Selbst für Laien ist es oft recht einfach zu erkennen, wenn Musik rechtsextrem ist. In verschiedenen musikalischen Subkulturen existieren aber Grauzonen, die weniger eindeutig und daher schwieriger zu bewerten sind. Mittlerweile ist diese nationalistische und völkische Grauzonen-Musik sogar im Mainstream angekommen.
Von Kira Ayyadi
Für ihre Fans ist die Südtiroler Deutschrock-Band Frei.Wild nur eine Deutschrock-Band, Kritiker halten sie hingegen für „rechtsradikal“ – zumindest sind sie aber wohl die bekannteste Grauzonen-Band. 2016 wurde die Band gar mit einem Echo ausgezeichnet. Frei.Wild sind mit ihren rechtspopulistischen Texten im Mainstream.
Was ist Grauzonen-Musik?
„Grauzone“ bezeichnet Bands, die nicht der extremen rechten Szene zugeordnet werden können, jedoch Versatzstücken rechter Ideologie aufweisen. Eines der zentralen Inhalte der Texte von Grauzonen-Musik ist eine verkürzte Kapitalismuskritik. Oft geht es um ein „wir hier unten, gegen die da oben“ – das existiert zwar auch in anderen Genres, bei Grauzonenbands wird diese verkürzte Kritik zusammen mit anderen Faktoren aber zum musikgewordenen Populismus. Die meisten Grauzonen-Bands behaupten zwar von sich unpolitisch zu sein, schimpfen jedoch auf “Multikulti”, verachten sogenannte „Gutmenschen“ und klassifizieren alles als links oder als „Antifa“, was in ihren Augen nicht patriotisch genug ist. Oft wiederkehrendes Element in der Grauzonen-Musik ist eine Opfer-Inszenierung. Die, die sich als Opfer darstellen und sehen, sind fast ausnahmslos weiße, deutsche, heterosexuelle Menschen, zumeist Männer. Und natürlich schlachten sie ihre Opfer-Rolle besonders dann genüsslich aus, wenn sie Druck von Seiten der Öffentlichkeit bekommen, weil beispielsweise Konzerte abgesagt werden. Grauzonen-Bands gefallen sich im „Wir-gegen-Euch“-Gestus der angeblich „Unangepassten“ gegen das (politische) System.
„Wir müssen fest zusammenstehen im Kampf der Kulturen, für den Erhalt unserer Freiheit, für demokratische Strukturen“ (OHL „Die Invasion“.) Mit der Parole „Kampf der Kulturen“ (gegen den Islam) bedient sich die die deutsche Punk-Band OHL einem Begriff der alten und neuen Rechten.
Vor allem Grauzonen-Bands aus der Rock und Punk-Szene verweisen zwar oft darauf, sich sowohl gegen Rechtsextremismus als auch gegen den sogenannten Linksextremismus auszusprechen. Doch oftmals haben solche Bands keine Berührungsängste mit der extrem rechten Szene und so findet in der Regel keine klare Abgrenzung nach rechts statt. Indem solche Bands eine eindeutige politische Positionierung vermeiden, behalten sie ihr wild zusammengemischtes Publikum aus Punks, Skinheads, Hooligans und auch Neonazis. Unter der Oberfläche der vermeintlich unpolitschen Szene sind die Übergänge von „unpolitisch“ zu „patriotisch“ bis hin zu neofaschistisch fließend.
„Die Disko ist der letzte Schrei, die Mucke echt voll cool. Jeder tanzt den Affentanz, doch sind sie alle Schwul. Sie wollen echte Männer sein, mit ihrem dritten Mittelbein. Bei Depression ein kleiner Tipp, ne Pille hilft zum nächsten Trip. Das soll jetzt nicht rassistisch klingen, doch es ist nun einmal so. Irgendwelche Asylanten dealen auf dem Bahnhofsklo. Mit langem Haar und schöner Bräune stehen sie an der Litfaßsäule. Schicken Kinder auf den Strich, doch das interessiert euch nicht“ ( „Die neuen Hippies“ von Gerbenok. Die Band ist auf dem Label der Grauzonen-Band Krawallbrüder)
Rock- und Pop-Musik ist auch immer ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung
Als Ausgangspunkt für die Entstehung des Genres kann der erste Abschied der bis dahin sehr erfolgreichen deutschsprachigen Deutschrock-Band „Böhse Onkelz“ 2005 gesehen werden. Zwar distanzierten sich die “Onkelz” ab den 90er Jahren von rechtem Gedankengut, doch in den 80ern galten sie als Pioniere des Rechtsrock. Zu Ehren der Band wurde 2006 die G.O.N.D. („Große Onkelz Nacht Deutschland“) ins Leben gerufen. Bereits im ersten Jahr trat damals die noch recht unbekannte Band Frei.Wild auf. Frei.Wild hat es seither erfolgreich geschafft die entstandene Lücke im Musik-Markt, die die „Onkelz“ hinterlassen haben, zu füllen.
Einhergehend mit dem wachsenden Nationalismus während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland, wurde ab 2006 wieder ein positiver Bezug zu Patriotismus in Deutschland hergestellt. So ist es nicht verwunderlich, dass dieses aufkommende Nationalgefühl auch in die Musik einzog. Szenebeobachter Aazaadeh Arzu, verweist jedoch gegenüber Belltower.News darauf, dass viele der Bands in der Punk-Szene bereits vor 2006 aktiv waren und schon entsprechende Texte hatten.
Grauzonen-Musik wandert in den Mainstream
Heute profitiert die Grauzone von der zunehmender Verschiebung des gesellschaftlichen Diskurses nach rechts. Und so wandern Bands mit nationalistischen und völkischen Inhalten zunehmend aus einer kleinen Sparte heraus in Richtung Mainstream.
Am stärksten ist Grauzonen-Musik wohl im Punk und Oi! vertreten. Doch ähnliche Inhalte findet man auch in der deutschsprachigen Rap-Szene. Hier machte zuletzt der Rapper Prezident negativ mit seinen rechtspopulistischen Texten auf sich aufmerksam.
„Er (der sog. ‚Gutmensch‘ Anm.d.R.) sieht in seinem Gegenbild sein Ebenbild. Er träumt vom edlen Wilden. Von der Güte dunkler Menschen aus entfernteren Gefilden. Vom Gegenteil des kleinkarierten dunkeldeutschen Scheißvolks. Die schlimmsten Herrenmenschen, die die keine sein wollen.“ („Über zwei verschiedene Arten des Gutseins“ von Prezident)
Zwar nicht unbedingt Grauzone, sondern eher volkstümelnd ist die Musik des österreichischen Schlagersängers Andreas Gabaliers. Er ist für seine Mischung aus heimatliebender Volksmusik und Pop-Rock mit Blut-und-Boden-Texten im steirischen Dialekt bekannt, aber auch für sein sehr konservatives Weltbild. Für Aufregung sorgte sein Album-Cover von „Volks-Rock-‘n‘-Roller“ (2011). In Leni-Riefenstahl-Bildsprache sieht man den Sänger in einer Körperpose die an ein Hakenkreuz erinnert.
„Kameraden halten zusammen ein Leben lang. Eine Freundschaft die ein Männerleben prägt. Wie ein eisernes Kreuz das am höchsten Gipfel steht. Und selbst dem allerstärksten Sturmwind widersteht.“ („Mein Bergkamerad“ von Andreas Gabalier)
Was macht Grauzonen-Musik so gefährlich?
Das gefährliche an Grauzonen-Musik ist ihre Mehrheitsfähigkeit. Zwar können Jugendliche und Erwachsene auch rechtsextreme Musik recht problemlos im Internet finden. Doch klassische Neonazi-Musik, mit offen faschistischen und menschenverachtenden Texten wird von der breiten Bevölkerung klar abgelehnt. Die abwertenden Inhalte in der Grauzonen-Musik gegen beispielsweise Homosexuelle, Migrant*innen, Flüchtlinge und die stark chauvinistischen und völkischen Texte sind hingegen massentauglich und sind so einem breiten Publikum zugänglich.
Wie erkenne ich Grauzonen-Bands?
Nur selten reicht ein Wikipedia-Eintrag aus, um festzustellen, ob es sich um eine Grauzonen-Band handelt. In der Regel muss man sich genauer mit Bands oder Musiker*innen auseinandersetzen, um deren Intention und das Wirken auf das Publikum festzustellen. Man sollte sich folgende Fragen stellen: Wer spielt die Musik? Was ist die Intention des Liedes? Welche Botschaft soll transportiert werden?
In einigen Fällen reicht es allerdings nicht aus, nur auf die Texte zu achten. Das Gesungene entfaltet seine Wirkung erst richtig im Zusammenhang mit anderen Faktoren, wie beispielsweise der Bildsprache in Musikvideos oder auf den Covern, dem Rhythmus oder Interviews.
Natürlich liegt vieles in der Wahrnehmung des Betrachters, doch die Verantwortung über die vermittelten Inhalte – ob nun implizit oder explizit – liegt bei den Musiker*innen selbst. Sie alleine bestimmen die Botschaften ihrer Musik. Zwar können sich auch Bands und Musiker*innen nicht vor Fehlinterpretationen schützen, doch sie können sich klar positionieren und glaubwürdig abgrenzen. Das oft hervorgebrachte Argument, die Band könne doch nichts dafür, dass Neonazis ihre Musik hören und auf ihre Konzerte kommen, dient nur dazu, Verantwortung abzugeben.
„Kein Vergessen, kein Verdrängen - Identität! Mach dich frei von ihren Zwängen - Identität! Tradition schlägt jeden TREND - Identität! Deine Art zu leben ist ihnen fremd… Deine Wurzeln, deine Herkunft - hier bist du Zuhaus! Mit Stolz auf uns're KULT hältst du jeden Druck aus! Wenn du weißt wer du bist, wird alles so leicht, denn mehr als du dir dachtest hast du schon erreicht!! („Identität“ Stomper 98)
In die Kritik geraten, geben Grauzonen-Bands und –Künstler oft an, ihre Texte seien nur ironisch gemeint. Doch das ist nichts weiter als eine Schutzbehauptung. Denn meist erschließt sich die „Provokation“ oder der „Spaß“ der Texte nicht denjenigen die in den Texten angesprochen und ausgeschlossen werden.