Yorai Feinberg in seinem Restaurant in Berlin-Schöneberg.
AAS

Antisemitismus ohne Ende: Berliner Restaurantbetreiber im permanenten Shitstorm

"Du bist eine Judensau!" grölt ein älterer, wahrscheinlich angetrunkener Mann vor einem Restaurant in Berlin. Im Dezember 2017 sorgte ein Video von diesem Vorfall vor dem israelischen Restaurant Feinberg's für Aufsehen. Jetzt hat Yorai Feinberg, der Besitzer des Ladens, auf Facebook Hassmails veröffentlicht, die ihn täglich erreichen. Der Post wurde prompt gelöscht. Feinberg fühlt sich allein gelassen, von der Politik, die zu wenig gegen Antisemitismus tut, aber auch von der Polizei.

Von Stefan Lauer

Ludwig Fischer war ein deutscher Kriegsverbrecher, der zwischen 1939 und 1945 Gouverneur von Warschau war. Unter diesem Namen verschickt eine Person massenhaft Emails an Yorai Feinberg. In der Nacht zum Mittwoch waren es neun. Feinberg wurde auch schon vorher antisemitisch beleidigt, seit dem Vorfall im Dezember hat das aber massiv zugenommen. "Bisschen Wortgefecht mit einem Deutschen, kommt gleich die ganze Juden-Medien-Bande. (…) Alle Kriege gehen auf eure Kappe, Millionen Deutsche ermordet, aber ihr erfindet die Gaskammern und JAMMERT NUR. KEIN ANDERES VOLK IST SO EIN WIDERLICHES WIE IHR ES SEIN. SCHON EURE HÄSSLICHEN VISAGEN" (sic!) schreibt "Ludwig Fischer" in einer Mail vom 16.06.2018.

 

Fast jeden Tag bekommt Yorai Feinberg mittlerweile solche Mails voller Beleidigungen und Antisemitismus. In diesem Artikel dokumentieren wir nur vier Beispiele.   

 

In jeder Mail mehr oder weniger das gleiche: wüste antisemitische Beleidigungen, gegen Feinberg persönlich, gegen Juden und Jüdinnen und gegen Israelis, dazu immer wieder Holocaustleugnung. Feinberg zeigt den E-Mailschreiber an, allerdings gibt es keine Konsequenzen. Dazu kommen auch Übergriffe vor Ort, nach der Veröffentlichung des Videos kamen einige deutsche Antisemiten ins Restaurant, um zu "meckern", wie Feinberg es ausdrückt. Er erzählt auch von Böllerwürfen auf die Terrasse des Restaurants. Hier macht er Araber als die Schuldigen aus. Schon mehr als zehn Anzeigen hat er erstattet. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen allerdings ins Leere. Verdächtige wurden keine identifiziert, weder für die Hassmails, noch für die Übergriffe. Der Berliner Zeitung "Morgenpost" sagte die Staatsanwaltschaft, dass sie Person nicht ausfindig zu machen sei, die Polizei kenne den Täter nicht. Die Polizei verweist wiederum auf die Staatsanwaltschaft. Die Polizei dementiert nicht, dass der Täter bekannt ist, bestätigt es aber auch nicht.      

Polizisten, an die Feinberg mittlerweile die Mails weiterleitet, sagen ihm, der Absender sei polizeibekannt, aber er würde weit weg wohnen. Der Restaurantbesitzer müsse sich also keine Sorgen machen.  Der weit entfernte Wohnort des Mannes soll Leipzig sein. Nach Berlin dauert die Zugfahrt weniger als 90 Minuten.

Jetzt soll es ein Gespräch mit der Staatsanwaltschaft und dem LKA geben. Allerdings hat Feinberg schon in den letzten Jahren nicht die besten Erfahrungen mit den Berliner Behörden gemacht. Im Sommer 2016 kam es zu einem Zwischenfall mit einem bekannten Berliner Aktivisten, der regelmäßig mit antisemitischen Plakaten auf Demonstrationen und in der Stadt steht. Auf seiner Facebookseite leugnet er immer wieder den Holocaust. Feinberg traf auf der Straße zufällig auf ihn und stellte ihn zur Rede. Der Aktivist ist bereits mehrmals durch Angriffe auf Kritiker*innen aufgefallen. Feinberg berichtet, dass auch er angegriffen wurde. Feinberg und die Freundin, mit er unterwegs war, konnten sich in einem nahegelegenen Café in Sicherheit bringen. Dem Aktivisten eilten wiederum arabischsprechende Männer zur Hilfe. In einem, Wortwechsel beleidigte man sich gegenseitig. "Scheiß Jude" hieß es von den Männern, "Scheiß Araber" von Feinberg. Die Konsequenz sind 30 Tagessätze, die Feinberg zahlen soll. Der Aktivist wurde freigesprochen. Er ist laut Gutachten schuldunfähig. So funktioniert der Rechtsstaat zwar zuweilen, für Feinberg bleibt die Situation aber unbefriedigend: "Das Problem ist, dass die Polizei und die Staatsanwaltschaft nichts unternehmen".

Als Feinberg einige der Mails, die er mittlerweile bekommt, auf Facebook veröffentlicht, reagiert der Konzern schnell. Der Post wird gelöscht, Feinberg gesperrt. Nach Beschwerden reagiert Facebook, Feinberg hat mittlerweile die Stellen in den E-Mails, an denen der Holocaust geleugnet wird in seinem Post entfernt, um sich nicht selbst strafbar zu machen. Er sieht hier Methode: "Wenn die einflussreichste Plattform der Welt Leute blockiert, die gegen Rassismus und Antisemitismus posten, dann ist das ein großes Problem. Andererseits werden antisemitische Karikaturen oder Posts nicht gelöscht. Offenbar arbeiten dort Leute, die nicht geeignet sind, diese Entscheidungen zu treffen. Da sitzen auch Antisemiten."  Andere Stimmen unterstützen ihn, auch ein Post von Mike Delberg, in dem er auf die Vorfälle aufmerksam macht, wurde gelöscht, auch er gesperrt. Delberg ist Vizepräsident der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und schreibt dazu in der "Jüdischen Allgemeinen": "Um ein Problem zu beschreiben, muss man es beim Namen nennen dürfen! Ist es also fehlende Bearbeitungszeit oder eine fehlerhafte Handlungsanweisung, die zu den Sperrungen geführt hat? Oder sitzen in den Firmen etwa Mitarbeiter, denen das öffentliche Anprangern von Antisemitismus nicht schmeckt?"  

Yorai Feinberg ist nicht alleine. Kommentare unter seinen Posts auf Facebook sprechen ihm Mut zu und solidarisieren sich. Das Restaurant ist gut besucht und auch hier sprechen ihn Gäste an und unterstützen ihn. In seinem Schöneberger Kiez gibt es viel Solidarität, allerdings auch – anonyme – Stimmen, die behaupten, der Israeli würde die Übergriffe erfinden, um Aufmerksamkeit für sein Restaurant zu generieren. Auch in der direkten Umgebung ist Antisemitismus offenbar nicht weit entfernt.

Seit Jahren lebt Feinberg in Deutschland. Er hat das Gefühl, dass sich die Dinge zum Negativen ändern: "Ich war sehr positiv überrascht, als ich nach Berlin kam. Ich habe vorher in Wien gelebt und schlechtere Erfahrungen in Sachen Antisemitismus und Rassismus gemacht. Aber mittlerweile sehe ich eine gefährliche Entwicklung. Mir persönlich passiert mindestens einmal in der Woche etwas. Wenn man die Kommentare im Internet liest, merkt man: Das ist die falsche Seite".

Deutschland hat noch kein Patentrezept gegen Antisemitismus gefunden, weder gegen den aus der Migrationsgesellschaft noch gegen den hausgemachten. Seit 2018 gibt es zwar einen Antisemitismus-Beauftragten, aber was sind die Forderungen von Betroffenen? Feinberg glaubt nicht, dass neue Gesetze helfen können. Er setzt auf Abschreckung: "Antisemitismus muss Konsequenzen haben.  Für Ludwig Fischer gibt es keine, deswegen werden seine E-Mails immer schlimmer. Hätte man ihn schon nach den ersten Mails bestraft, würde er die nicht schicken. Toleranz gegenüber Intoleranten ist gefährlich."

 
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