Der moderne Rechtsextremismus der "Spreelichter" - EXIT stellt Lageanalyse vor

Modernes Neonazitum hat verschiedene Gesichter - eine internetaffine Ausprägung ist die Gruppe "Spreelichter", die ihre Hetze hochprofessionell im Web verbreitet. Doch im Spreewald sind sie nicht, die einzigen, die aktiv sind, wie ein neuer Lagebericht von EXIT-Deutschland belegt.

Von Dierk Borstel (Universität Bielefeld)

Die „Spreelichter“ sind eine der interessantesten Gruppen eines neuen rechtsextremen Typs. In ihnen verbindet sich die klassische Idee des Nationalsozialismus mit den kulturellen und technischen Mitteln und Methoden der Moderne. Sie ähneln damit den „Autonomen Nationalisten“, wirken jedoch organisatorisch und ideologisch ausgereifter. Wo die NPD noch mühsam um jeden Demonstrationsteilnehmer kämpft, setzen die „Spreelichter“ schon auf Flashmobs, Abenteuer und gut organisierte, aber verdeckte und öffentlichkeitswirksame Aktionen. Eine eigens entwickelte Kampagne mit Identity und passender Aussage zum vermeintlichen „Volkstod“ prägen ihr Handeln. Ihre Homepage entspricht dem neuesten Stand der Technik. Professionelle Videos, Wochen-Jingles, Tondateien, Aufkleber und Musikkooperationen lassen so manche Demokratieinitiative alt und müde wirken. Ein neuer Prototyp rechtsextremer Organisation könnte geboren sein. Doch wirkt diese Initiative eigentliche im sozialen Raum?

Dieser Frage geht EXIT-Deutschland in ihrem neuen Lagebericht zum Kreis „Dahme-Spreewald“ nach. Mittels Internetrecherchen, Interviews, Gesprächen und vor allem auch Ortsbegehungen identifizieren die Autoren rechtsextreme Schwerpunkträume und –organisationen in diesem südlich von Berlin gelegenen, brandenburgischen Landkreis.

NPD und JN

Das Ergebnis ist ein Panoramablick auf den aktuellen Rechtsextremismus. Die Parteien und ihre Jugendorganisationen wie die NPD und die JN präsentieren sich der Öffentlichkeit noch als aktive Akteure, klagen aber intern über den Widerspruch zwischen den lauten Worten und den wenigen Taten. Ihr Stern ist unverkennbar im Sinken begriffen.

"Freie Kräfte"

Stabiler zeigen sich die alten Kameradschaftsformationen und „Freien Kräfte“ in der Region. Ihr Handeln ist nicht immer kontinuierlich und oft stark personenabhängig. Dennoch entwickeln sie zahlreiche Propagandaaktivitäten, organisieren Veranstaltungen und versuchen sich auch in der unmittelbaren Jugendrekrutierung. Aus ihren Umkreisen entstehen auch immer wieder Gewalt- und Straftaten. Ihre Wirkungschancen sind dabei unmittelbar abhängig von Umfeldfaktoren. Wird ihr Handeln geduldet, breiten sie sich aus. Es drohen Angstzonen oder Räume mit hoher Akzeptanz rechtsextremer Ideologie. Erschreckend sind dazu auch wieder zahlreiche Aussagen in der vorliegenden Lageanalyse, in denen der hohe Normalitätsgehalt rechtsextremer Ideologie schon bei jungen Schülern und Kindern deutlich herausgearbeitet wird.

"Spreelichter"

Tatsächlich innovativ sind die oben schon genannten „Spreelichter“. Die Vorteile dieses Organisationstyps für die Szene sind offensichtlich. Sie bieten Abenteuergefühle und arbeiten durch ihren abgeschotteten Charakter verhältnismäßig repressionsresistent. Sie begeben sich gar nicht erst auf den Weg eines Ausgleichs mit dem verhassten demokratischen System und seinen Vertretern, sondern bekämpfen ihn aus dem Dunkeln der Verborgenheit mit modernsten Kommunikationsmitteln. Das wirkt szeneintern authentisch und ehrlich revolutionär. Besonders für internetaffine Rechtsextremisten dürfte auch die Verbindung aus virtuellem und tatsächlichem Kampf interessant sein. Beides verbindet sich in der Gruppe, die bereits erste Nachahmer z.B. in den „Elblichtern“ aus Magdeburg gefunden hat.

Dieser neue Typ ist jedoch auch sehr voraussetzungsvoll. Nötig sind eine moderne technische Ausstattung und vor allem auch eine hohe Organisationskraft mit straffer Führung und ideologischer Reife. Daran fehlt es vielen rechtsextremen Organisationen erkennbar.

Die vorgelegte Lageanalyse dient den Autoren zur Ausarbeitung regionaler Strategien der demokratischen Auseinandersetzung mit dem örtlichen Rechtsextremismus. Sie ist dabei allgemein verständlich geschrieben und dennoch inhaltlich anspruchsvoll. An zahlreichen Stellen wird auf mögliche Handlungsansätze verwiesen und zeigt wieder einmal: Lokales Handeln braucht auch konkretes lokales Wissen. Wer sich ernsthaft mit dem Rechtsextremismus vor Ort auseinandersetzen will, muss auch den Mut haben, zunächst die eigene Lage ehrlich und differenziert darzulegen. Wie eine solche Beschreibung aussehen kann, zeigt diese Analyse eindrücklich.

Die Studie kann direkt über EXIT-Deutschland bezogen werden: info@exit-deutschland.de

Mehr im Internet:

| www.exit-deutschland.de

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