Colditz: Kurzbericht aus der Angstzone

Nachdem ein für den 22. August geplantes antirassistisches Fußballturnier von der Stadt Colditz de facto verhindert wurde, fand stattdessen am 22.8. eine Kundgebung auf dem städtischen Markt statt. Die permanente Präsenz und Angriffslust der lokalen Nazis verschaffte einen Eindruck des krassen Alltags in der sächsischen Kleinstadt.

Von Luna

Ein für den 22.8. in der sächsischen Kleinstadt Colditz, Landkreis Leipzig, geplantes antirassistisches Fußballturnier konnte aufgrund der Feigheit und politischen Indifferenz von Sportverein und Bürgermeister nicht stattfinden. Die sicherlich berechtigte Angst des Colditzer Fußballvereines vor „Racheaktionen“ der Nazis führte dazu, dass dem Initiator des Turniers, dem „Freiräume Muldental e.V.", krasse Bedingungen gestellt wurden: der Verein sollte für jegliche Sachbeschädigung auf dem Sportplatz zwei Wochen vor und zwei Wochen nach dem 22. August 2009 haften. Ein Vermittlungsgespräch, bei dem die Stadt hätte die Verantwortung für das Turnier übernehmen können, scheiterte. Der Verein musste das Turnier wegen der unzumutbaren Bedingungen absagen.

Gemeinsam mit der Kampagne „Meine Stimme gegen Nazis“, die das Turnier als festen Termin in ihrem Tourplan hatte, wurde nach erfolglosen Interventionsversuchen für denselben Tag eine Kundgebung auf dem Colditzer Markt angemeldet. Im Kooperationsgespräch geforderte, absurde Auflagen (vor allem vom Colditzer Ordnungsamt selbst vorgebracht) wurden von Landratsamt des Landkreises Leipzig in einem Auflagenbescheid zurückgenommen. Ganz so wenig Polizei wie angekündigt (Personalmangel) war dann am heutigen Samstag nicht vor Ort.

Bereits beim Aufbau von Infoständen und Musikanlage fuhren mit Nazis besetzte Autos am Kundgebungsort auf und ab. „Good night left side“ und „Todesstrafe für Kinderschänder“ scheinen zum Standard-Kleidungs- und Auto-Aufdruck-Repertoire der jüngeren ColditzerInnen zu gehören. Weil der von der Stadt Colditz zugesagte und durch die Veranstalter bezahlte Stromversorgung doch nicht funktionierte, verzögerte sich der Beginn der Kundgebung. Als es 16 Uhr dann schließlich beginnen sollte, kamen an die 20 stadtbekannte Nazis auf den Markt, allesamt mit Thor-Steinar-Klamotten, dicken Oberarmen und Bier ausgestattet – Klientel, mit dem nicht zu spaßen ist.

Während die antifaschistische Kundgebung nichts desto trotz startete, versuchten die Veranstalter die Polizei dazu zu bewegen, die offenkundigen Gegner der Veranstaltung vom Platz zu verweisen. „Solange nichts passiert, werden wir nichts machen“, so die lapidare Antwort der Beamten.

Über zwei Stunden liefen trotz der permanenten Präsenz der Nazis Redebeiträge und Live-Musik mit der Skate-Punkband „HeMaTom“ (Colditz). Unter den ca. 50 BesucherInnen.fanden sich wenige ColditzerInnen. Kurz vor Ende hatten sich die pöbelnden, ungebetenen Gäste dann schließlich so viel Mut angetrunken, dass sie sich einzeln der Kundgebung näherten. Ein Protagonist ging sogar in die Menschenmenge hinein und forderte von einem Antifaschisten die direkte Auseinandersetzung. Nur das Einschreiten der Polizei konnte die Eskalation seinerseits sowie den Angriff weiterer Nazi-„Sportler“ verhindern.

Gemeinsam verließen die KundgebungsteilnehmerInnen gegen 18 Uhr schließlich den Ort des Geschehens und begleiteten die wenigen beteiligten ColditzerInnen bis zu einem anderen Platz. Die Nazis folgten. Unter Polizeischutz wurden die Auswärtigen sodann aus der Stadt geleitet.

Colditz war krass. Was viele als „Angstzone“ aus Erzählungen und Texten kennen, ist hier Realität. Im Februar 2008 überfielen die mit der inzwischen verbotenen Kameradschaft „Sturm 34“ vernetzten lokalen Nazis beispielsweise einen Dönerladen, eine Turnhalle und ein Elektrogeschäft , dabei wurden Scheiben eingeschmissen, Molotowcoktails geworfen, eine Nebelgranate und eine Bombe, in der sich Farbe oder ähnliche Chemikalien befanden gezündet. Der Inhaber des Elektroladens hatte vorher eine Turnhalle für alternative Konzerte zur Verfügung gestellt. Im Mai erst wurden die Vereinsräume des „Freiräume Muldental e.V.“ verwüstet.

Verhältnismäßig wenige Nazis, dafür aber gut vernetzte und gewaltbereit, dominieren in Colditz Straße und Stadtklima. Angst und Ignoranz der Mehrheitsbevölkerung bieten ihnen den Background zum ungestörten Agieren. Denen, die sich klar antifaschistisch positionieren oder auf niedrigerem Level für ein angstfreies, von Toleranz geprägtes Klima einstehen werden dagegen Steine in den Weg gelegt. Der Bürgermeister der Stadt trägt hierfür ganz klar Verantwortung.
Den wenigen, mutigen Menschen in Colditz, die sich der durch Nazis ausgeübte Kontrolle und Dominanz des öffentlichen Lebens widersetzen, ist viel Kraft und Durchhaltevermögen zu wünschen.

Dieser Text erschien zuerst unter "Creative Common Lizenz" auf Indymedia.

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