Wer in seiner Freizeit Fußball spielt, hat das vielleicht auch schon einmal erlebt: Ein Gespräch nach einer Niederlage endet in rassistischen Äußerungen über einen Gegenspieler, Neonazis tauchen auf der Vereinsfeier auf. Was ist schiefgelaufen? Gedanken eines Freizeit-Kickers.
Von Julius Hermann
Der Fußballverein, mehr als nur eine Sportmannschaft
Viele Fußballvereine beispielsweise auf dem Land sind vor allem für Jugendliche einer der wenigen Orte, an denen man sich mit Gleichgesinnten treffen kann. Dies schafft ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Also von Werten, die gerade in Krisenzeiten einen hohen Stellenwert genießen. So wird die Fußballmannschaft zu einem Ort, an dem jeder eine bestimmte Position einnehmen kann und somit weiß "wer er ist " beziehungsweise, "was man von ihm erwarten kann". Der Fußball ist somit mehr als ein Freizeitangebot, das soziale Verbindungen schafft. Er erzeugt auch selbstbewusste Persönlichkeiten. Doch natürlich gibt es auch hier zwei Seiten einer Medaille.
Auch Witze haben ihre Grenzen
Denn: der eingeschworene Raum einer Mannschaft bietet auch Platz für diskriminierende Äußerungen, die vom "Herrenwitz" bis zur rassistischen Beleidigungen reichen können. So kann es dann schon auch mal geschehen, dass sich folgende Dialoge entwickeln. Nach einem Spiel wirft Spieler 1 in die Runde: "So einen Schwarzen, wie den aus der anderen Mannschaft bräuchten wir auch". Spieler 2 daraufhin: "Wir könnten uns einen kommen lassen, quasi als 1 €-Jobber". Abschließend ergänzt Spieler 1 noch: "Ja und wenn er nicht gut spielt, dann drohen wir ihn zurück zu schicken". Fast hat man hier den Eindruck, dass sich der anfangs vielleicht spaßig gemeinte Kommentar zu einer Art Wettkampf gewandelt hat- nach dem Motto: Wer schafft es, die Geschmacklosigkeit noch zu überbieten? Hat sich hier der Geist des Wettbewerbs, des Kampfes auf dem Platz, vom Spielfeld in die Umkleidekabine transferiert und wird mittels derartiger Kommentare fortgeführt? Vielleicht aus Frust über eine Niederlage? Eigentlich egal, denn zweifelsohne ist hier die Grenze zum Rassismus überschritten, denn diese Sprüche gehen nicht mehr unter dem Etikett "harmloses Herumscherzen" oder als "Kette schlechter Witze" in einer eingeschworenen Gruppe, in der "jeder den anderen kennt" und deshalb weiß, dass das nicht so gemeint ist, durch.
Feiern mit Nazis, wie kann das passieren?
Neben dem Training und den Pflichtspielen am Wochenende, ist eine Fußballmannschaft zum größten Teil auch eine Gruppe von Gleichgesinnten. Man verbringt Freizeit miteinander, oder geht gemeinsam feiern. Man freut sich sehr, wenn die Mannschaft Sylvester-Partys, Geburtstagsfeiern oder Aufstiegsfeiern organisiert. Denn das heißt: ausgelassen mit Freunden und Kameraden feiern, auf das neue Jahr oder auf den Saisonerfolg anstoßen. Doch was tun, wenn plötzlich eine Gruppe von vier Figuren mit Glatze und Bomberjacke auf der Feier auftaucht? Das Problem: mit einem dieser Nazis ist man vielleicht auf die gleiche Schule oder sogar in die gleiche Klasse gegangen, man kennt sich eben persönlich auf dem Lande. Um Ärger zu vermeiden, wird die rechte Gruppe deshalb vielleicht nicht gleich rausgeworfen, und so mischen sich die Rechten unter die ansonsten sehr harmonische Gruppe der ausgelassen feiernden jungen Leute. Doch schnell wird klar, dass man den Ärger nur auf einen späteren Moment verschoben hat: Es kommt zu "Sieg-Heil-Rufen" aus der rechten Gruppe, denen sich erschreckenderweise sogar einige aus der Menschenmenge anschließen, wohl auch wegen des hohen Alkoholkonsums. Nur Spaß oder billige Provokation, auf die man gar nicht eingehen sollte? Nein, denn: Solche Erfahrungen nerven nicht nur - hier ist auch eine Grenze deutlich überschritten und eine eigentlich schöne Feier endet so im Desaster.
Gemeinschaft und Verantwortung machen stark
Wir Fußballer spielen nicht, weil das politisch (zum Glück) so gewollt ist, sondern weil wir Spaß mit unseren Kameraden haben wollen und uns im Wettkampf auf dem Platz mit anderen messen wollen. Sicher ist der Begriff der Kameradschaft stark durch die Nazis vergiftet worden. Doch für uns bedeutet Kameradschaft etwas ganz anderes. Für ein Fußballspiel braucht es immer auch eine andere Mannschaft, dabei sollte aber die Betonung nicht auf dem Gegeneinander liegen, sondern auf dem Miteinander-Fußball-Spielen. Das Gemeinschaftsgefühl einer Mannschaft und eine tolerante Haltung gegenüber anderen, sollten dazu dienen, sich gegen Nazis zu stellen, die doch letztlich nur Ärger verursachen, den keiner braucht. Man möchte seine Freizeit schließlich mit schönen Momenten verbringen. Jeder ist gefragt, wenn es innerhalb seiner Mannschaft zu Unterhaltungen kommt, die den Rahmen einer witzigen Atmosphäre verlassen. Man kann versuchen, so eine Unterhaltung zu unterbinden, indem man selber keinen Beitrag zu ihr liefert, indem man also demonstrativ schweigt. Oder aber man weist deutlich darauf hin, dass man mit diesem oder jenem Kommentar nicht einverstanden ist. Gerade unter Kameraden muss dies doch möglich sein! Und wenn Neonazis zu einer Klubveranstaltung kommen, sollte man gerade auch als Team geschlossen auftreten und die Störenfriede gar nicht erst rein lassen. Das bedeutet für uns Fußballer, neben dem Wissen, dass geteiltes Leid nun mal halbes Leid ist und geteilte Freude doppelte Freude,Kameradschaft. Dies ist aber auch ein Appell an die Verantwortung, die jeder übernehmen sollte. Schließlich nimmt man diese ja auch war, wenn man regelmäßig zum Training erscheint, pünktlich zum Anpfiff da ist und bei einem Spiel alles gibt. Für die Mannschaft. Das ist Sportsgeist im positiven Sinne.