In Dresden soll der "Tag der deutschen Zukunft" blockiert werden. Gegendemonstrant*innen freuen sich: Endlich im Sommer nach Dresden!
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„Tag der deutschen Zukunft“ (TddZ) in Dresden: Den Nazis keine Zukunft geben!

Für den kommenden Samstag mobilisiert die deutsche Neonaziszene kräftig zum „Tag der deutschen Zukunft“ nach Dresden. Bereits zum sechsten Mal soll die so benannte Demonstration stattfinden, dieses Jahr allerdings erstmalig nicht im Norden Deutschlands. In Dresden wird mit über 1000 Neonazis gerechnet, vor allem aus der gewaltbereiten Kameradschaftsszene. Ein breites Bündnis organisiert den Gegenprotest und will die Nazis nicht marschieren lassen.

Von der Redaktion

Seit sechs Jahren organisieren Nazis aus dem Spektrum der „Freien Kameradschaften“ den so genannten „Tag der  deutschen Zukunft“ (TddZ) und haben ihn so im neonazistischen „Aktionskalender“ etabliert. Während er bisher allerdings in Norddeutschland stattfand – u.a. in Pinneberg, Hildesheim und Wolfsburg – gab es in diesem Jahr eine Neuerung. Schließlich stagnierten nach vielversprechenden Anfängen zuletzt die TeilnehmerInnen-Zahlen der Nazi-Demonstration. Darauf reagierten die Organisatoren um Thomas Wulff, Dieter Riefling und Christian Worch mit einer eher ungewöhnlichen Idee: Die Ausrichtung des „TddZ“ wurde bundesweit ausgeschrieben. Letztendlich erhielt die Dresdener Nazi-Szene um Maik Müller und Ronny Thomas den Zuschlag. Dies ist keine große Überraschung, schließlich ist Müller mit Wulff und Riefling gut bekannt und auch ansonsten einer der fleißigsten Kader der „Freien Kräfte“ in der Vernetzungsarbeit – mit Kontakten über die Bundesgrenzen hinaus.

Letzte Chance für Dresdener Nazi-Organisatoren

Für Maik Müller steht allerdings viel auf dem Spiel. Müller fungierte mehrfach als Anmelder für die Groß-Demonstrationen in Dresden am 13. Februar – und musste als solcher zuletzt diverse Debakel erleben. Insbesondere die Blamage im Jahr 2012, als 1.600 Neonazis kaum einen Kilometer weit laufen konnten, wird in Szenekreisen auch Maik Müllers fehlendem Geschick angelastet. Unter anderem hatte er sich nicht um genügend nicht vorbestrafte DemonstrationsteilnehmerInnen gekümmert, die als Ordner hätten fungieren können. Im Jahr 2014 ist der 13. Februar als Großaufmarschtag gar komplett ausgefallen. Lediglich am 12. Februar bewegten sich 350 Nazis durch Dresden.

Der „TddZ“ als Kampagne

Im Gegensatz zu anderen Neonazidemonstrationen ist der „TddZ“ in eine längerfristige Kampagne eingebettet, für die die rechtsextreme Szene einigermaßen professionell Medien- und Mobilisierungsarbeit betreibt. Der „TddZ“ mit dem Untertitel „Unser Signal gegen Überfremdung“ wird so mit bereits bestehenden Nazikampagnen gegen „Asylmissbrauch“ und Flüchtlingsunterkünfte verknüpft. Auch diese Ausrichtung dürfte für Dresden als Veranstaltungsort gesprochen haben – das Aufhetzen von Teilen der Lokalbevölkerung gegen Geflüchtete und die kurzfristige Organisation der „Lichtelläufe“ im sächsischen Schneeberg können als einige der wenigen „Erfolge“ deutscher Neonazis in den vergangenen zwölf Monaten gesehen werden.

Zeit der Großaufmärsche vorbei?

Nun versuchen es die Nazis also noch einmal mit einer Großveranstaltung in Dresden. Falls auch diesmal Blockaden den Marsch verhindern, muss sich für die neonazistische Szene grundsätzlich die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Großaufmärschen stellen. Dies war zwar einst die Hauptwerbestrategie der deutschen Neonazis, mittlerweile überwiegt aber jenseits fanatischer Kadernazis die Frustration. Eben deshalb sind auch die Gegenproteste zum „TddZ“ am Pfingstsamstag besonders wichtig. Es bietet sich die Chance, den Neonazis eindeutig das Signal zu geben, dass die Zeit ihrer Großaufmärsche vorbei ist.

Breites Bündnis ruft zu Gegenprotesten auf

Deshalb hat sich das spektrenübergreifende Gegenbündnis „Dresdner Forum gegen Rechts“ gegründet, dass unter dem Motto „Diversity welcome – Keine Zukunft für Nationalismus!” zur Verhinderung des Naziaufmarsches aufruft - durch Platzbesetzungen und, falls notwendig, zivilen Ungehorsam. In seinem Aufruf stellt das Bündnis noch einmal fest, dass das Engagement gegen Rassismus und nationalistisches Denken über die Blockade von Naziaufmärschen hinausgehen muss. Der Ausgang der Europawahlen sowie die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten „Mitte-Studie“ bestätigen diesen Standpunkt. Auch der Ausländerrat Dresden und der sächsische Flüchtlingsrat haben Gegenkundgebungen angemeldet. Ebenso mobilisiert die Kampagne „Keine Zukunft für Nazis“ zu den Gegenprotesten am 7. Juni. Von den Initiator*innen wird darauf hingewiesen, dass die sächsische Landespolitik Nazigegner*innen in der Vergangenheit, gelinde gesagt, nicht immer aufgeschlossen gegenüberstand.

Umso begrüßenswerter ist es, dass nun auch immer mehr Lokalpolitiker*innen die Gegenproteste unterstützen. Zuletzt schrieb der Radebeuler Bürgermeister Bert Wendsche einen offenen Brief, in dem alle demokratischen Parteien, Organisationen, Vereine und alle Bürgerinnen und Bürger Radebeuls zur Unterstützung der Proteste aufgerufen  wurden. Die Dresdener Oberbürgermeisterin Helma Orosz forderte dazu auf „friedlich und gewaltfrei ein Zeichen gegen […] rechtsradikale Propaganda“ zu setzen. Demokraten und Demokratinnen müssten sich schützend vor diejenigen stellen, gegen die sich rechtsextreme Propaganda richtet.

Route: „Goldener Reiter“ statt Prohlis

Mittlerweile ist auch die geplante Route der Nazidemo bekannt geworden. Anders als zunächst angekündigt wollen die Neonazis nicht durch Dresden- Prohlis, sondern von der Barbarossastraße im Stadtteil Pieschen zum „Goldenen Reiter“  auf dem Neustädter Markt marschieren. Auf ihrer Internetseite jammern die Organisatoren des „TddZ“ bereits über die mangelnde Kulanz der Versammlungsbehörde, weil diese die Marschroute nicht bis zum letzten Moment geheim hielt. Ansonsten gibt es von Nazi-Seite widersprüchliche Signale: Einerseits wird sich skurriler Weise darüber beschwert, dass ihre Gegner*innen mit über 1000 Teilnehmer*innen rechneten. Man erwarte nicht mehr als im vergangen Jahr in Wolfsburg – also etwa 500. Andererseits spricht die Verlegung der Demonstration in die Innenstadt durchaus von Selbstvertrauen.

Nazidemo: Öffnung zum parlamentarischen Arm

Die Organisatoren geben sich in jedem Fall Mühe, sämtliche Spektren der deutschen Nazi-Szene zu erreichen. T-Shirts mit dem Demo-Slogan „Wie Geil!“  (mit der zu erwartenden phonetischen Verwechslungsgefahr mit „Sieg Heil!“) dürften ein junges, aktionsorientiertes Publikum ansprechen. Gleichzeitig gab es eine explizite Öffnung zum „parlamentarischen Arm“, auch Organisationsfahnen sind erlaubt. Sprich: Man hofft auf die Teilnahme von sowohl NPD- als auch „Die Rechte“- Aktivist*innen, welche ansonsten zynisch und ausführlich das Versagen der Anderen thematisieren. Auch die Kleinstpartei „Der III. Weg“ ist angesprochen, obwohl parlamentarischer Arm für eine Partei, die es nicht einmal in den Kreistag Bad Dürkheim geschafft hat, vielleicht nicht der richtige Ausdruck ist. 

Informieren und Vernetzen

Früh losgehen soll es bei den Nazis, man spricht von einem Demobeginn um 11 Uhr 30. Dementsprechend beginnen auch die Gegenproteste bereits früh am Morgen. Wer sich genauer informieren möchte oder noch spontan überlegt Pfingsten in Dresden zu verbringen, kann sich auf den Seiten www.no-tddz.org, www.facebook.com/notddzdd, www.addn.me eingehend informieren. Am Tag der Demo selbst wird das Dresdener coloRadio zum „TddZ“ und dem Verlauf der Proteste ausführlich berichten.

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