Klaus-Jürgen Schäfer im Gerichtssaal.
AAS

Dortmund: Ehemaliger Feuerwehrchef wegen Volksverhetzung zu 14.700 Euro Geldstrafe verurteilt

Klaus Schäfer hatte Einfluss in Dortmund: Über ein Jahrzehnt lang war er Chef der Dortmunder Feuerwehr wie auch des städtischen Instituts für Feuerwehrtechnologie. In dieser Funktion war er auch in die  "Terrorismusabwehr in Großstädten" eingebunden. Zugleich war der hohe, inzwischen pensionierte Beamte zumindest zwölf Jahre lang Mitglied der SPD. Diese wiederum hüllte sich gegenüber der Presse in Schweigen, wenn sie auf ihr langjähriges Mitglied angesprochen wurde: Jegliche Auskunft unterliege dem Datenschutz, ließen die örtlichen Sozialdemokraten wissen. Die Dortmunder SPD stellt seit 1946 den Oberbürgermeister.

 

Von der Belltower.News-Redaktion

 

Immerhin war es die in Dortmund seit Jahrzehnten dominierende örtliche und Landes-SPD, unter deren Herrschaft das Anwachsen eines „Nazikiez Dorstfeld“ erst möglich wurde. Nahezu ohne sicht- und hörbaren demokratischen Gegenprotest dürfen die Dortmunder Neonazis regelmäßig ihre Machtdemonstrationen mit teils Hunderten von Neonazis im Zentrum Dortmunds zelebrieren, wie jüngst noch, Mitte April: 600 Neonazis marschierten weitestgehend unter Ausschluss demokratischen Gegenprotests am Dortmunder „U“ vorbei, wie Belltower.News berichtete.

 

Klaus Schäfer als Demonstrant und Redner auf Neonazikundgebungen

Ab 2009 war Schäfer in Dortmund, aber auch überregional, regelmäßig auf Neonazikundgebungen zu sehen. Teils trat er sogar als deren Redner und Kundgebungsanmelder auf. Bereits 2010 berichtete der WDR über Schäfers äußerst rechtes Engagement. Auf Fotos ist Schäfer auf diesen Kundgebungen gemeinsam mit Rechtsextremen zu sehen.

Die Unterstützung des hohen, ehemaligen Beamten für die Neonazis korrespondiert mit dem rapiden Anwachsen der neonazistischen Szene in Dortmund: Dortmund gilt seit 20 Jahren und bis heute als die Neonazihochburg Westdeutschlands, zumindestens in NRW.

Bereits im November 2009 hatte das Fernsehmagazin Monitor in einem dramatisch anmutenden Beitrag auf die gewalttätige, gezielt die Bevölkerung und ihre Gegner einschüchternde Ruhrgebiets-Neonaziszene hingewiesen: Monitor beschrieb eindrücklich den umfassenden Terror, den eine seit 15 Jahren in Dortmund-Dorstfeld lebende Musiklehrerin und deren Familie erleiden musste. Ihr Haus wurde angegriffen, ihr Auto abgebrannt. Sie zog schließlich, von der Polizei und der Politik im Stich gelassen, aus Dortmund weg, wie auch noch weitere Familien. Dies war zugleich das Scheitern des demokratischen Rechtsstaates vor der organisierten Neonazigewalt. Gebessert hat sich seitdem nichts.

In mehreren weiteren Hintergrund-Filmdokumentationen wurde die über Jahre zu beobachtende Entwicklung der Dortmunder Neonaziszene dokumentiert.

In den letzten fünf Jahren wurden mehrere Dortmund Journalisten und politische Gegner der Neonazis systematisch durch die Partei “Die Rechte” verfolgt und eingeschüchtert. Sie wurden persönlich bedroht, Hakenkreuze wurden auf ihre Wohnungen gesprüht. Höhepunkt waren Anfang 2015 acht fingierte Todesanzeigen vor allem von prominenteren örtlichen Journalisten, die über Neonaziaktivitäten berichtet hatten.

Bereits drei Jahre zuvor, 2012, waren etwa 100 Neonazis zu den Wohnungen von Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD), des damaligen Sozialministers Guntram Schneider (SPD) und der Dortmunder Grünen-Politikerin Daniela Schneckenburger gezogen. Ihre angsteinflössenden Auftritte vor den Privatwohnungen der Politiker verbreiteten sie ungestraft via YouTube.

Den couragierten Dortmunder Filmemacher Marcus Arndt bedrohten sie systematisch, die Polizei vermochte ihn nur selten zu schützen, wie das NDR-Magazin ZAPP im März 2015 dokumentierte.

Die Dortmunder Rechtsextremisten sind ohne die Unterstützung des sich bewusst bürgerlich inszenierenden Schäfer kaum vorstellbar. Er suchte die Nähe zu den Rechten, und diese zu ihm: Im August 2016, nach seiner Pensionierung, besuchte Schäfer eine unter Federführung des Dortmunder Rechtsextremisten Michael Brück organisierte Standkundgebung in Dortmund-Everding.

 

Ein bevorstehender Umsturz in der Bundesrepublik?

In der Gerichtsverhandlung gegen Schäfer wurden auch Postings von Schäfer verhandelt, in denen er zumindest Sympathie für ein gewaltsames Ende der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik andeutet.

Bereits in einem Interview mit dem WDR im Jahre 2010 hatte Schäfer Einblick in sein rechtsradikales Weltbild gegeben: Deutschland brauche keine Wahlen mehr. Ein Umsturz, vergleichbar zu dem in der DDR, sei in der Bundesrepublik nicht auszuschließen.

 

Offene Radikalisierung nach der Pensionierung

Spätestens seit Beginn seiner Pensionierung im Jahr 2015 oder 2016 ließ Schäfer alle Hemmungen fallen: Er meldete sogar persönlich Neonazikundgebungen an und trat dort auch als Redner persönlich auf.

So trat der ehemalige Sozialdemokrat am 4.6.2016 als Redner bei der mit 900 Teilnehmer*innen sehr großen Dortmunder Neonazikundgebung "Tag der Deutschen Zukunft“ (TddZ) auf. In einer Filmdokumentation von Marcus Arndt sieht man, wie Schäfer die Losungen wie „Kriminelle Ausländer – raus“ sowie „Hier marschiert der nationale Widerstand“ offenkundig mitgröhlt.

 

Verurteilung wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung

Aufgrund zahlreicher Postings beim 2016 verbotenen Neonazimagazin Altermedia wurden Verfassungsschutz und BND auf den hohen Beamten Schäfer aufmerksam. Schäfer hatte zahlreiche Postings unter Pseudonym, einige jedoch auch unter seinem Klarnamen veröffentlicht.

In insgesamt drei Verhandlungstagen wurde im Amtsgericht Dortmund über einige dieser Postings verhandelt. Da einige dieser anonymen Postings juristisch nicht eindeutig Schäfer zugeordnet werden konnten, wurden diese im ersten Verhandlungstag erst einmal fallen gelassen. In den folgenden beiden Verhandlungstagen ging es um Postings, die Schäfer unter Klarnamen veröffentlicht hatte. In einem dieser Postings bezog sich Schäfer in sehr wohlwollender Weise auf die wegen Holocaustleugnung in Haft sitzende Ursula Haverbeck, aber auch auf Losungen des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels sowie auf Geflüchtete. Weiterhin machte er sich über den 2005 von einem Neonazi ermordeten Punker „Schmuddel“ lustig und stellte sprachlich Vergleiche mit von der RAF und weiteren terroristischen Gruppierungen in den 1970er und 1980er Jahren Ermordeten an. Zusätzlich griff Schäfer in durchschaubarer Intention den Versuch vieler Holocaustleugner auf, die Shoah auf indirektem Wege zu leugnen, indem er die Zahl der Opfer des organisierten nationalsozialistischen Massenmordes in Abrede stellte: So kritisiert Schäfer, dass in der Öffentlichkeit zu hohe Opferzahlen des Vernichtungslagers Auschwitz diskutiert würden (vgl. hierzu Belltower.News vom 8.6.2018).

Der Richter versuchte mehrfach, ihm eine Brücke zu bauen: Schäfer habe „aber schon an die Grenze geschrieben“ mit seinen verbalen Angriffen. Schäfer schlug dieses Angebot einer „Kompromissbildung“, eines auch nur taktischen Entgegenkommens jedoch aus: Er insistierte und bezeichnete sich vor allem als Wortschöpfer und Satiriker. Angesichts der von ihm fortdauernd gewählten rechtsradikalen und antisemitisch anmutenden Themen und seiner Begrifflichkeiten – so bezeichnete Schäfer Flüchtlinge u.a. als „Flüchtlingspack“, das man „endlich aus unserem Land“ herausschmeissen solle, und zwar „je schneller – desto besser!“ vermochte dies jedoch nicht zu überzeugen.  

 

Das Urteil: 14.700 Euro Strafe

Am 20.6.2018 wurde Klaus-Jürgen Schäfer wegen Volksverhetzung, Verharmlosung und Leugnung des Holocaust zu insgesamt 14.700 Euro Geldstrafe verurteilt. Damit gilt er als vorbestraft, seine Rente als Beamter ist hierdurch nicht berührt.

Die Staatsanwaltschaft, die Schäfer u.a. vorgeworfen hatte, Hass auf Flüchtlinge zu schüren, hatte eine deutlich höhere Strafe – eine Haftstrafe von 14 Monaten – gefordert. Damit hätte Schäfer auch seine Pensionsansprüche verloren.  

Im Anschluss an das Urteil zeigte sich Schäfer weiterhin uneinsichtig und sprach von einem politischen Prozess.

 
drucken