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Die "Junge Alternative" ist beim Berliner CSD unerwünscht

"Ob es wohl bald eine Gedenkstätte für Linkshänder gibt, die im KZ umgekommen sind", wollte David Christoper Eckert unbedingt wissen und postete genau diese Frage mehrmals unter einen Artikel über ein geplantes Denkmal für lesbische Opfer im KZ Ravensbrück. Genau dieser Vorkämpfer für Erinnerungskultur und Sichtbarkeit von Minderheiten will jetzt unbedingt am Berliner CSD teilnehmen, der größten Demonstration von Lesben, Schwulen und Trans* in Europa. Das alles ist ihm und seinen Parteikameraden allerdings erst knapp drei Wochen vor dem eigentlichen Termin eingefallen. Der CSD lehnt ab: Die Planung ist abgeschlossen, aber davon ganz abgesehen, will man die Rechtspopulisten nicht dabei haben.

Von Stefan Lauer

Natürlich ist die Empörung bei Eckert groß: die CSD-Organisator*innen würden einen "großen Anteil unserer Bevölkerung" ausgrenzen, dabei sei doch die AfD die einzige Partei, die sich "klar für Freiheit positioniert." Eckert hatte übrigens auch schon die eher fragwürdige Idee, Arbeitslose als menschliche Plakatwände anzuheuern, um abgerissenen AfD-Plakaten vorzubeugen: "Man hätte Arbeitslosen meinetwegen 8,50 Euro die Stunde zahlen sollen, ihnen ein Plakat umgehängt und die dann an belebten Plätzen herum laufen lassen sollen. Viel effizienter, auffälliger und sinnvoller, da man die nicht einfach abreißen kann."

Empörung und Umfragen mit wenig Aussagekraft

Eckert veröffentlicht auch den Mailverkehr mit den CSD-Organisator*innen. Am 12.07. schickt Eckert seine "Anmeldung" an den CDS e.V. Die abschlägige Antwort bekommt er zwei Tage später. Grund genug für den JA-Vorsitzenden sich wegen der zu langsamen Bearbeitung zu beschweren. Schon hier hat Eckert den wahren Schuldigen ausgemacht: der Islam war's. Überhaupt glaubt Eckert, dass ein "Großteil der schwulen 'Community'" AfD wählt. Das entnimmt er einer nicht-repräsentativen Umfrage  der schwulen Dating-Plattform "PlanetRomeo", bei der vor der Bundestagswahl 12 Prozent der Nutzer angaben, die Partei zu wählen.  Andere Umfragen lieferten sehr andere Ergebnisse. Das kümmert Eckert allerdings wenig. 12 Prozent in einer unwissenschaftlichen Umfrage werden so kurzerhand zum "Großteil".

Der CSD e.V. reagierte dabei ziemlich souverän auf die Anfrage der Rechtspopulisten. Natürlich überrascht es wenig, dass man sich für eine Veranstaltung in der Größe des Berliner CSD, nicht kurzfristig anmelden kann, "deutlich zu spät", wie die Mitarbeiter*innen mitteilen.  Weiter heißt es in der E-Mail: "Beim CSD Berlin und CSD Berlin e. V. stehen wir für ein Klima der Akzeptanz in unserer Gesellschaft und für eine Kultur, die Geflüchtete willkommen heißt. Menschen und Organisationen, die versuchen, ein Klima der Angst und Ausgrenzung zu schaffen, wie es AfD, Bergida und NPD tun, sind beim CSD und beim CSD e. V. nicht willkommen."

Keine Vereinnahmung von rechtsaußen

Schon 2016 hatte das CSD Forum Berlin einen fast wortgleichen Passus ins Vorwort seiner Forderungen aufgenommen und sich damit eindeutig positioniert. In diesem Papier heißt es fast wortgleich:  "Die Teilnehmenden am CSD Berlin stehen für ein Klima der Akzeptanz in unserer Gesellschaft – für eine Kultur, die Geflüchtete willkommen heißt. Menschen und Organisationen, die versuchen, ein Klima der Angst und Ausgrenzung zu schaffen, wie es AfD, BERGIDA und NPD tun, sind beim CSD nicht willkommen."

Der Vorgang zeigt, wie wichtig es ist, dass sich Institutionen auf den Umgang mit den Rechtspopulisten vorbereiten. Nur so kann es gelingen, eine schlüssige und konsequente Absage an die Vereinnahmung von rechts zu erteilen. Ähnlich positionieren sich auch andere CSD-Vereine. Wie das Magazin "Mannschaft" berichtet, hat auch der Leipziger CSD im Frühjahr beschlossen, Anhänger der AfD vom CSD auszuschließen. Ein Zeichen, "gerade in Sachsen, wo rechtspopulistische Gruppierungen und Parteien auf dem Vormarsch sind." In Hamburg und Frankfurt gibt es noch keine dieser Unvereinbarkeitserklärungen. In Frankfurt stehe man "bisher auf dem Standpunkt, jede Partei, zumal eine, die im Frankfurter Stadtparlament sitzt, auch Stellung beziehen zu lassen – so sie das will". Gleichzeitig geht der Sprecher allerdings nicht von einem Interesse der AfD aus, an der Demonstration teilzunehmen. Der Hamburger CSD positionierte sich gegenüber "Mannschaft" ebenfalls eindeutig: "Rechtes Gedankengut und entsprechende Organisationen haben auf dem Hamburg Pride selbstverständlich keinen Platz." Eine ausformulierte Erklärung gäbe es noch nicht, allerdings würde man die Leipziger Variante diskutieren.

Seine E-Mail an den CSD schließt Eckert mit den Worten: "Mit Ihrem Verhalten beschädigen Sie den Grundgedanken des CSD." Ein Satz der etwas stutzig macht. Die LGBT*Q-Demo hat ihren Ursprung in den Stonewall Riots in New York, 1969. Lesben, Schwule und vor allem Trans* widersetzten sich damals einer von vielen homofeindlichen Razzien der Polizei. Über mehrere Nächte hinweg gab es Unruhen. Danach gründeten sich Gruppen wie die "Gay Liberation Front", um Toleranz und Respekt einzufordern. In den siebziger Jahren schwappte die Bewegung auch noch Deutschland über. Von Beginn an ging es um Sichtbarkeit, Akzeptanz und gleiche Rechte für LGBT*Q.

Das wiederum sind keine Werte, die sich die AfD auf die Fahnen schreibt: "Nicht jeder Schwule trägt Lack und Leder, wedelt mit einer Handtasche und lackiert sich die Nägel", so Eckert mit leicht angewidertem Gesichtsausdruck im Video.  Im Übrigen sei die Junge Alternative Berlin ohnehin der "Überzeugung, dass wir mittlerweile Gleichberechtigung haben, zwischen heterosexuellen und homosexuellen Paaren." Eine "Überstrapazierung" lehne die Gruppierung ab, so Eckert. Wir fassen also zusammen: Die AfD will nur "männliche" Schwule repräsentieren – Lesben erwähnt Eckert übrigens nur in einem Satz und bezeichnet sie kurzerhand als Teil der "schwulen Community". Es gibt nichts mehr zu erkämpfen. Gleichberechtigung ist erreicht. Mehr zu fordern ist "Überstrapazierung". Was genau mit der Teilnahme an einer Demonstration bezweckt werden soll, die ziemlich genau für eine gegenteilige Meinung steht, erschließt sich leider nicht. Man könnte fast auf den Gedanken kommen, es ginge der JA und Eckert nur um Provokation. Immerhin hat die Absage Eckert und seinen Kameraden Publicity gebracht und damit auch noch die Möglichkeit, sich selbst als Opfer darzustellen. Eine Strategie, die die AfD immer wieder gerne benutzt.

Aber was tut die AfD, die so gerne auf dem CSD dabei wäre eigentlich so für LGBT*Q-Menschen? Wenig überraschend eher nichts "dafür" sondern meist dagegen. Eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

 

 

Diese Liste geht bis in den März 2018, also gerade mal fünf Monate zurück. Alleine an diesen Vorfällen lässt sich ablesen, dass die AfD keinesfalls die Interessen von LGBT*Q-Menschen  vertritt. Auch in Eckerts Videobotschaft wird deutlich: Homo- und Trans*rechte sind für die Rechtspopulisten nur ein Feigenblatt, mit dem sie die übliche Politik rassistischer Ausgrenzung betreiben können. Am Ende ist es nämlich auch hier wieder der Islam und Geflüchtete, die an allem Schuld sind.

Der Berliner CSD e.V. hat sich konsequent und klar gegen diese Masche gewehrt.

 
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