Malca Goldstein-Wolf nach dem Übergriff auf sie.
Jennifer Marken

Übergriff auf jüdische Aktivistin: Prügel wegen Israelfähnchen

Es begann wie beinahe erwartbar: Die vom Kölner Bethlehem-Verein formal angemeldete und von Hans Mörterr, Pfarrer der Kölner Luther-Kirche – nomen est omen – protegierte Ausstellung „Frieden ist möglich – auch in Palästina“ mit ihren 16 Tafeln war am Samstagmittag gerade auf dem Chlodwigplatz aufgestellt – und schon gab es den ersten Übergriff…

Von Jennifer Marken

Die durch ihren offenen Brief an den WDR-Intendanten Tom Buhrow bundesweit bekannt gewordene jüdische Aktivistin Malca Goldstein-Wolf betrat um 12 Uhr den Chlodwigplatz. In ihrer Hand trug sie drei kleine Israelfahnen, auf ihrer Jeansweste hing eine kleine Israel-Love Plakette. Ihr Gesicht als israelsolidarische Jüdin ist zwischenzeitlich bundesweit bekannt. Sogleich stürzte sich eine etwa 60-Jährige Frau auf sie, sie hatte sie offenkundig erkannt. Sie kratzte sie im Gesicht und entriss ihr die Israel-Fahnen: „Sie sind doch selbst ein Wolf im Schafsfell, Sie machen Werbung für Israel“, habe sie gebrüllt, erzählte Malca Goldstein eine Stunde später haGalil. Und fügte sichtlich geschockt hinzu: „Ich bin das erste mal körperlich angegriffen worden.“ Eine der Fahnen wurde zerrissen, das macht in Köln gemeinhin noch nicht einmal die NPD oder die AfD.

Freunde gingen dazwischen, Schlimmeres konnte gerade noch verhindert werden. Eine Strafanzeige wurde bei der Polizei erstellt, ein Polizist hatte die Szene wahrgenommen. Die 60-jährige Angreiferin betreute dennoch in den folgenden knapp zwei Stunden die Ausstellung. Besonders empört war Malca Goldstein von der Reaktion des seit Jahren skandalträchtigen, immer wieder einseitig gegen Israel agitierenden evangelischen Pfarrers: „Als ich Pfarrer Mörtter von dem Vorfall berichten wollte, schaute er mich kurz an, knatschte sein Kaugummi und drehte sich zur Seite. Kein Wort des Bedauerns brachte er über seine Lippen. Wessen Geistes Kind dieser Mensch ist, ist offensichtlich“, schrieb sie später auf Facebook. Malca Goldstein ließ sich nicht einschüchtern: Sie hängte sich nun ein Plakat um mit der Aufschrift „Pfarrer Mörtter schürt Judenhass!!!“

 

50 gegen 30

Knapp zwei Stunden lang zeigten 30 Vertreter des Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem, Hans Mörtter und die einzige Vertreterin des „Cafe Palestine Colonia“ die Ausstellung. Ihnen gegenüber hatten sich 50 Menschen aus höchst unterschiedlichen Zusammenhängen versammelt. Mehrere Südstadtbewohner trugen kleine und auch größere Israelfahnen. Ein großformatiges Transparent des vor wenigen Monaten gegründeten Rheinischen antifaschistischen Bündnisses gegen Antisemitismus (RABA) – dieses war auch Anmelder der kurzfristig organisierten Gegenkundgebung auf dem Chlodwigplatz – forderte auf seinem großformatigen Transparent „Nie Wieder!“; auf einem Plakat sprach sich ein 60-Jähriger „Gegen die Finanzierung palästinensischer Terrorrenten“ aus. Eine Frau trug ein Plakat „Nein zu Antisemitismus durch die evang. Kirche!!“ auf ihrem Rücken. Bis auf den antisemitischen Übergriff blieb es ansonsten zwei Stunden lang ruhig. Die zahlreich anwesende Polizei, sie war gleich mit zwei Wagen beim sommerlichen Wetter erschienen, hatte bis auf die Strafanzeige nichts zu tun. Unter Beifall der Gegendemonstranten packten die Nakba-Protagonisten schließlich ihre Tafeln ein und entschwanden.

 

Klare Begrifflichkeiten

Dass sich innerhalb von 48 Stunden so viele israelsolidarische Menschen auf dem Chlodwigplatz versammelt hatten, war erstaunlich: Der Pfarrer der Lutherkirche hatte – Heimlichtuerei ist ansonsten durchaus nicht seine Art – offenkundig bewusst versucht, die Ausstellung still und heimlich in seiner Kirche zu zeigen. Immerhin war ihm das Zeigen dieser Nakba-Ausstellung sechs Jahre zuvor von seinen Vorgesetzten untersagt worden. Es wurden nur einige Tafeln dieser von Elisabeth Gollwitzer erstellten Ausstellung ausgetauscht, ihr Geist war blieb unverkennbar.

Beispiele: Auf einer Landkarte wird ein „historisches Palästina“ gezeigt – selbstverständlich in den Grenzen Israels. Die antisemitischen arabischen Aufstände der 1930er Jahre werden zu „Aufständen gegen die Besiedlung“ verklärt. Weitere Überschriften auf den Tafeln: „Die zionistischen Juden haben ihre ersten Ziele erreicht“, „Israel raubt palästinensisches Land“, „Israels Strategien zur „schleichenden Vertreibung““, „Das Gaza-Ghetto – größtes Freiluftgefängnis der Welt“, „Der Zionismus – dem Wesen nach ein Siedlerkolonialismus“, „Großflächige Bombardements der Zivilbevölkerung in Gaza“ sowie „Juden fühlen sich in Israel nicht mehr sicher“.

Als Mörtter, nach dem erneuten Verbot seiner Ausstellung durch Superintendent Domning, in der Kölnischen Rundschau nun deren Verlegung auf den Chlodwigplatz am darauffolgenden Tag ankündigte, sprach der evangelische Würdenträger wörtlich von „Panik vor israelkritischen Tönen“ und von einer „antiisraelischen Keule“. Es hat ihn niemand gezwungen, eine solche Diktion zu verwenden.

 

Scharfe Kritik an der Ausstellung und an den Verantwortlichen

Die israelsolidarische Gruppierung RABA sprach in ihrem Einladungsschreiben demgemäß von „Israelbezogenem Antisemitismus mit kirchlichem und städtischem Segen?“: „Offensichtliches Ziel“ der Ausstellung sei die „Delegitimierung des Staates Israels“. Der Kölner Skandal werde noch verstärkt durch den Umstand dass ein „offiziell mit der Stadt Köln verbundener Verein“ eine Ausstellung zeige, die in anderen Städten „nicht in öffentlichen Räumen gezeigt werden“ dürfe. Man erwarte „eine Stellungnahme der Oberbürgermeisterin Henriette Reker und eine klare Distanzierung von jeglichem israelbezogenem Antisemitismus“.

Der Historiker Johannes Platz, Vorsitzender der Kölner DIG, protestierte gleichfalls gegen den höchst einseitigen Charakter der Ausstellung. Diese „konterkariert die Bemühungen, historische Kontexte sachlich darzustellen, den Nahostkonflikt in seiner Komplexität zu verstehen und vor allem die antisemitische Grundierung der palästinensischen Gesellschaft zu durchschauen.“

Die Ausstellungstafeln zeugten, so Platz, „von einer durch Dämonisierung Israels und doppelte Standards geprägten Sichtweise auf den Konflikt“ der „zur Entwicklung antisemitischer Perspektiven auf den Nahostkonflikt beitragen“ könne: „Die Abkehr von einer Politik der Subventionierung des Terrors durch üppige „Märtyrerrenten“, die die palästinensische Autonomiebehörde auszahlt, die Beendigung des Märtyrerkults in Form der Benennung von Straßen und öffentlichen Einrichtungen nach Terroristen, die Beendigung der indoktrinierenden Erziehung von Kindern zum Judenhass in palästinensischen Schulen und im palästinensischen Kinderfernsehen: das alles wären Themen, die eine Ausstellung zu „Frieden in Palästina“ zeigen könnte.“

Vielleicht hätte man aber auch die soeben in der Kölner VHS eröffnete Ausstellung “Du Jude!“ – Alltäglicher Antisemitismus in Köln“ auf dem Chlodwigplatz zeigen sollen. Dort finden sich vielfältige Belege, die die „antizionistische“ Grundierung der Nakba-Tafeln dokumentieren.

 

Die Politik ist in der Verantwortung

Die Evangelische Kirche und die Politik sind nun in der Verantwortung. Die Führung der evangelischen Kirche Kölns muss endgültig klären, ob Mörtter mit seiner antizionistisch anmutenden Rhetorik und Praxis sich weiterhin öffentlich über kirchliche Beschlüsse hinwegsetzen und die Öffentlichkeit spalten darf. Ein etwa 60-jähriger Besucher meinte auf dem Chlodwigplatz, dass ihm Mörtter als eine Reinkarnation der „Kölner Klagemauer“ erscheine, vergleichbar wie der Kölner Reza Begi. 

Und die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker ist gefordert: Kürzlich hat der Kölner Stadtrat eine Resolution zum Antisemitismus verabschiedet. Ralf Unna, Grünes Stadtratsmitglied, hatte vergeblich gefordert, dass sich die Politik nicht auf verbalen Bekundungen beschränken, sondern jegliche BDS-Aktivitäten in städtischen Räumen untersagen müsse. Der Kölner Stadtrat und Oberbürgermeisterin Reker müssen nun entscheiden, ob sie es weiterhin zulassen, dass ein Städtepartnerschaftsverein, dem ein „antizionistisch“ anmutender Linken-Vertreter vorsteht, sich weiterhin in einer derart einseitigen, antiisraelische Vorurteile und Ressentiments bestärkenden Weise öffentlich positionieren darf. Das Modell einer „triangulären“ Städtepartnerschaft hingegen muss ansonsten als gescheitert gelten. Im benachbarten Bergisch Gladbach lässt sich dies schon seit Monaten konstatieren. 

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