Das Foto wurde 2007 bei Fanausschreitungen in Dresden gemacht. Gewaltbereite Dresdner Fans sind gerade dabei, Steine auf Fans von Lok Leipzig zu werfen.
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Rechte Gruppe "Hooligans Elbflorenz" als kriminelle Vereinigung verboten

Gestern entschied der Bundesgerichtshof, dass gewaltbereite Hooligangruppen als kriminelle Vereinigung eingestuft werden können. Sie wies damit die Berufung von fünf Männern aus Dresden zurück, die aufgrund ihrer Betätigung in der als kriminelle Vereinigung verbotenen Gruppe "Hooligans Elbflorenz" vom Landgericht Dresden verurteilt worden waren. Diese Gruppe wurde auch für Überfälle auf türkische Geschäfte in Dresden im Sommer 2008 verantwortlich gemacht – die Beteiligung der einzelnen Angeklagten sah der BGH aber nicht im gleichen Maße als erwiesen an, wie im vorinstanzlichen Urteil. Update 01.02.2015: seit dem Urteil lösten sich erste Hooligangruppen, wie die rechte Gruppe "Standarte Bremen", auf. Bremens Innensenator will die Gruppe trotzdem überprüfen lassen, weil die möglichen Strafen noch nicht verjährt seien. 

Von Lina Morgenstern

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern ein Urteil bestätigt, laut dem die Gruppe "Hooligans Elbflorenz" von Dynamo Dresden als kriminelle Vereinigung nach Paragraf 129 verboten wurde. Der BGH bestätigte damit weitgehend die Urteile gegen fünf Angeklagte, die das Landgericht Dresden wegen Mitgliedschaft der kriminellen Vereinigung, teilweise in Tateinheit mit schwerem Landfriedensbruch und mit gefährlicher Körperverletzung auf Freiheits- bzw. Geldstrafen verurteilt hatte. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren die Angeklagten Rädelsführer bzw. Mitglieder der in Dresden ansässigen Gruppierung von Hooligans, die im zeitlichen und räumlichen Umfeld von Fußballspielen des Vereins Dynamo Dresden, aber auch unabhängig davon an anderen Orten, Kämpfe gegen andere Hooligans ausfochten, zu denen sich die Gruppierungen zumeist vorher verabredet hatten. Diese sogenannten Drittortauseinandersetzungen beurteilt das BGH als sittenwidrige und somit strafbare Verabredung zur Massenschlägerei. Das Gericht schaffte damit einen Präzedenzfall, nachdem gewaltbereite Hooligan-Gruppen als kriminelle Vereinigung eingestuft und ihre Mitglieder damit härter als bislang bestraft werden können.

Rassistischer Überfall auf türkische Geschäfte in Dresden 2008

Zur Last gelegt wurde den Angeklagten auch ein Überfall auf türkische Geschäfte nach einem Europameisterschaftsspiel 2008 zwischen Deutschland und der Türkei. Der Überfall auf die türkischen Gastronomiebetriebe kann nach Ansicht des BGH den einzelnen Mitgliedern von "Hooligans Elbflorenz" nicht zugerechnet werden. Die Ermittlungen 2008 waren von Pannen geprägt, wie dass Überwachungskameras in der Dresdner Neustadt, die zur Gefahrenabwehr eingesetzt werden, zum Tatzeitpunkt ausgeschaltet waren. Trotzdem wurden damals zwei Tatverdächtige festgenommen, unter ihnen Willy K., ein vorbestrafter Gewalttäter mit guten Verbindungen zur rechtsextremen Szene. Im Juli 2008 erklärte Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius dazu: "Wir haben einen vertraulichen Hinweis aus der Hooligan-Szene erhalten. Fest steht, das war keine spontane Zusammenrottung. Ziel der Täter war es, durch eine ausländerfeindliche Tat Unruhe zu stiften. Sie wollten die Dresdner und die Ausländer einschüchtern. Wer so etwas macht, muss rechtsradikal sein."

Das Verfahren wurde nun vom BGH gegen zwei Angeklagte eingestellt; hinsichtlich eines weiteren Angeklagten wurde der Schuldspruch vom Landgericht Dresden auf Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung geändert. Für diese drei Angeklagten muss wegen des verbleibenden geringeren Schuldumfangs die Strafe neu zugemessen werden. Alle Angeklagten wurden aber aufgrund der Vorkommnisse, die der kriminellen Vereinigung "Hooligans Elbflorenz" zugeordnet werden können, wegen schweren Landfriedensbruchs verurteilt.

"Hooligans Elbflorenz" – kriminelle Vereinigung ohne feste Gruppenstruktur?

Seit 2011 verhandelte das Landgericht Dresden gegen die Gruppe "Hooligans Elbflorenz". In 92 Verhandlungstagen wies die Dresdner Staatsanwaltschaft nach, dass "zwischen Ende 2007 und Ende 2009 eine straff organisierte Gruppierung um den Hauptangeklagten L. bestand, die darauf ausgerichtet war, eine Vormachtstellung in der gewaltbereiten Hooliganszene im Großraum Dresden zu erlangen". Die Gruppe soll darüber hinaus Kontakte zu rechtsradikalen Personen gepflegt haben. Dass es je eine feste Gruppe gab, bestritten die Angeklagten bis zuletzt. Zwar gaben mehrere Personen die zu den "Hooligans Elbflorenz" gehören sollen, dem Journalisten Veit Pätzug ein Interview für ein Buch über Dynamo Dresden Fans. In dem Interview berichten sie über ihre Hooliganaktivitäten und den Prozess. Aber sie betonten darin, dass "das große Gespenst ´Hooligans Elbflorenz´ im Grunde nur auf einer Fahne" basiert habe, jedoch nie eine feste Gruppe gewesen sei. Andererseits sprechen sie immer wieder von "der Gruppe", mit der sie auch regelmäßige Hooliganaktivitäten betrieben haben. Mittels Abhöraktionen, Hausdurchsuchungen und verdeckter Ermittlung konnten die Strafverfolgungsbehörden eine Vereinigung "Hooligans Elbflorenz" beweisen – nur die erwähnte Fahne wurde bis jetzt nicht gefunden. Während der Ermittlungen wurden jedoch einzelne Pannen der Dresdner Ermittlungsbehörden öffentlich. So ist bekannt, dass Gespräche der Angeklagten mit ihrem Rechtsanwalt abgehört wurden, was rechtswidrig ist.

Michael Nattke vom Kulturbüro Dresden, der den Prozess über lange Zeit verfolgt hat, begrüßt prinzipiell die Strafverfolgung gegen die Hooligans. Stellt aber trotzdem klar: "Mit der Verfolgung nach Paragraph 129 Strafgesetzbuch werden den Ermittlern unzählige Maßnahmen und Mittel zur Überwachung der Betroffenen in die Hand gegeben. Eine Verfolgung von Menschen nach diesem Paragraphen sollte außergewöhnlichen Hürden unterliegen, um die Freiheitsrechte und die Privatsphäre von Menschen zu schützen. Der Gesetzgeber ist gefordert an dieser Stelle entsprechende Maßnahmen zu ergreifen und die Hürden zur Anwendung des Gesetzes deutlich anzuheben." Eine Ausweitung der Definition einer kriminellen Vereinigung auf Hooligan-Zusammenhänge sieht er sehr kritisch, da die Verabredung zu den Schlägereien auf freiwilliger Basis sei. "Natürlich sollte eine angezeigte Körperverletzung oder ein tatsächlicher Landesfriedensbruch juristisch verfolgt werden, aber eben auf Grundlage der Straftat und nicht durch die Konstruktion einer angeblichen kriminellen Vereinigung."

"Free Willy" Transparente im Dynamo-Fanblock

2009 hatte Willy K. gestanden, zu den Überfällen auf die türkischen Geschäfte aufgerufen zu haben. 2013 wurde er aufgrund anderer Gewalttaten vom Amtsgericht Dresden zu drei Jahren Haft verurteilt, während der Hooligan-Prozess am Landgericht gegen ihn noch lief. Unter anderem hatte er einen Fußballfan des eigenen Vereins Dynamo Dresden bei einem Auswärtsspiel in Riesa zusammengeschlagen und dabei schwer verletzt. Willy K. ist ein stadtbekanntes Gesicht der Dresdner Naziszene. Seit er seine Haftstrafe verbüßte, hing im Dresdner Fanblock bei Heim- und Auswärtsspielen trotzdem immer eine "Free Willy" Fahne über dem Zaun. K. ist bekennender Dynamo-Fan und Hooligan, er hat in der Szene viele Freund*innen, die ihn unterstützten. Aus Kreisen des Fanprojekts Dresden war zu hören, dass dieses Transparent keine politische Positionierung der Ultras darstellen solle – nach Außen wird natürlich ein anderes Bild erzeugt. Im Interview mit Veit Pätzug sagte auch eines der mutmaßlichen "Hooligans Elbflorenz" Mitglieder, dass zwar nicht alle in der Gruppe, aber u.a. er ein "sozialer Nationalist" sei. In der Gruppe spiele politische Ideologie aber keine Rolle.

Auch im Prozess vor dem BGH spielte die politische Ausrichtung der Hooligangruppe nur eine untergeordnete Rolle. Im Deutschlandfunk schätzte Pätzug die Hooligans selbst ein: "National rechts. Das sagen die auch von sich, da tritt man denen auch nicht ins Kreuz, wenn man das so sagt." Martin Döring vom sächsischen Verfassungsschutz bestätigt diese Aussage in dem Radiofeature: "Hooligans als grundsätzlich gewaltgeneigte Fußballfans sind kein Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehören. Aber es ist in der Tat so, dass ein nicht unerheblicher Teil der Hooligans auch extremistisch positioniert ist und auch zum Teil Bestandteil von rechtsextremistischen Bestrebungen ist. Und dort, wo wir das erkennen, können wir natürlich auch rechtsextremistisch motivierte Hooligans beobachten."

Ähnliches zeigt sich seit vergangenem Jahr auch bei den Geschehnissen um die "Hooligans gegen Salafisten" sowie in der Unterstützung der Dresdner Hooligans für die rechtspopulistische Pegida-Bewegung. Hooligangruppierungen nun als kriminielle Vereinigungen einstufen zu können, erleichtert der Polizei eine Verfolgung der gewaltorientierten Fans. Die Dresdner Staatsanwaltschaft wird nun höchstwahrscheinlich Anklagen gegen weitere mutmaßliche Hooligans aus dem Umfeld von Dynamo Dresden erheben, um sie der kriminellen Vereinigung zuzuordnen. Ob sich das aktuelle Rassismusproblem auf den Straßen in Dresden und darüber hinaus so lösen lässt, bleibt zu bezweifeln. Ähnliches gilt für das Gewaltproblem bei Fußballspielen.  

 

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