Am besten zurück an den Herd. Der Antifeminismus der Regierung ist fatal.
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Österreich: Regierung streicht Förderung für feministische Projekte und Familienberatung

Die Politik der türkis-blauen Regierung in Österreich bringt verheerende Rückschritte mit sich. Das Sozialversicherungssystem wird angegriffen und seit dem 1.9.2018 ist der 12-Stunden-Arbeitstag und somit die 60-Stunden-Woche möglich. Besonders fatal von dem politischen Backlash ist die Frauenpolitik betroffen. Statt die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen zu stärken, besinnt man sich auf traditionalistische Rollenbilder und möchte damit die Familie fördern.

 

Von Luka Lara Charlotte Steffen

 

“Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens und damit unantastbar mit der Würde des Menschen verbunden.” Leider kein Zitat aus der Bibel, sondern aus dem aktuellen Regierungsprogramm vom österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Der Grundpfeiler für Frauenpolitik ist also eine vermeintlich natürliche Geschlechterdifferenz. Die damit angelegte untergeordnete Rolle von Frauen drückt sich auch darin aus, dass sich ganzen 2,5 von 179 Seiten im Regierungsprogramm frauenpolitischen Themen widmen. “Man kann eigentlich froh sein, dass es nicht mehr sind” scherzt Lea Susemichel, Redakteurin des feministischen Magazins “an.schläge”. In Österreich wird feministisches Engagement gerade im großen Stil diskreditiert.

 

 “Die Frauenministerin arbeitet gegen Frauen”

 

“In der 2. Republik hat es selten ein politisches Klima gegeben, in dem rechte Ideologie so hegemonial wird,” erklärt Susemichel. Das Tempo, in dem feministische Errungenschaften der letzten Jahre rückgängig gemacht wurden, sei erschreckend. 179.000 Euro an Förderungsmittel für Fraueninitiativen sind 2018 weggefallen, 2019 wird das Budget nochmal um 230.00 Euro gekürzt. Davon betroffen sind Organisationen und Vereine wie “One billion Rising Austria” (gar keine Förderung mehr), der österreichische Frauenring (gekürzt), das feministische Magazin “an.schläge” (gar keine Förderung mehr), Tricky Women Filmfestival (gekürzt) und Frauenberatungsstellen (gekürzt). Eine vollständige Liste gibt es hier. Eine ganze  Million Euro werden zusätzlich bei Familienberatungen eingespart. Davon sind 18.000 Familien betroffen. 26.000 Beratungsstunden fallen einfach weg, da Mitarbeiter*innen nicht bezahlt werden können. Das Budget für ein Projekt zur Gewaltprävention wurde ebenfalls gestrichen.

 

Erst im Juni hätten viele Vereine erfahren, dass es kein Geld mehr für das laufende Jahr geben wird. Bis dahin wurden Mitarbeiter*innen vorfinanziert. “Die Reserven sind aufgebraucht.” erklärt Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings (ÖFR). Der ÖFR ist Dachorganisation verschiedenster Frauenvereine, einige davon werden seit den 1990 gefördert. Diese Arbeit würde jetzt einfach zerstört, so Frieben. So eine Situation habe es noch nie gegeben: “Die Frauenministerin arbeitet gegen Frauen”.

 

ÖVP-Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß ist laut Selbstbezeichnung eine “pragmatische Feministin” und “moderne Konservative”. Sie ist verantwortlich für die Kürzungen. Was genau jetzt modern an ihrer konservativen Politik ist, erklärt sie nicht. Dass sie ganz konkrete Vorstellungen davon hat, welches Engagement für Frauenrechte relevant ist und welches nicht, wird anhand ihrer Kürzungen deutlich.Getanzte[r] Protest” ist es jedenfalls nicht. So betitelt sie jedenfalls die Arbeit von “One Billion Rising”. Einer internationale Organisation, die durch öffentliche Tanzperformances auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen will. Doch eigentlich soll es doch genau darum gehen. Angeblich dienen die “geringfügigen” Umschichtungen dem Ziel, die Gewaltprävention auszubauen. 

 

Das ist sogar im Regierungsprogramm festgehalten. So soll es mehr “Notunterkünfte” geben und generell ein “[ö]sterreichweiter Ausbau von Akutintervention bei Gewalt gegen Frauen und Kinder” erfolgen. Aber warum wird dann ein Programm eingestellt, bei dem Hochrisikofälle in gemeinsamen Sitzungen von Polizist*innen und Sozialarbeiter*innen besprochen werden? Warum wird dann bei den Familienberatungen einsparen, die von Gewalt betroffene Frauen beraten? Oder ist hier etwa eine andere Gewalt gemeint?

 

“Differenz wird zur Pflicht”

 

Gewalt gegen Frauen ist nach dem türkis-blauen Narrativ natürlich kein Problem der österreichischen Mehrheitsgesellschaft, sondern kommt von außen, von “Fremden”. Die Volksgemeinschaft muss gegen die Feinde von Außen verteidigt werden. “Gewalt gegen Frauen wird ethnisiert” erklärt Judith Goetz von der Forschungsgruppe Ideologien und Politiken der Ungleichheit (FIPU). Gewalt werde als Problem von Migrant*innen verhandelt. Ein weiteres Indiz für diese Externalisierung sei das Vorhaben der FPÖ-Außenministerin, Karin Kneissl, 1.000.000 Euro in ein Programm gegen weibliche Genitalverstümmelung zu investieren. Oder die Diskussionen um das Kopftuchverbot für Kinder, was nur einen wirklich kleinen Teil der Gesellschaft betreffe. Männergewalt in der österreichischen Gesellschaft werde hingegen nicht thematisiert. Demnach bleibe gar nichts anderes übrig, “als diese Maßnahmen als rassistisch zu entlarven”. Auch “an.schläge”-Redakteurin Susemichel problematisiert diese Externalisierung. Für sie sind die Maßnahmen zur Gewaltprävention ein “Lippenbekenntnis”.

 

Auch wenn die Formulierungen im Regierungsprogramm vorsichtig gewählt seien, sei das Frauenbild der FPÖ äußerst reaktionär. Das werde vor allem an der im Regierungsprogramm festgeschriebenen Geschlechterdifferenz deutlich, erklärt Susemichel. Durch diese festgeschriebene Differenz werde der “Geschlechterdualismus als gesellschaftliches Leitbild etabliert”, erläutert Goetz. Aus vermeintlich natürlichen Unterschieden zwischen Männern und Frauen lässt sich dann auch eine klare Aufgabenverteilung ableiten. Frauen werden im Regierungsprogramm eigentlich nur als Mütter (wollen und/oder sollen alle Frauen sein) oder als Zugewanderte (nur in migrantischen Communities gibt es Gewalt) angesprochen werden.

 

Damit wird “Differenz zur Pflicht. Entgegen aller sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse.” Besonders die Berufung auf die Natur impliziere “dass es keine Möglichkeit auf Veränderung gibt.” Das Regierungsprogramm beschreibt also nicht nur die inhaltlichen Ziele, sondern enthält in diesem Fall eine krass ideologische Komponente. Das Ziel ist klar. Frauen sollen gemäß einer natürlichen Ordnung ihre Rolle einnehmen. Und das wäre: Mutter und Hausfrau. Für Susemichel steht fest: “Es geht hier um eine Retraditionalisierung von Familienstrukturen und eine Reprivatisierung von Care-Arbeit”. Sorge-Arbeit gehöre nämlich auch zum natürlichen Aufgabenbereich von Frauen. Und das natürlich unbezahlt.

 

“Bewusstes Kalkül”

 

“Die Kürzungen sind mitnichten Sparzwänge geschuldet. Man kann viel eher von bewusstem Kalkül sprechen”, betont Susemichel. Die Kürzungen sind also, wie die festgeschriebene “Verschiedenheit von Mann und Frau”, ideologischer Natur. Feminismus, der antirassistisch ist und sich gegen die Reetablierung einer herbeifantasierten natürlichen Geschlechterordnung wehrt, ist natürlich nicht die Form von Feminismus, die eine rechtspopulistische Regierung unterstützen möchte. “Es geht darum, Feind*innen mundtot zu machen”, bringt es Susemichel auf den Punkt. Für Rechtspopulist*innen bedroht der Feminismus die so sehr herbeigewünschte autoritäre Volksgemeinschaft. Genauso tun es alle Lebensentwürfe, die Abseits einer heterosexuellen Norm stehen. 

 

Familie ist im Regierungsprogramm nämlich “als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern” definiert. Dieses Erfolgsmodell sei dann nämlich auch “die natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft”. Diese Idee geht mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Kappe von Anneliese Kitzmüller, der einzigen Frau im rechten FPÖ-Team, das das Regierungsprogramm ausverhandelt hat. Die selbe Formulierung findet sich nämlich auch schon im FPÖ Wahlprogramm 2017, als Kitzmüller noch Familiensprecherin war. Nun ist sie dritte Präsidentin des österreichischen Nationalrats. Nebenbei ist sie noch in zwei Mädelschaften organisiert: Als stellvertretenden “Obfrau” (Stand 01.2018) bei der “akademischen Mädelschaft Iduna zu Linz” und als „Hohe Damenobfrau“ bei der  „Pennalen Mädelschaft Sigrid zu Wien“. Goetz betont, dass diese Verbindungen kein billiger Burschenschafter-Abklatsch seien, sondern eindeutige Elemente deutschnationaler und völkischer Ideologie aufweisen. Mädelschaften können also - wen wundert’s - genauso rechts und gefährlich sein wie Burschenschaften.

 

Versteckt ist die rechte Ideologie nicht. So zeigt das Facebook-Banner der “Iduna zu Linz” blaue Kornblumen. Die Kornblume war sonst das Symbol der antisemitischen und deutsch-nationalen Schönerer-Bewegung und diente den österreichischen Nazis in den Dreißiger Jahren als geheimes Erkennungszeichen - und ist bis heute bei der FPÖ äußerst beliebt. Auch die völkischen Bezüge sind auf der Facebook-Seite deutlich erkennbar. Zu Weihnachten wurde eine Kugel mit einem Irmisul gepostet - ein beliebtes Symbol mit heidnisch-germanischen Bezügen der extremen Rechten. Auch beim völkischen Verein “Artgemeinschaft” wird der Irmisul gerne verwendet. Unter dem weihnachtlichen Facebookpost steht dann passenderweise “Wir wünschen ein schönes Julfest”. Die Ablehnung christlicher Feiertage ist ebenfalls charakteristisch für völkisch-heidnische Ideologie. Schließlich wollten die Nationalsozialist*innen Weihnachten durch das Julfest ersetzen. Der grassierende rechte Antifeminismus im Regierungsprogramm ist also nicht verwunderlich. Und Kitzmüller ist leider nur eine von vielen. Die Verbindungen und personellen Überschneidungen zwischen FPÖ und Burschenschaftern sind besonders eng.

 

"Ein schönes Julfest" wünscht die Mädelschaft Quelle: Screenshot Facebook

 

Spannend wird es für die homofeindliche Regierung 2019. Natürlich positionierten sich FPÖ und ÖVP im Wahlkampf deutlich gegen die Homoehe, oder gegen „linke Regenbogenträume“, wie Kitzmüller 2013 einen Antrag zur Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren bei der Adoption bezeichnete. Strache betonte im Wahlkampf, dass durch die Homoehe “Familienstrukturen aufweichen” und auf  “Dauer zerstör[t]” würden. Und für Kurz sei Diskriminierung schon durch die Möglichkeit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft “beseitigt worden”. Durch eine Entscheidung des Höchstgerichts muss die “Ehe für alle” allerdings ab 01.01.2019 in Österreich umgesetzt werden. Dieses Urteil muss von der Regierung respektiert werden.

 

“Chance für Allianzen”

 

“Bei aller Tragik - diese Angriffe auf den Feminismus bilden auch Chancen für Allianzen, in denen das Verbindende über das Trennende gestellt wird”, betont Goetz. So sei eine feministische Kritik zu einem zentralen Bestandteil an der Kritik der türkis-blauen Regierung geworden. Und auch Susemichel sagt, dass es jetzt besonders wichtig sei, Synergien zu nutzen um den Gegendiskurs gemeinsam aufrecht zu erhalten. ”Auch wenn die Ressourcen immer knapper werden, darf der Widerstand jetzt nicht zerbröseln”. Das im Oktober stattfindende Frauenvolksbegehren ist schonmal ein gelungenes Beispiel für feministische Vernetzung und gemeinsamen Widerstand. Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß wird das Frauenvolksbegehren natürlich nicht unterzeichnen.

 

Zum Weiterlesen:

 

Mädelsache Deutschnationalismus” von Judith Goetz

"Die (Anti-)Gender-Politik der türkis-blauen Regierung" von Judith Goetz

Straches stramme Mädel” von Karin Stoegner

 

 

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