Letzten Sonntag ging in Berlin das sechstägige Frauen-Fußball-Festival "Discover Football" zu Ende. Es wurde nicht nur Fußball gespielt, sondern auch viel diskutiert- beispielsweise über Frauenrechte, Fußball und gesellschaftliche Umbrüche.
Von Julius Hermann
Die Wichtigkeit einer solchen alternativen "Weltmeisterschaft" kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, denn für die Teilnehmerinnen geht es um viel mehr als nur um Spaß am Spiel. Laut Soleen Alzoubi vom "Jordan Orthodox Club" aus Amman beispielsweise war es in ihrem Land ein harter Kampf, überhaupt das Recht zu bekommen, als Frau Fußball spielen zu dürfen. Auch die Mannschaft des "DFC Kreuzberg" hat sich nicht nur gegründet, um Mädchen und Frauen den Wunsch zu erfüllen, ihrer Fußballleidenschaft nachkommen zu können. Damit dieser Wunsch nicht schon am Finanziellen scheitert, zahlt jedes Mitglied einen "Solidaritätsbeitrag". Außerdem wird der Verein autark gemanagt, um selber Entscheidungen treffen zu können und um nicht durch die ansonsten männlich dominierten Klubs bevormundet zu werden. Und so hat jedes weitere der teilnehmenden Teams seine ganz eigene Geschichte
Wohl auch aus Interesse an diesen Geschichten fanden sich am Sonntag-Nachmittag trotz der sengenden Hitze zahlreiche Interessierte zur Diskussion zum Thema "Frauenrechte, Fußball und gesellschaftliche Umbrüche" ein. Auf dem Podium saßen Vertreterinnen vom "DFC Kreuzberg" und der Fußball-Akademie "GFA" aus dem Libanon. Dabei wurde deutlich, dass es in Deutschland weniger die strukturellen Probleme, wie die Gründung von Vereinen oder die Organisation von Spielfeldern sind, die sich dem Frauenfußball in den Weg stellen. Vielmehr sei es der Mangel an gesellschaftlicher Akzeptanz, der in der Bundesrepublik immer noch weit verbreitet sei, so die Vertreterin des "DFC Kreuzberg". Denn: Zwar habe sich der Blickwinkel der Gesellschaft seit der Frauen-WM im eigenen Land gewandelt, doch trotzdem fehle es nach wie vor an Öffentlichkeit. Gerade bei der diesjährigen EM habe man beobachten können, wie sich Funktionäre im Licht der erfolgreichen Nationalmannschaft sonnten - doch im Bereich der Vereine stagniere die Entwicklung und es gebe hier eine "riesige Lücke zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Realität".
Auch das Ziel der Fußball-Akademie "GFA" aus dem Libanon ist eigentlich simpel: Mädchen und Frauen soll es ermöglicht werden, Fußball zu spielen und ihr Talent auszubauen. Allerdings sehen sich die Organisatoren der Akademie massiven strukturellen Problemen ausgesetzt – beispielsweise bei der Beschaffung von finanziellen Mitteln und bei der Findung von Sponsoren, wie die Vertreterin der Akademie berichtete. Das patriarchale Weltbild beeinflusse dabei stark den mangelnden Respekt und die gesellschaftliche Akzeptanz des Frauenfußballs. Auch an Öffentlichkeit fehle es der Akademie- so gestalte sich die Gewinnung neuer Spielerinnen schwierig, weil viele Interessentinnen gar nichts von einer Fußballschule für Frauen wüssten. "GFA" ist ein junges Projekt, das vor einem Jahr und 10 Monaten ins Leben gerufen wurde.
Einig waren sich die Vertreterinnen auf dem Podium, dass es ein grundsätzliches Ziel des Frauenfußballs sein muss, Unabhängigkeit zu erlangen. Für Deutschland heißt dies, dass sich Vereine, in denen Mädchen und Frauen kicken, selbstständig machen müssen. Dies sei wünschenswert, weil sich daraus auch zunehmender Respekt für die Leistung der Mädchen und Frauen entwickeln würde. Dass dies möglich ist, habe auch das Beispiel Männerfußball gezeigt, denn auch dieser sei aus Interessengemeinschaften entstanden. Im Libanon bedeutet Unabhängigkeit vor allem die Unabhängigkeit von der nationalen Fußballföderation, aus deren Umklammerung man sich befreien müsse, so die Vertreterin der "GFA". Ein weiterer Schritt wäre dann die Gründung einer eigenen Liga. Finanziert würde diese durch einen gemeinsamen Topf, in den jedes Team einzahlen und aus dem am Ende der Saison das gesammelte Geld anteilig verteilt würde. Doch soweit ist man noch lange nicht. Und so kam auf die Frage, was man denn in den nächsten 10 Jahren erreicht haben möchte, die Antwort: "Dass die Gespräche mit Föderation und mit der FIFA endlich zu einem Ergebnis führen, denn es hat sich seit dem Beginn der Gespräche vor 10 Jahren nichts getan".
Allein dieser Tag hat gezeigt, wie wichtig der Dialog und Events wie "Discover Football" sind, um Probleme überhaupt erst einmal zu thematisieren. Leider war die Zeit zu kurz, um all die spannenden Themen, die an diesem Tag angerissen wurden, wirklich zu vertiefen. Und am Nachmittag lockte auch noch das Finale der Frauen-Fußball-Europameisterschaft, das gemeinsam auf dem Festival-Gelände geguckt wurde. Doch man freut sich jetzt schon auf das nächste Mal, denn wie sagt man so schön: Es gibt immer einen Grund, wieder zu kommen.
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