Braune Jungs beim Heidelauf

Beim "Heidelauf" im niedersächsischen Schneverdingen versuchen Rechtsextremisten seit Jahren mitzumischen - offen, verdeckt und mit Tricks. Nach dem letzten Volkslauf im Sommer 2007 haben die Veranstalter nun Konsequenzen gezogen.

Von Pamo Roth

Die Tätowierungen waren eindeutig, mit denen die Aktivisten der Kameradschaft "Snevern Jungs“ im Sommer 2007 zum "Heidelauf“ in Schneverdingen antreten wollten. Zum Beispiel mit der antisemitischen Abkürzung "AJAB“ - "All Jews are Bastards“ - und dem Schriftzug des verbotenen neonazistischen Netzwerks "Blood and Honour“. Zunächst hatten sich die rechtsextremen Läufer unter ihrem Kameradschaftsnamen "Snevern Jungs“ beim Internationalen Volkslauf zum Heideblütenfest angemeldet. Das hatte im Vorjahr schließlich auch niemanden gestört.

Doch im Sommer 2007 untersagten die Veranstalter das offen neonazistische Auftreten. Hans-Jürgen Thömen, Vereinsvorsitzender des TV Jahn und Hauptverantwortlicher für den Lauf bestand darauf, dass Kameradschaftsanführer Matthias Behrens und Anhang ihre Tätowierungen abdecken und ihre T-Shirts verkehrt herum anziehen mussten.

Denn ursprünglich wollten die Neonazis mit T-Shirts mit der Aufschrift "Wer von der Lüge lebt, muss die Wahrheit fürchten“ mitlaufen – ein Slogan, mit dem die extreme Rechte seit Jahren verklausuliert und straffrei den Holocaust leugnet. Die Rechten gehorchten zunächst – scheinbar. Sie zogen die T-Shirts links an, die Parole war nicht mehr zu sehen. Doch kurz vor Einlauf ins Ziel kehrten sie ihren antisemitischen Slogan wieder nach außen und liefen unter "Nazis raus“-Rufen ins Ziel.

Halbherzigkeit hilft nicht weiter

"Der Sportverein TV Jahn wird eine Wiederholung dieses Jahr verhindern“, sagt Gerhard Bücker, der beim Landespräventionsrat Niedersachsen für den Bereich Rechtsextremismus zuständig ist. "Schneverdingen engagiert sich zunehmend professionell gegen rechtsextreme Kräfte“, fügt Bücker hinzu. Schließlich wolle man verhindern, dass sich Neonazis "in die Mitte der Gesellschaft drängen“. Das im Februar 2008 gegründete Bürgerbündnis "Schneverdingen ist bunt!“ beispielsweise wird mit Informationsmaterial und Kontakten aus Bückers Präventionsfundus unterstützt. Der selbst sportlich aktive Fußballer einer "Ü-40-Mannschaft“ ist ehrenamtlich bei der "Sportjugend Niedersachsen“ und der "Deutschen Sportjugend“ aktiv, sein Steckenpferd ist offensive Aufklärungsarbeit.

Denn das Dringlichste ist nicht der Ausschluss Rechtsextremer beim "Heidelauf": "Die Rechtsextremen versuchen sich ins bürgerliche Bild einzuschmuggeln und so zu tun, als gehören sie dazu“, so Bücker. So beteiligen sich die "Snevern Jungs“ bei öffentlichen Blutspendeaktionen, treten zu Skatturnieren an, mischen bei Sportveranstaltungen in der Region mit und machten bei einer kommunalen Müllsammelaktion mit uniformen T-Shirts "Umweltschutz ist Heimatschutz“ mit. Und wenn sie niemand daran hindert, feiern sie ihre Auftritte auf ihrer Homepage als erfolgreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen.

Das Bürgerbündnis will nun offensiv dafür sorgen, dass jeder weiß, wer sich unter dem bürgerlichen Deckmäntelchen verbirgt und welche politischen Einstellungen die Kameradschaft "Snevern Jungs“ vertritt. Ihnen soll es nicht mehr gelingen, "unter dem Deckmantel, nein, Schutzmantel müsste man besser sagen“ der scheinbaren Bürgerlichkeit, so Gerhard Bücker, antisemitische und rechtsextreme Parolen zu verbreiten.

Enge Anbindung an die NPD

Indem sie sich als Jungs von Nebenan inszenieren, versuchen die Neonazis eine lokale Verankerung mit politischer Einflussnahme zu erreichen: "Die ‚Snevern Jungs’ stehen exemplarisch für eine Kameradschaft, die die klare Trennung zwischen NPD und freien Kameradschaften aufhebt. Sie ist stark in die Aktivitäten der NPD eingebunden“, stellt Maren Brandenburger vom Niedersächsischen Verfassungsschutz fest.

Ihr Anführer, Matthias Behrens, ist bereits im Landtagswahlkampf als NPD-Kandidat angetreten, und die "Snevern Jungs“ organisierten den ersten NPD-Infostand in Schneverdingen. Die aus der neonazistischen Hammerskinbewegung stammende Kameradschaft ist bundesweit aktiv: beispielsweise auf dem Gedenkmarsch für den NS-Kriegsverbrecher Rudolf Hess oder im brandenburgischen Halbe.

Das empörte Medienecho auf den neonazistischen Überraschungscoup am Ende des Heidelaufs im vergangenen Jahr hat den Schneverdingern auch gezeigt, dass halbherzige Anti-Rechtsextremismus-Maßnahmen von Neonazis immer wieder unterlaufen werden. Denn aus heiterem Himmel kamen die braunen Mitläufer nicht: Charly Braun, DGB-Vorstandsmitglied für Nordost-Niedersachsen, engagiert sich seit Jahren antifaschistisch und kritisiert: "Der Sportverein hat inkonsequent gehandelt.“

Zwei Wochen zuvor war vom Schneverdinger Stadtrat eine "Resolution gegen Rechts“ verabschiedet worden, die auch der Vereinsvorsitzende und SPD-Ratsherr Thömen mitgetragen hatte. Und der DGB hatte in einem offenen Brief an den Bürgermeister, den Heidelauf-Veranstalter TV Jahn und andere Entscheidungsträger, gefordert, Neonazis beim Volkslauf auszuschließen. "Es ist versäumt worden Courage zu zeigen und zu sagen: Nazis haben hier nichts zu suchen. Ihr könnt nur laufen, wenn ihr die Resolution gegen Rassismus unterschreibt“, sagt Charly Braun.

Erste Schritte

Gerhard Bücker meint, die Heidelauf-Verantwortlichen seien anfangs schlicht überfordert gewesen. Vor Ort eskalierte die Situation, als ein Fotograf die Rechtsextremen beim Ausziehen fotografieren wollte, und der Anführer der Rechtsextremen am liebsten gleich zugeschlagen hätte, wie Thöme später einem Journalisten anvertraut. "Hier konnte man erleben, dass gutmeinende Amateure - um im sportlichen Jargon zu bleiben - die Hilfe von Profis benötigten.“

Inzwischen sind die ersten Schritte gegen die braunen Unterwanderungsversuche getan. Auf der Homepage des TV Jahn prangt direkt neben dem Vereinslogo nun der Satz: "Wir treten Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus entgegen!“ Dieses Bekenntnis steht auch in der geänderten Satzung und wird als Banner in der Turnhalle hängen, in der die Anmeldung zum Heidelauf 2008 im August stattfindet.

Klare Teilnahmebedingungen

Die Ausschreibung ist ergänzt durch den Passus: "Rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Kleidung ist nicht gestattet.“ Außerdem wird es Namenslisten von bekannten Rechtsextremen geben, die abgeglichen werden. Auch seien Maßnahmen geplant, um Tricks wie falsche Namen oder bürgerliches Auftreten zu enttarnen: "Es werden genug Bürger vor Ort sein, die nicht tatenlos zusehen und ihr Anliegen bekunden, keine rechten Mitläufer dabei haben wollen“, bekräftigt Meike Moog-Steffens, Geschäftsführerin des Vereins und gleichzeitig Sprecherin des Bürgerbündnisses. "Wir fühlen uns bestens gewappnet."

Mit welchen Mitteln die Schneverdinger es dieses Jahr schaffen wollen, die "Snevern Jungs“ am Lauf zu hindern ist noch geheim. Sicher ist nur, die Messlatte ist bei diesem Sportereignis höher gelegt worden, sagt DGB-Mann Charly Braun: "Vom Volkslauf ausgeschlossen werden sollten alle, egal ob sich die Nazi-Ideologie auf der Kleidung, im Kopf oder beim Handeln ausdrückt.“

Zum Thema:

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