Historische Spurensuche

Die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (evz) machte das Thema „Bildungsarbeit mit Zeugnissen von Opfern des Nationalsozialismus“ in einer Reihe von mehren Veranstaltungen und Seminaren zum Thema und veranstaltete ein zweitägiges Bildungsseminar zu „Quellen aus NS-Prozessen“.

Von Maike Seyfarth

Anlässlich der Sonderausstellung „Der Prozess – Adolf Eichmann vor Gericht“ der Stiftung Topographie des Terrors, der Stiftung Denkmal für ermordete Juden Europas und der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz veranstaltete die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (evz) im Mai ein zweitägiges Seminar in Berlin. Das Thema, „Quellen aus NS-Prozessen“ war dabei Teil einer Reihe von Veranstaltungen mit dem Schwerpunkt auf Bildungsarbeit mit Zeugnissen von Opfern des Nationalsozialismus.

Hochkarätige Referenten und spannende Workshops

Das zweitägige Seminar mit etwa fünfzig Teilnehmerinnen und Teilnehmern überzeugte nicht nur mit einem spannenden Focus und interessanten Workshops, sondern auch mit renommierten Referenten.

So gab zum Beispiel Dr. Ullrich Baumann, von der „Stiftung für die ermordete Juden Europas“, einen Workshop zu den filmischen Quellen des Eichmann-Prozesses, die auch wichtiger Bestandteil der Ausstellung in der „Topographie des Terrors“ sind.
Außerdem standen Dagi Knellessen, freie Mitarbeiterin der Stiftung evz und Organisatorin des Seminars, und Merle Funkenberg, die im Rahmen ihrer Dissertation zur Zeugenbetreuung bei bundesdeutschen NS-Prozessen geforscht hat, zur Verfügung. So entstand eine spannende Arbeitsgruppe, die versuchte, den Blickwinkel der Opfer-Zeugen zu beleuchten und auch auf den damaligen Zeugenschutz einging.

Den dritten Workshop leitete Dr. Peter Klein, Historiker und wissenschaftlicher Angestellter der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Der Workshop mit dem Titel „Auskunft geben über das eigene Tun“ beschäftigte sich mit dem Prozesstaktiken und juristisch relevanten Reflexionen von Angeklagten anhand von Verhörungsprotokollen, persönlichen Briefen und aufgezeichneten Gesprächen.

Prozesstaktiken im Fokus

Dieser Workshop von Dr. Peter Klein, der in den Räumen der Topographie des Terrors stattfand, wurde zu einer Spurensuche nach kleinen Details in Schriften aus Archiven weltweit.
Die Teilnehmer hatten Gelegenheit, unter anderem einen Brief eines Untersuchungshäftlings an seinen Sohn zu lesen, indem er versucht, seine Kriegstaten zu beschreiben und rechtfertigen. In dem Brief schiebt der Autor die Schuld weg und macht andere Umstände, wie die Geburt seiner Tochter oder den Selbstmord seiner Ehefrau, für seine Taten verantwortlich. Weitere schriftliche Beispiele zeigten die Abwehrhaltung und Unschuldstaktiken von Tätern auf, die mit der Frage nach einem Befehlverweigerungsrecht in Bezug gebracht wurden, welches mit dem Paragraph 47 des Militärstrafgesetzbuches geregelt ist.

Außerdem konnten sich die Teilnehmer mit Verhörprotokollen auseinandersetzen und so auf spezifisch, juristisch wichtige Aspekte aufmerksam gemacht werden. So wird in Verhören oft danach gefragt ob die Opfer bekleidet oder unbekleidet erschossen wurden oder ob Opfer ausgeraubt worden sind. Dadurch können subjektive und objektive Tätermerkmale herauskristallisiert werden und entschieden werden, ob Täter aus Mordlust oder Habgier gehandelt haben oder ob Täter einen hohen Grad an Heimtücke oder Grausamkeit ausgewiesen haben.

Im Workshop wurde auch gelernt und an Mitschriften belegt, dass Täter in Verhören außerdem oft dazu befragt werden, ob Erschießungen vor dem ersten Einsatz geübt wurden, wer Befehle gegeben hat und wer ausführende Kraft der Straftaten gewesen ist. So kann ermittelt werden, ob damals nur Beihilfe zu einer rechtswidrigen Tat geleistet wurde oder tatsächlich eine Tat begangen worden ist.

Ein kritischer Gast

Besonders kritische Fragen kamen während des Seminars von einem Teilnehmer, der die Plattform nutzte, um seine Gegendarstellung der NS-Zeit zu präsentieren, welche der Leugnung des Holocaust nahe kamen. Sein Argument, die Täter wären in Unwissen gewesen und hätten die Tragweite der Dinge nicht überblicken können, wurde von den Workshopleitern und Organisatoren immer souverän argumentativ abgewiesen. Außerdem wurde die Frage gestellt, ob Adolf Eichmanns klares Urteil hätte gefällt werden müssen und ob es nicht auch anderen interpretatorischen Spielraum seiner Ausführungen und Taten gegeben hätte. Gegenüber zum Teil heftigem Entgegentreten der Teilnehmer lösten die Referenten und Experten die Situationen sehr professionell und versuchten eine inhaltliche Richtigstellung der Fakten, die auch durch schriftliche Belege untermauert werden konnten.

Spannende Tage

Dank einer wunderbar laufenden Kooperation der Veranstalter, Stiftung Topographie des Terrors, der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, sowie der Stiftung Erinnern, Verantwortung und Zukunft sind zwei spannende, informative Tage zu Stande gekommen. Jeder konnte seinen Blickwinkel auf die Taten der NS-Zeit erweitern und schärfen. Mit einem interessanten Programm, netten Gesprächen zwischendurch und guten Tips um politische Bildungsarbeit noch einmal anders zu vermitteln, wurden alle Erwartungen erfüllt und übertroffen.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| 50. Jahrestag des Eichmann-Prozesses - ein Nebenkläger erinnert sich

Mehr im Internet:

| www.topographie.de

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