Rechtsextreme in der Kirche: Kein Ausschluss, sondern "Kirchenzucht"

Am 29. Oktober 2009 veröffentlichte die Synode der Evangelischen Kirche Deutschland eine Erklärung zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland, die rechtsextremen Mitgliedern in den eigenen Reihen erstmals "kirchenrechtliche Konsequenzen" androhte. Was hat diese Beschluss bisher bewirkt?

Interview: Simone Rafael

Die "Erklärung zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland“ hat zum Inhalt, dass die Kirche vermehrt Rassismus und Rechtsextremismus in der Gesellschaft, aber auch in den Gemeinden wahrnimmt und ihre Mitglieder aufruft, dem entgegen zu treten, weil sie die Demokratie für die beste aller Gesellschaftsformen hält. Geeignete Mittel gingen vom Gespräch über Informationsveranstaltungen bis zu „kirchenrechtlichen Konsequenzen"(Wortlaut).

Netz-gegen-Nazis.de wollte vom Pressesprecher der Evangelischen Kirche Deutschland, Reinhard Mawick, wissen, wie geht es den Gemeinden zwei Monate nach Veröffentlichung der Erklärung geht.

Welche Reaktionen haben sich auf die „Erklärung zu rechtsextremen und menschenfeindlichen Einstellungen in Deutschland“ erhalten?

Ich war überrascht, wie viele Reaktionen es gab – und sie haben mich nicht nur gefreut. Hohe Wellen hat besonders die Passage geschlagen, dass auch „kirchenrechtliche Konsequenzen (u.a. im Blick auf Mitgliedsfragen)“ diskutiert werden müssten. Viele haben das so interpretiert, dass es darum ginge, rechtsextreme Gemeindemitglieder aus der Kirche auszuschließen. Das ist aber nicht so – es ist gar nicht möglich, Mitglieder aus der Evangelischen Kirche auszuschließen.

Wie war die Passage dann gemeint?

Es geht vielmehr um das, was mit dem etwas altertümlichen Wort „Kirchenzucht“ gemeint ist. Die Kirche kann Mitglieder von kirchlichen Ämtern oder sogar vom Abendmahl ausschließen. Das wird sehr selten praktiziert, aber das ist möglich. Die Synode hat dies in die Erklärung aufgenommen, um zu unterstreichen, wie wichtig ihr das Thema Rechtsextremismus ist – und als Anti-Unterwanderungs-Versicherung.

Gab es da Versuche? Rechtsextreme geben sich doch in der Regel eher antichristlich?

Tatsächlich gab es einen Fall in Süpplingen bei Helmstedt. Dort saß ein NPD-Mitglied im Kirchenvorstand. Als das bekannt wurde, wurde der Mann aus dem Kirchenvorstand entlassen. Die NPD ist eine rechtsextreme, rassistische und eben auch antichristliche Partei. Wer da drin ist, kann nicht die evangelische Kirche repräsentieren.

Gab es weitere Reaktionen von Kirchenmitgliedern auf den Beschluss?

Es ist erstaunlich, wie viele Menschen ein großes „Gerechtigkeitsbedürfnis“ entdecken, sobald man sich gegen Rechtsextremismus positioniert, und fordern, man solle sich dann doch auch mit Linksextremismus auseinandersetzen.

Was sagen Sie denen?

Der Kampf gegen Rassismus und gesellschaftliche Versöhnungsarbeit sind urkirchliche Themen, die schon lange zur Evangelischen Kirche gehören. Rechtsextreme sähen die Saat des Rassismus in die Gesellschaft. Sie greifen Menschen an. Und sie sind antichristlich und greifen die Kirche an. Es ist wichtig und folgerichtig, dass Christen sich dagegen aktiv positionieren. Es gibt natürlich auch linksextreme Gewalt, die auch nicht gut ist, aber sie wendet sich nicht gegen Menschen und nicht gegen die Kirche und ist damit nicht unsere Priorität.

Zum Thema:

| Was kann eine „Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ bewirken?

| Der nette Nazi von nebenan

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