Ultras von Dynamo Kiew zeigen sich auf ihrem Blog mit dem bei Rechtsextremisten beliebten Keltenkreuz.
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Rechtsextreme Ultras in der ukrainischen Protestbewegung

Die Demonstrationen in der Ukraine haben sich in den letzten Tagen zunehmend radikalisiert. Einige Beobachter sehen das Land gar am Rande eines Bürgerkriegs. Unter den militanten Protestierenden befinden sich auch viele rechtsextreme Ultras.

Von Jakob Rödl

Ultras spielen mittlerweile bei vielen politischen Protestbewegungen eine wichtige Rolle. Im Arabischen Frühling waren es Ultras des Fußballvereins al-Ahly, die die Demonstrant*innen auf dem Tahrir-Platz in Kairo gegen Polizei und Schlägertrupps verteidigten. Bei den Protesten rund um den Istanbuler Gezi-Park spielten die Ultras der großen Istanbuler Vereine, ausnahmsweise an einem Strang ziehend, eine tragende Rolle. Auch innerhalb der ukrainischen Protestbewegung scheinen radikale Fußballfans eine starke Fraktion zu stellen. Wer sind diese jungen Männer, denen die Radikalisierung des Protests zugeschrieben wird?

Bei der ukrainischen Oppositionsbewegung handelt es sich keineswegs um eine homogene Bewegung. Neben Vitali Klitschkos Partei UDAR und Julia Timoschenkos Batkiwschtschyna hat sich auch die rechtsextreme Swoboda-Partei den Protesten gegen das Regime von Viktor Janukowitsch angeschlossen.

Swoboda ging 2004 aus der rechtsradikalen Gruppierung "Sozial-Nationale Partei" hervor und bezieht sich historisch auf die Organisation Unabhängiger Nationalisten und deren bewaffneten Arm UPA. Der politische Anführer der UPA war Stepan Bandera. 1941 soll er ein Massaker an Jüd*innen und Kommunist*innen zu verantworten haben. Unter der deutschen Besatzung ließen sich außerdem viele Männer aus Banderas Umfeld für die SS-Division Galizien rekrutieren.

Die Ultranationalisten von Swoboda haben auch Verbindungen zur deutschen NPD. 2013 schickten die Ukrainer eine Abordnung zur NPD-Fraktion im sächsischen Landtag. Auf europäischer Ebene ist Swoboda durch die Mitgliedschaft in der „Allianz der Europäischen nationalen Bewegungen“ unter anderem mit der British National Party oder der französischen Front National vernetzt.

Der militante Arm der Swoboda bei den Protesten speist sich zum großen Teil aus gewaltbereiten Fußballfans. Auf dem Kiewer Maidan handelt es sich vor allem um Ultras von Dynamo Kiew, die für ihre rechtsextreme Einstellung bekannt sind. Die Dynamo-Ultras kennen sich aus mit Straßenkämpfen und auch mit der Gegend rund um den Maidan, den sie schon oft als Platz für ihre Fanaufmärsche genutzt haben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind es sie, die für die Radikalisierung der Proteste verantwortlich sind.

Die Anti-Regierungs-Proteste haben sich mittlerweile auch auf Orte in der West-Ukraine ausgebreitet. Auch hier, zum Beispiel in Lwiw (Lemberg), werden die militanten Proteste mit von rechtsextremen Fußballfans getragen. Auch die Ultras von Karpaty Lwiw sind offen rassistisch. In ihre Kurve, über welche sie das Ticketmonopol besitzen, lassen sie nur weiße Ukrainer*innen. Regelmäßig zeigen sie Choreografien mit Stepan Bandera, den Ultranationalisten und Kriegsverbrecher auf den sich auch Swoboda beruft. Mit einer Choreografie huldigten sie einst gar der SS-Division Galizien.

Generell hat der ukrainische Liga-Fußball, dessen Klubs quasi ausnahmslos im Besitz von Oligarchen sind, ein Problem mit rechtsextremen Fangruppierungen. Nahezu alle Ultra-Gruppen lassen sich dem rechten bis rechtsextremen Spektrum zuordnen. Einzige Ausnahme sind die Ultras von Arsenal Kiew, die sich offen links positionieren. Aufgrund ihrer anti-rassistischen Haltung sind sie das Feindbild der rechtsextremen Ultras und Hooligans der anderen Vereine. Auswährtsfahrten sind für die Arsenal-Ultras so stets ein lebensgefährliches Unterfangen.

Die rechtsextremen Ultras teilen keineswegs die gleichen Ziele wie die Pro-Europäer rund um Klitschko und Co. Sie scheinen nach dem Motto "Der Feind meines Feindes ist mein Freund" zu agieren. So hassen zwar auch die Rechtsextremen Janukowitsch und sein Regime, aber sie sind keineswegs für Demokratie und eine Annäherung an die EU. Vielmehr wollen die rechten Ultras, die sich als Teil eines "Nationalen Widerstandes" begreifen, einen nationalistischen ukrainischen Staat. Hinzu kommt, dass die Proteste ihnen die Möglichkeit geben, gegen ihr klassisches Feindbild "Polizei" gewaltsam vorzugehen.

Vitali Klitschko scheint keinerlei Einfluss auf diese Rechtsextremen zu haben. Was aus den gewaltbereiten Nationalisten und ihrem parlamentarischen Arm der Swoboda nach einem möglichen Umsturz werden wird, ist die entscheidende Frage. Zumindest mit der offen rassistisch und antisemitisch auftretenden Swoboda zeigt Klitschko aktuell keinerlei Berührungsängste. Viele europäische Kommentator*innen scheinen die Heterogenität der ukrainischen Protestbewegung auszublenden. Auch wenn man gerne einen pro-europäischen Klitschko an der Spitze einer neuen ukrainischen Regierung hätte, darf nicht übersehen werden, mit welchen gefährlichen Gruppierungen er sich momentan in einem (Zweck-)Bündnis befindet.

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