Wäre ein Wahlsieg Marine Le Pens auch ein Sieg für den Feminismus?
Pauletto Francois/ABACA

Der rechtsextreme “Feminismus” nach Marine Le Pen

Marine Le Pen nutzt zutiefst rassistische Argumente, um angeblich feministische Ideale zu verteidigen. Am Sonntag könnte sie zur ersten weiblichen Präsidentin Frankreichs gewählt werden. Wäre ein Erfolg der Rechtspopulistin auch ein Sieg für den Feminismus?

 

Von Kira Ayyadi

 

Blond, perfekt gestylt, mit rauchiger Stimme und sympathisch lächelnd – so präsentiert sich Marine Le Pen in der Öffentlichkeit. Sie ist eine Kämpferin in einer Männerwelt, sie hat ihren Vater von der Parteispitze verdrängt und könnte am Sonntag, dem 7. Mai 2017, zur ersten französischen Präsidentin gewählt werden. Wäre ihr Sieg nicht ein Grund zum Feiern für den Feminismus?

 

Inkompetente Frauen in Machtpositionen

 

Eine unter Feminist_innen weit verbreitete Ansicht besagt, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter erst erreicht sei, wenn auch inkompetente Frauen in Machtposition gelangen. Ist Le Pens Kandidatur als Präsidentin insofern ein Beweis, wie weit die Gleichberechtigung fortgeschritten ist? Stimmt man dieser Aussage zu, könnte man dann einen Sieg Le Pens als Sieg des Feminismus bezeichnen? Zunächst: Marine Le Pen hat  ihre Position aufgrund von Privilegien bekommen. Als Tochter des Parteigründers wird sie es in vielen Belangen einfacher gehabt haben, als andere Frauen im Front National.

 

“Entdiabolisierung” unter Marine Le Pen

 

Marine ist bereits seit ihrem 18. Geburtstag im Front National aktiv. Unter der Leitung ihres offen antisemitischen Vater, Jean-Marie Le Pen, konnte der Front National kaum Frauen anziehen. Er galt der weiblichen Wählerschaft als zu aggressiv und zu sexistisch. Marine Le Pen inszenierte sich hingegen von Anfang an als moderne Französin. Ohne inhaltlich den Kurs zu ändern, versucht sie, auf die neonazistischen, antisemitischen und offen rassistischen Hetzparolen ihres Vaters zu verzichten und verkörpert damit eine moderne Version der extremen Rechten. Unter ihrer Führung wird der Front National als weniger rechtsextrem wahrgenommen.

 

Der Zorn der weißen Europäerin

 

Seit Marine Le Pen den Vorsitz ihres Vaters übernommen hat, ist der Front National daher auch für Frauen attraktiver geworden. Und Marine begreift die strategische Bedeutung einer weiblichen Wählerschaft. Bereits im Jahr 2012 war der Stimmenanteil bei den Wählerinnen mit 17,5 Prozent beinahe so hoch wie bei den Männern mit 19 Prozent.

 

Die Themen der extremen Rechten sprechen Frauen in ganz Europa an. Das legen Studien der Universität Bielefeld nahe, die auf Befragungen von Tausenden Menschen aus mehreren europäischen Staaten basieren, wie die “Zeit” berichtet. Demnach stimmen Frauen rechtspopulistischen Aussagen sogar häufiger zu als Männer, sind tendenziell islamfeindlicher und sexistischer. Das passt zur jüngsten Präsidentenwahl in Amerika. Dort stimmten über 50 Prozent der weißen Wählerinnen für Donald Trump, trotz dessen Frauenverachtung.

 

Weiblichkeit ist nicht gleich Feminismus

 

Aber wie steht es nun mit dem vermeintlichen Feminismus von Marine Le Pen? Sie selbst verkauft sich gern als “Feministin”, doch  Weiblichkeit ist nicht nicht per se feministisch und  eine Frau an der Spitze bedeutet  nicht gleich, dass sie sich automatisch für die Belange der Frauen einsetzt.

 

Marine le Pen zitiert, wenn es ihr passt, Simone de Beauvoire, weigert sich bei einem Besuch im Libanon,ihr Haupt zu verhüllen oder verurteilt die Gewalttaten in der Kölner Silvesternacht. Doch mit welcher Intention?

 

Le Pens „Feminismus“ dient der Islamkritik

 

Durchaus gibt es auch in Frankreich gesellschaftliche Probleme, die mit den Lebensweisen und -bedingungen von Frauen zu tun haben. Marine Le Pen spricht diese Probleme an. Allerdings gibt sie darauf sehr einseitige und falsche Antworten.

 

Le Pen nutzt vermeintlich feministischen Statements lediglich, um gegen eine scheinbar außer Kontrolle geratene Einwanderungspolitik zu hetzen. Sie bedient sich des Feminismus, um ihren potentiellen Wähler_innen aufzuzeigen, dass muslimisch geprägte Kulturen deutlich rückständiger seien und es daher beispielsweise zu Gewalt gegen Frauen komme. Frauenfeindlichkeit und Sexismus gibt es in Frankreich unter Vertretern aller Gemeinschaften und Religionen. Das unterschlägt Le Penn völlig, ganz nach dem Motto der Rechtspopulisten: Einfache und plumpe Antworten auf komplexe Gesellschaftsfragen.

 

Reiner verbal Feminismus

 

Frauenrechte sind Le Pen nur dann erwähnenswert, wenn es darum geht, die Unterdrückung von Frauen im Islam anzuprangern. Es geht ihr schlicht um Wähler_innen-Stimmen. Das zeigt sich auch während ihrer Zeit im EU-Parlament. Seit 2004, während ihrer Amtszeit in Brüssel, hat sie vier von 43 frauenfeindlichen Bestimmungen unterstützt, 17 mal war sie dagegen und in den restlichen Fällen war sie entweder abwesend oder enthielt sich ihrer Stimme.

Auch beim Blick in das Wahlprogramm des Front National wird schnell klar, dass der Feminismus auch hier keine Rolle spielt. Lediglich drei Zeilen in 144 Kapiteln widmen sich explizit den Frauenrechten. Stattdessen finden sich im Wahlprogramm Positionen gegen Abtreibungen. Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen verspricht, a la Trump, gar die Subventionen für Einrichtungen, die Abtreibungen anbieten, zu streichen.

Es geht im Feminismus auch immer um eine pluralistische Gesellschaft

 

Es lässt sich natürlich darüber diskutieren, ob es nicht auch einen konservativen Feminismus geben kann. Doch diese Debatte ist eine andere, denn auch der würde sich für Frauenrechte einsetzen. Marine Le Pens Ansichten sind nicht nur konservativ, sie sind rechtsextrem. Sie instrumentalisiert vermeintlichen Feminismus nur, um gegen Muslime zu agitieren.

 

Feminismus bedeutet nicht, sich für die Rechte einer Gruppe von Frauen einzusetzen, sondern für alle Frauen. Es geht nicht  nur um die weibliche Autonomie, sondern auch immer um eine pluralistische Gesellschaft. Eben dies unterschlägt Marine Le Pens vermeintlicher Feminismus.
 

-- Am 25. Mai 2018 tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSVGO) in Kraft. Die Rechtslage für Fotos ist unklar. Bis sich daran etwas ändert, machen wir Personen, die auf Fotos zu sehen sind, unkenntlich. --

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