EUROPA RECHTSAUßEN: Die Verbreitung von Antisemitismus und Rassismus in Ungarn wächst und leider spiegelt sich diese Entwicklung auch im ungarischen Fußball wider. Vor allem die Fans des Budapester Klubs Honvéd schwimmen dabei im rechten Strom.
Von Juliana Hilf
UEFA straft Honvéd
"Budapest Honvéd hat sich des ungebührlichen Verhaltens seiner Anhänger (Artikel 14DR) schuldig gemacht – rassistisches Benehmen und rassistische Gesänge. Die ungarische Mannschaft muss ihre nächste Heimpartie hinter verschlossenen Türen austragen. Die Kontroll- und Disziplinarkammer hat außerdem entschieden, die ausgesetzte Strafe gegen Honvéd vom 22. August 2008 wieder in Kraft zu setzen, nach der ein Spiel hinter verschlossenen Türen auf Bewährung ausgesetzt wurde. Die CDB (Kontroll- und Disziplinarkammer der UEFA, A.d.R.) wies Honvéd an, ein zusätzliches Spiel hinter verschlossenen Türen zu bestreiten. Außerdem muss der Verein 50 000 Euro Strafe zahlen." So lautet der Text der Straferklärung der UEFA, die sich auf Vorfälle während des Europa-League-Qualifikationsspiels des ungarischen Vereins gegen den serbischen Klub FK Vojvodina am 18. Juli 2013 bezieht. Leider gehört "rassistisches Benehmen" von Fußballfans in Ungarn dabei fast schon zum traurigen Alltag. Und so lassen sich in den letzten Jahren unzählige entsprechende Berichte finden. Nicht nur, aber vor allem Honvéd Budapest betreffend, einem der erfolgreichsten ungarischen Vereine. Und: Wiederholungstäter in Sachen Rechtsextremismus und Rassismus.
Immer wieder Nazi-Symbole
Die in der Erklärung der UEFA erwähnte Strafe vom 22. August 2008 bezieht sich beispielsweise auf zwei Spiele im Juli 2008 gegen Sturm Graz, bei denen die ungarischen Fans das Waffen-SS-Symbol und große Keltenkreuze zur Schau stellten. Unzählige Hitlergrüße waren ebenfalls zu sehen. Außerdem sollen bei der Partie in Budapest Security-Angestellte gearbeitet haben, die mit rechtsradikalen Symbolen tätowiert waren und Schweizer Fans mit Sprüchen wie "Du Jude" beleidigt haben sollen. Besonders schlimm: All das geschah auf den Stadiontribünen, während die Mannschaftskapitäne auf dem Rasen Binden mit dem Spruch "Unite Against Racism" trugen. Außerdem wurden im Stadion Flyer verteilt, auf denen in mehreren Sprachen zu lesen war: "Wir unterscheiden nicht zwischen schwarz und weiß, wir tun uns zusammen!" Auch bei Spielen gegen deutsche Klubs fielen die Honvéd-Fans schon negativ auf – zum Beispiel im August 2007, als sie während eines UEFA-Cup-Spiels gegen den HSV Transparente mit dem Emblem der NS-Jugendorganisation "Deutsches Jungvolk" und andere rechtsextreme Symbole zeigten. Auch das Zeichen der "Werwolf-Organisation" (Untergrund-Staffel der Waffen SS) tauchte hier und danach über Jahre hinweg in vielen Budapester Fankurven auf.
Vereinsführung streitet alles ab
Obwohl die UEFA mit heftigen Strafen auf solches Verhalten reagierte, zeigte sich die Klubführung von Honvéd bislang uneinsichtig und stritt jegliche Zusammenhänge mit Rassismus und Nazi-Symbolik ab. Auch europaweite Kampagnen gegen Rassismus, die in vielen Ländern durchaus erfolgreich sind und Vereine, Spieler und Fußballbegeisterte zum Engagement animieren, stoßen bei vielen ungarischen Klubs und Fans auf Ignoranz und Ablehnung. Was bei dem politischen Klima, das mittlerweile in Ungarn herrscht, vielleicht auch nicht weiter verwundert. Denn: Betrachtet man die politischen Hintergründe, so muss man erkennen, dass rechte Fußballfans in Ungarn keineswegs Exoten sind.
Rechte Partei in Ungarn gestärkt
So ist die rechtsextreme Partei "Jobbik" die drittstärkste Kraft in Ungarn: 2010 zog sie mit knapp 17 Prozent erstmals ins ungarische Parlament ein. Die "Jobbik" propagiert Antisemitismus, Antiisraelismus und Antiziganismus. Viele Anhängerinnen und Anhänger dieser völkisch-nationalistischen Partei, nicht wenige von ihnen sind Studierende, demonstrieren regelmäßig – beispielsweise gegen Juden, die der "Jobbik"-Politiker Márton Gyöngyösi auch schon als "Sicherheitsrisiko" bezeichnet hat. Besonders skandalös waren dabei die Proteste im Mai dieses Jahres gegen die Jahresversammlung des jüdischen Weltkongresses in Budapest. Dort waren von Seiten der rund 1.000 "Jobbik"-Anhänger antisemitische Parolen zu hören und auch die anti-israelischen Verschwörungstheorien des "Jobbik"-Chefs Gabor Vona wurden auf der Kundgebung vom Publikum bejubelt. Die Jahresversammlung des jüdischen Weltkongresses findet eigentlich in Jerusalem statt und wurde in diesem Jahr extra nach Budapest verlegt, um auf den wachsenden Antisemitismus in Ungarn aufmerksam zu machen. Die ungarische Regierung distanziert sich noch viel zu zögerlich von den rechtsextremen und antisemitischen Äußerungen der "Jobbik"-Partei. Und: Von den größeren Parteien sind hin und wieder rechtslastige Aussagen zu hören.
Gesellschaftliche Normalität?
Die Rechtslastigkeit der ungarischen Öffentlichkeit wird auch deutlich, wenn man auf weitere jüngere Vorkommnisse schaut: Im März 2013 wurde beispielsweise ein Fernsehmoderator ausgezeichnet, obwohl dieser zuvor Roma als "Menschenaffen" bezeichnet hatte. Und auch der Sänger der Rockband "Karpatia", die in enger Verbindung zur "Jobbik"-Partei steht, bekam eine Auszeichnung: das "goldene Verdienstkreuz". In ihren Texten rufen "Karpatia" unter anderem zur gewaltsamen Veränderung der ungarischen Grenze auf und preisen die "unbefleckte Nation". Außerdem schufen Band-Mitglieder den Marsch für die paramilitärische "Ungarische Garde", die inzwischen verboten ist.
In diesem Jahr bewirbt sich Ungarn für die Fußball-Europameisterschaft 2020. Wohl auch als Reaktion auf diese Bewerbung machte UEFA-Präsident Michel Platini deutlich, wie wichtig Anti-Rassismus und entsprechende Aktionen im Rahmen eines solchen Sportevents sind. Sowohl der Präsident des ungarischen Fußballverbandes, Sándor Csányi, als auch der fußballbegeisterte Ministerpräsident Viktor Orbán stimmten dieser Aussage zu. Inwieweit die beiden und die vielen ungarischen Fußballfans wirklich hinter diesem demokratischen und liberalen Gedanken stehen, wird die Zukunft zeigen.
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