Beim Spiel 1. FC Lokomotive Leipzig gegen SV Babelsberg 03 im August 2013 versuchten einzelne Lok-Anhänger einen Platzsturm. Andere machten mit Neonazi-Parolen und Hitlergrüßen auf sich aufmerksam.
Presseservice Rathenow

“Scenario Lok” legt sein Label ad acta

"Scenario Lok" hat sich aufgelöst. Nach neun Jahren Existenz packt die rechte und gewaltaffine Fangruppe des 1. FC Lok Leipzig die Koffer. Oder besser gesagt: Sie packt ihr Label ein, das für ihr Fan-Dasein beim 1. FC Lok in letzter Zeit immer hinderlicher wurde.

Von Juliane Nagel

Nachdem der Vereinsvorstand „Scenario Lok“ (SL) aufgrund der Beteiligung an Ausschreitungen und Nazi-Allüren beim Spiel gegen den SV Babelsberg 03 im Juli 2013 ein Auftritts- und Erscheinungsverbot sowohl für die Heimspiele als auch für die Auswärtsspiele des 1. FC Lok erteilte und dies nach einem Jahr verlängerte, brodelte es in den SL-Reihen. In den vergangenen Monaten kam es zu diversen Anschlägen – auf die Geschäftsstelle, die von Fans sanierte Trainingshalle und Autos von Verein und Präsidiumsmitgliedern. Bei einem der Vorfälle hinterließen die TäterInnen den Spruch “Scenario, wir lassen uns nicht verbieten”. Die Urheberschaft dieser Ausfälle werden dem Scenario zugeschrieben, was deren Standing in der Fanschaft nicht gerade verbesserte.

In ihrer Auflösungserklärung wird sodann auch kräftig gejammert: “Uns wurden Sachen zur Last gelegt, ohne wirkliche Beweise! Es wurden Unterstellungen gemacht, ohne wirklich zu argumentieren und diese zu hinterlegen.“

Die zeitliche Nähe zwischen Zerstörungs- und Bedrohungsaktionen sowie die hinterlassenen Spuren werden von der Fangruppierung, die auch der Verfassungsschutz als neonazistisch einstuft, geflissentlich außer Acht gelassen. Dies würde die eigene Opferrolle in Frage stellen.

Gleichzeitig macht “Scenario Lok“ in seiner Auflösungserklärung unmissverständlich deutlich, dass dem Verein nicht der Rücken gekehrt werden soll. “Es geht um unsere gemeinsame Liebe – unseren FC Lok! Für unsere Farben und für die Tradition! Blau und Gelb ein Leben lang!“ heißt es dort.

Im Fanblock von Lok Leipzig fanden sich laut Gamma.noblogs wieder einige bekannte Neonazis, wie Oliver Oelzke aus Berlin (streckt den rechten Arm). Bildquelle: Presseservice Rathenow. 

Fakt ist also, dass die Scenario-Mitglieder entweder als freie Atome in der Fanschaft aktiv bleiben oder sich anderen Fangruppen zuordnen. Hier rücken die gelegentlich als Nachwuchs von SL gewertete Ultra-Gruppierung “Gauner Lok“ sowie die “unpolitische Gruppe“ “Lipsia Pride“ ins Visier. “Gauner“ hatte sich in den vergangenen Wochen mit Choreografien mehrfach mit “Scenario“ solidarisiert, zudem soll der ehemalige Capo und JN-Aktivist Marcus W. inzwischen zu den “Gaunern“ gewechselt sein. Mit “Lipsia Pride“ verbindet “Scenario“ die Trauer um den 2011 verstorbenen F., der dem Umfeld von SL zugeordnet werden konnte.

Es bleibt also weiter spannend in der Fanschaft des 1. FC Lok. Der Verein scheint sich den Ambitionen rechtsorientierter Fans trotz diverser richtiger Maßnahmen nicht entziehen zu können. Dass die für das Spiel Lok gegen Cottbus am 1.11.2014 angekündigte Abschiedschoreographie von Scenario ausblieb, darf nicht als Zeichen der Entspannung gewertet werden.

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