Marine Le Pen – das populäre Gesicht an der Spitze der französischen Rechtsextremen

Am 16. Januar wurde Marine Le Pen zur neuen Vorsitzenden der rechtsextremen Partei „Front National“ gewählt. Sie löst damit ihren Vater, „Front National“-Gründer Jean-Marie Le Pen, ab. Auch inhaltlich steht sie für eine neue Generation in der französischen extremen Rechten.

von Christine Lang

Blond, perfekt gestylt, mit rauchiger Stimme und sympathisch lächelnd – so präsentiert sich Marine Le Pen in der Öffentlichkeit. Mit ihrem telegenen Auftreten ist die 42-jährige ein häufiger Gast in den französischen Medien. Selbst die linke Zeitung „L’Humanité“ druckt Interviews mit ihr.

Ihr mediales Talent konnte die jüngste Tochter von Jean-Marie Le Pen langfristig entwickeln, denn sie wurde schon früh in die politischen Aktivitäten ihres Vaters einbezogen. Le Pen hatte die „Front National“ 1972 gegründet und war seither das Gesicht der Partei. Marine ist seit ihrem 18. Geburtstag in der Partei aktiv. Sie wurde in regionale und kommunale Parlamente in der Region Nord-Pas de Calais gewählt und ist seit 2004 Abgeordnete im europäischen Parlament. In der Partei übernahm die Anwältin 1998 die „juristischen Beratung“ und vertrat in dieser Rolle unter anderem ihren Vater.

Als neues Gesicht der „Front National“ tritt Marine Le Pen vor allem seit den Präsidentschaftswahlen 2002 in Erscheinung, bei denen Jean-Marie Le Pen in der ersten Runde überaschenderweise den zweithöchsten Stimmenanteil vor dem Sozialisten Lionel Jospin erhielt und in die Stichwahl gegen Jacques Chirac einzog. Innerhalb der Partei gehört Marine zu den Vertretern einer Linie der „Entdiabolisierung“ der „Front National“. Sie verzichtet auf die neonazistischen, antisemitischen und offen rassistischen Hetzparolen ihres Vaters und verkörpert eine modernisierte, populistischere Version der extremen Rechten.

Der Kurs: „Entdiaboliserung“

Inhaltlich heißt dies vor allem: Marine Le Pen setzt auf antimuslimischen Rassismus. Für einen Eklat sorgte sie im Dezember, als sie die Straßengebete, die Muslime mangels Platz in den Moscheen unter freiem Himmel abhalten, mit der Besatzung Frankreichs durch die Nazis verglich: „Es gibt zwar keine Panzer und keine Soldaten, aber eine Besatzung ist es trotzdem.“

Untypisch für die „Front National“ präsentiert sie sich dagegen gerne judenfreundlich. 2006 wollte sie sogar im Rahmen einer Delegation des europäischen Parlaments nach Israel reisen. Der Besuch fiel jedoch aus, da Israel sie zur unerwünschten Person erklärte. Auch gegenüber Homosexuellen, einem anderen Feindbild traditioneller „Front National“-Anhänger, gibt sich die zwei Mal geschiedene Mutter von drei Kindern tolerant. Ihre progressiveren Moralvorstellungen zeigen sich außerdem in ihrer Einstellung zur Abtreibung, die sie - ebenfalls zum Ärger des erzkatholischen Teils der Anhängerschaft - nicht deutlich ablehnt. Für den Soziologen Sylvain Crépon, einen Experten der extremen Rechten in Frankreich, versucht Marine Le Pen mit ihrer progressiven Linie eine breite Unterstützung für ihre antimuslimischen Parolen zu schaffen: „Sie gibt vor, die Rechte der Frauen, der Juden und der Homosexuellen gegenüber dem Islam zu verteidigen.“

Die Modernisierung bedeutet jedoch keine Abkehr von klassischer „Front National“-Politik. Insbesondere was die „nationale Priorität“ in sozialen und wirtschaftlichen Fragen angeht, ähnelt die Argumentation der neuen Parteivorsitzenden deutlich der ihres Vaters. Direkt nach ihrer Wahl betonte sie in einem Interview, dass „unsere Sozialhilfe und unsere Sozialpolitik“ ebenso wie der Vorrang auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt „für unsere Landsleute“ reserviert sein müssten. Außerdem stellt sie die klassische immigrationsfeindliche Verbindung zwischen Einwanderung und Arbeitslosenquote der „Franzosen“ her, vertritt eine protektionistische Wirtschaftspolitik und wettert gegen den Euro, den sie als Ursache der Krise Frankreichs bezeichnet.

Wachsende Popularität

Der Misserfolg der „Front National“ bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2007 führte zwischenzeitlich zur Stärkung des Konkurrenten von Marine Le Pen im Kampf um die Nachfolge an der Parteispitze, Bruno Gollnisch. Der 60-jährige ehemalige Universitätsprofessor, der für die klassische neonazistische Strömung in der rechtsextremen Partei steht, leugnet etwa gerne mal den Holocaust.

Zwar ist die Tochter des „Front National“-Gründers auch wegen ihres „mangelnden Antisemitismus“ in der Partei nicht unumstritten, jedoch konnte sie sich vor allem in der Öffentlichkeit gut positionieren. Eine Steilvorlage boten dabei die von Präsident Nicolas Sarkozy in den letzten Jahren lancierten Debatten über innere Sicherheit und die „nationale Identität“. Der Plan Sarkozys, am rechten Rand auf Stimmenfang zu gehen und die „Front National“ zu verdrängen, ging nach hinten los: Es war in erster Linie Marine Le Pen, die sich als wahre Verfechterin einer harten Linie in diesen Themen präsentieren konnte.

In der „Front National“ hat sie sich mit der Wahl zur Vorsitzenden nun durchgesetzt – obwohl ihr Vater als Ehrenpräsident wohl weiterhin eine nicht unwichtige Rolle spielen wird. Vor allem unter jungen Menschen ist Marine Le Pen populär, was der deutliche Mitgliederzuwachs der Jugendorganisation der „Front National“ („Front National de Jeunesse“) im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur für den Parteivorsitz verdeutlicht.

Auch die Strategie der Annäherung an die politische Mitte scheint aufzugehen: Nach einer aktuellen Umfrage der französischen Zeitung „Liberation“ hat ein Fünftel der Franzosen ein positives Bild von Marine Le Pen. Andere Umfragen geben ihr um die 17% der Stimmen für eine mögliche Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2012 – das entspricht dem Ergebnis ihres Vaters im Jahr 2002, das ihn in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen geführt hatte.

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