Perfider geht es kaum: Die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz stellt seit 2006 die Daten von Menschen ins Internet, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Anspruch nahmen, um gegen Diskriminierung vorzugehen - um ihnen kriminelle Absichten zu unterstellen. Jetzt wird die Internetpräsenz wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz geschlossen.
Von Nuran Yiğit und Eva Maria Andrades
Klagende Diskriminierungsopfer wurden bisher durch das AGG-Archiv der Kanzlei Gleiss Lutz unter einen Generalverdacht des Missbrauchs gestellt. Durch die Schließung des AGG-Archivs am 15. August 2009 hat die Viktimisierung und Kriminalisierung von AGG-KlägerInnen nun ein Ende.
Das AGG-Archiv wurde durch die Kanzlei Gleiss Lutz nach Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im August 2006 gegründet, um sogenannte „Abkassierer“ zu entlarven. Jede Person, die mindestens zwei Mal Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung an Arbeitgeber gestellt hatte, konnte potentiell ohne ihr Wissen in diesem Archiv erfasst werden. Diese Daten wurden auf Nachfrage an verklagte Arbeitgeber weitergegeben, um sich gegen angeblich missbräuchliche Diskriminierungsklagen zu wehren. Dass eine Person auch mehrmals Diskriminierung aufgrund der im AGG geschützten Merkmale wie ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter und/oder sexuelle Identität erleben kann, spielte dabei keine Rolle. Datenschutzrechtliche Bedenken, die es von Anfang an gegeben hat, wurden ebenfalls ignoriert.
Das Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin (ADNB) des TBB hat in einem Beratungsfall unmittelbar erleben müssen, was ein Eintrag im AGG-Archiv für einen Betroffenen bedeuten kann. Vor Gericht argumentierte die Anwältin der Beklagtenseite, dass es sich beim Kläger „erwiesenermaßen“ um einen AGG-Hopper handle, da er im AGG-Archiv namentlich geführt werde. Wer öfter als zwei Mal klage, könne nur eine Missbrauchsmotivation haben. Eine erhebliche psychische Belastung für den Betroffenen, der zu Recht sein Recht sucht, aber durch den Arbeitgeber viktimisiert wird.
Das ADNB des TBB hatte sich bereits schon im letzten Jahr über das rechtswidrige Archiv bei der zuständigen Behörde für Datenschutz in Baden-Württemberg offiziell beschwert und vehement seine Schließung gefordert. Infolge der Intervention der Aufsichtsbehörde für Datenschutz musste die Kanzlei Gleiss Lutz das AGG-Archiv wegen Datenschutzverstößen nach 3 Jahren schließen.
„Mit dem AGG-Archiv wurden gleichzeitig Ängste geschürt, die schon vor dem Inkrafttreten des AGG präsent waren. AGG-Kritikern zufolge wurden und werden nämlich weiterhin Klagewellen befürchtet, auf die wir immer noch gespannt warten. Auch diente das AGG-Archiv dazu, den Sinn und Zweck des AGG in Frage zu stellen und von Diskriminierung abzulenken.“ so Safter Çınar, Vorstandssprecher des TBB.
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