Überraschend hob die Kanzlerin in dieser Woche den Fraktionszwang in der Debatte um die Ehe für alle auf. Bereits am Freitag könnte der Bundestag die gleichgeschlechtliche Ehe gesetzlich verankern. Die Reaktionen aus dem rechten Spektrum: Homo-Hasser sind in Weltuntergangsstimmung, einige Populisten schaffen es eine Brücke zum Islam zu schlagen und Petry begrüßt neue Wähler.
Von Kira Ayyadi
Auf einer Veranstaltung der Zeitschrift “Brigitte” am Montag, den 26. Juni 2017, antwortete Angela Merkel auf eine Publikumsfrage zur Debatte um die Eheöffnung überraschend, sie wünsche sich eine Diskussion die “eher in Richtung Gewissensentscheidung geht”. Sie deutet damit an, dass Unions-Abgeordnete im Bundestag zur Frage der Ehe für alle ohne Koalitionszwang, also nach ihrem Gewissen, abstimmen könnten.
Im Zuge dieser Äußerung überschlugen sich die Ereignisse: Die SPD gab am Dienstag bekannt, die Öffnung der Ehe noch in dieser Woche im Bundestag beschließen zu lassen. Eine Mehrheit für diesen Beschluss ist sehr wahrscheinlich.
“Demo für Alle”
SPD und Opposition im Bund jubeln. Kritische Stimmen kommen hingegen aus den Reihen der Union, der AfD und natürlich von den Homo-Hassern, allen voran, die Moral-Paniker des Protestbündnisses “Demo für Alle”.
Fans der “Demo für Alle”, müssten angesichts der aktuellen Ereignisse entsetzt sein. Das Protestbündnis hat es sich zur Aufgabe gemacht, gegen die angebliche Frühsexualisierung von Kindern auf die Straße zu gehen. Als einzige mögliche Art zu leben propageren sie ein traditionelles Familienbild - selbstredend, dass sie angesichts Merkels Äußerung nun wohl die Apokalypse kommen sehen.
Karikatur der “Jungen Freiheit”
Auf ihrer Facebook-Präsenz verlinken die Demo-Verantwortlichen auf eine Karikatur der “Jungen Freiheit” (ursprünglich vom 12. Juni 2015). Die Illustration impliziert, dass die Ehe für alle zur muslimischen Vielehe und zur Heirat von Kindern mit ihren Kuscheltieren führen würde. Diese Karikatur wird seither von Gegnern der Eheöffnung verbreitet.
(Quelle: Screenshot Facebook)
Unter #EhebleibtEhe verlinkt die homophobe und antifeministische Seite auf eine Petition von 2015, die direkt an Angela Merkel gerichtet ist und die binnen weniger Stunden tausende Personen unterzeichnet haben. In der Petition wird die These aufgestellt, dass die traditionelle Ehe eine vorstaatliche Institution sei.
“Das natürliche Recht des Kindes auf Vater und Mutter würde damit (mit der Öffnung der Ehe) abgeschafft. Dazu jedoch hat niemand, keine Lobbygruppe, keine Regierung und kein Parlament das Recht!”
Hedwig von Beverfoerde meldet sich zu Wort
Auch das ehemalige CDU-Mitglied Hedwig von Beverfoerde,Koordinatorin der “Demo für Alle”, ließ es sich nicht nehmen, ihre ehemalige Partei mit einem Share-Pic zu diffamieren.
(Quelle: Screenshot Facebook)
Auch sie darf nicht fehlen: Erika Steinbach
Erika Steinbach ließ sich nicht lange bitten und gab der “Jungen Freiheit” noch am Dienstag, den 27. Juni, bereitwillig ein Statement. Das ehemalige CDU-Mitglied und langjährige Bundestagsabgeordnete gibt sich in dem Text “Steinbach: Merkel opfert Grundsatzposition der CDU” “überrascht und entsetzt”. Auf Facebook schreibt die Profi-Hetzerin:
“die Kanzlerin hat das Vertrauen gegenüber ihrer eigenen Partei und eigener Fraktion selbstherrlich gebrochen [drei Mal: Daumen runter]"
(Quelle: Screenshot Facebook)
Steinbach spielt gerne mit provokanten Äußerungen. So beispielsweise am 19. Juni 2017, als sie die Eheöffnung mit mit Pädophilen-Interessen in Verbindung brachte.
(Quelle: Screenshot Facebook)
Beatrix von Storch provoziert mal wieder
Und natürlich lässt sich auch die AfD die Chance zur Stimmungsmache nicht entgehen. Maus-gerutscht-Lady Beatrix von Storch gibt sich empört aber wenig überrascht. Im selben Interview der “Junge Freiheit” wird sie folgendermaßen zitiert:
“Es ist erstaunlich, wie schicksalsergeben die Abgeordneten der CDU und langjährige CDU-Wähler Merkels linke Politik in Nibelungentreue mittragen.”
Am Mittwoch veröffentlichte Beatrix von Storch einen offenen Brief an Kardinal Marx, indem sie ihn dazu auffordert, “jetzt ein klares Zeichen zum Schutz von Ehe und Familie und eine klare rote Linie zwischen katholischer Lehre und CDU und CSU” zu ziehen.
(Quelle: Screenshot Facebook)
Petry begrüßt konservative Wähler: “Herzlich willkommen”
Parteichefin Frauke Petry versicherte den konservativen Wählern via Facebook “mit der AfD gibt es sehr wohl noch eine Partei, die die Werte traditioneller Familien und damit der Ehe hochhält”.
(Quelle: Screenshot Facebook)
Alice Weidel verbindet die Ehe für alle mit Islam-Hetze
Bemerkenswert: Alice Weidel, die - es muss hier einfach noch mal betont werden - lesbische Spitzenkandidatin, die mit einer Frau verpartnert, Kinder großzieht, schafft es, einen Zusammenhang zwischen Eheöffnung und angeblicher “Islamisierung des Abendlandes” herzustellen.
“Wenn die politische Elite nicht endlich begreift, welcher Gefahr sie unsere Gesellschaft mit ihrer Einwanderungspolitik aussetzt, kippt Deutschland endgültig. Über die ‘Ehe für alle‘ zu debattieren, während Millionen von Muslimen illegal ins Land einwandern, ist ein Witz. Erdogans Islamstaat verdeutlicht, was uns in Zukunft bevorsteht.“
(Quelle: Screenshot Facebook)
Bundesverband der Christen in der AfD
Der Bundesverband der Christen in der AfD, behauptet via Facebook, die Ehe für alle habe nichts mit dem christlichen Verständnis von Ehe gemein.
“Sie ist ein Kampfinstrument gegen die Christen und die bürgerliche Mitte in unserm Land. Das Signal, das Frau Merkel ausgesandt hat, ist eindeutig.”
(Quelle: Screenshot Facebook)
Natürlich hat es sich auch David Berger nicht nehmen, das Thema der Eheöffnung auf seinem Blog “Philosophia Perennis” aufzugreifen - allerdings nicht persönlich. Unter anderem findet sich hier ein Gastbeitrag des Theologen Michael van Laack. Er beschreibt in dem Text “Merkel und die Homo-Ehe: Die Gewissensfreiheit des (Christen-)Menschen”,vom 27. Juni, die Ehe zwischen Mann und Frau als unzerstörbares Bündnis.
“Nichtchristen und andere wollen dies eben auch auf gleichgeschlechtliche Paare angewendet wissen und haben gar schon eine Ehe zu dritt im Kopf. Überspitzt formuliert: Das Endziel sind drei Lesben mit dem Vornamen Claudia, die sich mit ihrem Schäferhund trauen.”
Nachdem er einen Zusammenhang zwischen dem Untergang Roms und der Öffnung der Ehe herbei lamentiert, schreibt er:
“Die Ehe für alle ist Gift für den Fortbestand jeder Gesellschaft; jegliches ‘Minderheiten auf Augenhöhe stellen’ ist der Tod der Majoritäten.”
“PI News” sieht Sodom und Gomorrha gekommen
In dem unverdächtig klingenden Text “Merkel ebnet Weg für ‘Homo-Ehe’” vom 28. Juni, auf “PI News” schreibt der Autor “L.S. Gabriel”, dass Rot-Rot-Grün noch diese Woche dafür sorgen werde, “dass Deutschland noch bunter und die sich ohnehin seit Jahren widerlich in Szene setzende Homolobby weiter gestärkt wird”.
Wie sollte es auch anders sein, wird auch auf “PI News” wieder der Bogen zur angeblichen “Islamisierung” geschlagen, schließlich werden die deutschen Christen dem “hereingebetenen Islam als Schlachtvieh” übergeben. Empört darüber, dass dies wohl noch nicht die Spitze des Eisberges ist, schreibt der Autor:
“Sie [die CDU] ermöglicht es dem bunten unchristlichen, sich einem neuen Sodom und Gomorrha verschreibenden Teil dieser Gesellschaft auch noch, auf dem Gräberfeld unserer Werte und Traditionen einen Veitstanz aufzuführen.”
Wir werden sehen, in welche tiefen Abgründe uns die Eheöffnung führen wird. Vielleicht bedeutet es auch einfach nur, dass zwei sich liebende Menschen gleichen Geschlechts, endlich gesetzlich gleichgestellt zu heterosexuellen Paaren sind.