde, während Lehrer und Erzieher wegsahen, beschwerten sich Eltern und Schulleitung, der Ruf ihrer „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ werde durch die Kritik ruiniert. Wohlgemerkt: nicht durch den Vorfall selbst. Als die ARD einen Film ausstrahlte, der sich mit antiisraelischen Bewegungen in Europa beschäftigte, durfte er nur gezeigt werden zusammen mit einem „Faktencheck“, in dem die Aussagen des Films relativiert wurden. Kürzlich erschien in der FAZ ein Artikel über „die Angst vor dem A-Wort“. Darin hieß es: „Nichts müssen Amtsträger in Deutschland so sehr fürchten wie das A-Wort.“ Erstaunlich. Man könnte meinen, Amtsträger müssten mehr Angst haben vor Haushaltslücken oder Verschwendungsvorwürfen etwa, von Terror und Rechtsradikalismus einmal zu schweigen. Aber nein. Sie haben Angst vor den „Lobbyisten Israels“, wie es in der FAZ hieß. Welt

 

München verurteilt Veranstaltungen, die einen Israel-Boykott unterstützen

Im Dauerstreit über Veranstaltungen zum Nahost-Konflikt bezieht Münchens Rathauskoalition deutlich Position: In einem am Dienstag veröffentlichten Antrag stellen sich die Stadtratsfraktionen von SPD und CSU vehement gegen die Kampagne BDS ("Boycott, Divestment, Sanctions") und deren Unterstützer. Die Kampagne ruft zum wirtschaftlichen und kulturellen Boykott Israels auf; die Stadt hingegen bekenne sich zum Existenzrecht Israels und zu dessen Recht auf Selbstverteidigung, heißt es in dem Antrag. Der "antisemitischen BDS-Kampagne" dürfe sie keine städtischen Räume zur Verfügung stellen und weder Veranstaltungen noch Gruppen oder Personen unterstützen, die entsprechende Ziele verfolgen. Süddeutsche

 

Juden fühlen sich in deutschen Großstädten bedroht

Der Zentralrat der Juden warnt: In einigen Gegenden Deutschlands sollte man sich aus Sicherheitsgründen nicht als Jude zu erkennen geben. Eine Gefahr sieht Zentralratsvorsitzender Schuster auch in der AfD. Der Zentralrat der Juden warnt vor steigendem Antisemitismus in Deutschland. Der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster sagte der „Bild am Sonntag“: „In einigen Bezirken der Großstädte würde ich empfehlen, sich nicht als Jude zu erkennen zu geben.“ Die Erfahrung habe gezeigt, dass das offene Tragen einer Kippa oder einer Halskette mit Davidstern verbale oder körperliche Bedrohungen zur Folge haben könne. Schuster warf der Bundesregierung zugleich einen zu zögerlichen Kampf gegen Antisemitismus vor. So sei in der aktuellen Legislaturperiode kein Beauftragter zur Bekämpfung von Antisemitismus ernannt worden. FAZ

 

Mit Rap lässt sich lügen

Jay-Z gebraucht auf seinem neuen Album antisemitische Klischees. Kann man so etwas rechtfertigen? Und was ist mit den anderen Rappern, die nicht nur judenfeindlich sind, sondern sexistisch und homophob? Der Judenhass und Frauenhass und Schwulenhass wohnen im Rap – ja, sie sind die bösen Untermieter. Doch wenn man Rap mag und Rap hört, rettet man sich in einen Reflex, der hilft, das alles zu ertragen. Um Hass auf Juden, Schwule, Frauen geht es nicht, es geht um mehr, sagt der Reflex im Kopf, und der Kopf nickt. Denn man lernt elastische Arten der Rechtfertigung. Sie sind wie Muskeln, werden athletischer, je mehr man hört, helfen im Kampf gegen Kritik an Rap. FAZ

 

Rede von FPÖ-Politiker mit antisemitischen Codes

Freiheitlicher Parlamentarier sprach vor rechtsextremer Vereinigung in Deutschland und bediente ein Vokabular, das dieses Publikum verstand. Kurier

 

Sprachkursanbieter in Österreich - Fragwürdige Werbe-Kampagne von Berlitz

Mit seiner neuen Werbung hat sich der österreichische Sprachkursanbieter Berlitz Antisemitismus-Vorwürfe eingefangen. Dabei wollte man nur "kreativen Wind in die Kampagne bringen". Der österreichische Sprachkursanbieter Berlitz hat eine neue Werbeagentur. Und diese hat mit ihrer ersten Kampagne bereits ordentlich daneben gehauen. "Enjoy life in full trains", übersetzt: "das Leben in vollen Zügen genießen", steht in einer Sprechblase über einem jüdisch-aussehenden Mann in einem Zugabteil. "Sprachen richtig lernen - nur bei Berlitz" steht darunter. Die zuständige Werbeagentur "Warda Network" will damit durch "Doppeldeutigkeiten für den Sprachunterricht werben", wie die Agentur auf ihrer Website schreibt. "Dabei bedient sich Warda Network einer humorvollen Tonalität und bringt so einen neuen Schwung in Berlitz’ Werbeauftritt." Neben dem Zug-Versprecher hat diese Kampagne weitere Werbebilder. Auf einem anderen beispielsweise ist ein schwitzender Mann in einer Wüste zu sehen. "Ich bin heiß", ist bei ihm in einer Sprechblase zu lesen. Diese Werbung ist für die Schweiz vorgesehen. Tagesspiegel

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