Ein Outlet für Runen und völkischen Chic

Das rechte Bekleidungslabel „Thor Steinar“ eröffnete am Wochenende einen Outlet-Laden in Berlin-Friedrichshain. Doch die Bevölkerung wehrt sich gegen mehr Neonazis im Kiez und sorgt dafür, dass eine unauffällige Ansiedlung nicht gelingt.

Von Clara Hermann

Am Samstag, den 28. Februar 2009, hat ein „Thor Steinar“-Outlet in Berlin-Friedrichshain eröffnet. Der Laden mit dem Namen „Tromsø“ führt ausschließlich Kleidung der in rechtsextremen Kreisen beliebten Marke. Wer "Thor Steinar" und seine Hintergründe nicht kennt, mag den Laden für ein norwegisches Outdoor-Geschäft halten. Genau das ist Teil der rechtsextremen Normalisierungsstrategie, in diesem Fall durch Mode: ansprechend aussehen, anheimelnd-skandinavisch klingen und ganz nebenbei Nazi-Ideologie und Runen-Symbolik unters Volk bringen. In den Motiven auf den Pullovern, T-Shirts und Jacken finden sich zahlreiche Anspielungen auf Codes und Kennzeichen der rechten Szene – von germanischen Kulten bis hin zu gewaltverherrlichenden Slogans. Anders als ebenfalls von Neonazis getragene Marken wie „Lonsdale“ hat sich die Firma nie von der rechtsextremen Szene und ihrer Ideologie distanziert.

Outlet mit Runenlogo-Kleidung

Der neue Laden wirbt damit, dass in Friedrichshain besonders günstig Kleidung mit dem alten Firmenlogo der Marke „Thor Steinar“ verkauft wird. Dieses Logo ist aus zwei Runen zusammengesetzt, die im Nationalsozialismus unter anderem von der SS verwendet wurden. Deshalb war dieses Logo zeitweise in Berlin und in anderen Bundesländern verboten.

Die Kleidung allein ist schlimm genug, viel schlimmer noch ist die Kundschaft: Leider ist davon auszugehen, dass das Geschäft zu einem weiteren Anziehungspunkt für Rechtsextreme wird, die immer stärker in den bunt-alternativen Kiez einzudringen versuchen. Berlin-Friedrichshain führt seit Jahren die traurige Liste rechtsextremer und rassistischer Übergriffe der Opferberatungsstelle »Reach­out« in Berlin an. Dieser Laden wird zu noch stärkerer rechtsextremer Präsenz im Kiez führen und eine weitere Bedrohung für die Opfer rechter Gewalt darstellen.


Protest gegen den Tromsø-Laden am Wochenende

Laden als Provokation gesucht?

Es hat einen faden Beigeschmack, dass in genau dem Haus während des Nationalsozialismus im Mörderkeller – Keglerheim zahlreiche Antifaschistinnen und Antifaschisten ermordet oder gefoltert wurden. Eine Gedenktafel an der Hauswand erinnert daran. Sie hängt neben dem Eingang zum „Thor Steinar“-Laden. Diese Tatsache macht die Eröffnung des Ladens noch ein Stück abstoßender – die Provokation scheint mit Bedacht gewählt.


Hat auch was gegen das "Thor Steinar"-Outlet: Grünen-Politiker Christian Ströbele

Doch der Kiez wehrt sich. Schon am Eröffnungs-Samstag haben rund 200 Leute gegen das Eindringen der Neonazis protestiert. Zur Kundgebung hatte auch die „Initiative gegen Rechts“ in Friedrichshain aufgerufen. Erst am Vortag war die Eröffnung des Ladens bekannt geworden. Dafür waren einen Tag später morgens nicht nur viele Menschen vor Ort, sondern erfreulicherweise auch ein sehr gemischtes Spektrum von AnwohnerInnen bis zur Antifa.

Anwohner verderben den rechten Einkaufsbummel

Es gelang den Gegendemonstranten und Gegendemonstrantinnen, von der gegenüberliegenden Straßenseite auf die breite Mittelinsel der Petersburger Straße bis auf sehr kurze Distanz an den Laden heranzukommen und den Protest in direkter Rufweite lautstark vorzubringen. Die Polizei musste den Shop mit mehreren großen Fahrzeugen verschließen, so dass zeitweise niemand mehr dort einkaufen konnte. Während der Kundgebung schlossen sich spontan zahlreiche Passanten und Passantinnen dem Protest an oder informierten sich über die Hintergründe des harmlos und modisch anmutenden „Tromsø“-Geschäftes.

Der gelungene Anfang zeigt: Gemeinsam werden Friedrichshainerinnen und Friedrichshainer dafür kämpfen, dass der „Thor Steinar“-Laden aus dem Bezirk verschwindet. Andere Fälle zeigen, dass ein breiter und kreativer Protest gegen solche Shops erfolgreich ist. Erst vor einem Jahr ist ein Laden der Marke „Thor Steinar“ im Berliner Bezirk Mitte eröffnet worden. Auch dort haben sich Anwohnende zusammengeschlossen und sich für die Schließung des Ladens eingesetzt. Es kam zu einer Räumungsklage gegen die Firma, da sich der Vermieter des Ladengeschäftes getäuscht fühlte. Ähnlich entschieden Gerichte über Läden in Leipzig, Magdeburg und Hamburg. Die Rechtsstreite gehen in die nächste Instanz.

Zivilgesellschaft deckt Versteckspiel der Rechtsextremen auf

Die zunehmenden Proteste zeigen, dass die Zivilgesellschaft sich nicht von „Thor Steinar“ hinters Licht führen lässt und die „Normalisierungsstrategie“ der Nazis erkennt. Auch die Friedrichshainer und Friedrichhainerinnen stellen sich jeder Form von rechtsradikalen Gedankengut und seiner Verbreitung entschieden entgegen. Bleibt zu hoffen, dass auch dieser Laden so schnell wieder verschwindet. Platz für rechte Symbolik und für das entsprechende Gedankengut ist nirgendwo.

Clara Herrmann ist Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und lebt im Berliner Bezirk Friedrichshain. Am Samstag hat sie die Kundgebung gegen den „Thor Steinar“-Laden mit organisiert. Sie ist die Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Fraktion Bündnis 90/die Grünen und Mitglied der Initiative gegen Rechts in Friedrichshain.

Zum Thema:

| Thor Steinar

Im Internet:

| www.initiative-gegen-rechts.de

| Broschüre "Investigate Thor Steinar" zum Download

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