Wie die Spieler trugen auch die Einlaufkinder beim Spiel gegen Cottbus das Trikot mit der Aufschrift "Love Dynamo – Hate Racism"
AG Asylsuchende

Ostderby gegen Rassismus

SG Dynamo Dresden –das assoziieren viele Menschen noch mit längst vergangenen Europapokalerfolgen oder mit Randalen in der jüngeren Vergangenheit. Dass sich die SGD seit einigen Jahren für mehr Toleranz und gegen Rassismus engagiert, ist weniger bekannt – und passt auch nicht zum Image des Vereins, das sich bundesweit festgesetzt hat. Am vergangenen Sonntag hat Dynamo Dresden beim Spiel gegen Energie Cottbus erneut gemeinsam mit seinen Fans ein Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung gesetzt.

Von Laura Piotrowski

Es ist Sonntagmittag und Dynamo Dresden spielt zu Hause gegen den Brandenburger Rivalen Energie Cottbus. In der Innenstadt fahren Polizeiwagen auf, Polizisten leiten teilweise den Verkehr um, kontrollieren einzelne Fahrzeuge. Mit der Straßenbahn kommt man aber zum Glück noch gut durch zum Hauptbahnhof. Denn hier soll es ein Treffen mit Mitgliedern der antirassistischen Faninitiative 1953international geben. Diese erwarten eine große Gruppe Flüchtlinge, die zurzeit in Pirna leben. Gemeinsam macht man sich dann auf den Weg zum Rudolf-Harbig-Stadion. Seit fast einem Jahr lädt die Faninitiative zusammen mit der AG Asylsuchende Pirna Flüchtlinge zum gemeinsamen Stadionbesuch ein. Mit dieser und mit anderen Aktionen soll ein Zeichen gegen menschenverachtende Asylpolitik gesetzt werden, auch ist den Fußballaktivisten der Kontakt zu den Flüchtlingen wichtig. "Wir wollen den Menschen eine Freude mit dem Spielbesuch machen. Aber wir möchten auch den Dresdnerinnen und Dresdnern Wissen über das Leben von Flüchtlingen hier vermitteln und Kontakte herstellen", erklärt Gerd* von 1953international.

Motto des Derbys: Love Dynamo, hate Racism

Gemeinsam am Stadion angekommen, sind alle ziemlich aufgeregt. Zum zweiten Mal stellt 1953international nun die Einlaufkinder für ein Heimspiel. Heute ist die Aktion Teil der FARE-Wochen gegen Rassismus. Das passt terminlich besonders gut, denn der Gegner heißt Energie Cottbus. Ähnlich wie den Dresdner Traditionsverein plagen auch die Cottbusser rechte Umtriebe: Im Sommer wurde Mitgliedern der rechten Ultrá-Gruppe "Inferno Cottbus 99" ein Erscheinungs- und Auftrittsverbot erteilt. Doch behoben ist das rechte Fanproblem damit noch lange nicht. Heute werden zwei Teams aus Flüchtlingskindern und Kindern mit Behinderung gemeinsam mit den Mannschaften einlaufen. Das Team der Schwarz-Gelben und alle Einlaufkinder tragen die gleichen Trikots, auf der Brust prangt der Schriftzug "Love Dynamo – Hate Racism. 1953International". Gestaltet wurden die Trikots in Zusammenarbeit mit dem Verein, der Hauptsponsor Veolia Umweltservice Ost verzichtet zugunsten der Aktion auf seine Präsenz auf dem sogenannten "Nicki" (sächsische Mundart) der Mannschaft. Das Trikot kann man nun auch im Fanshop käuflich erwerben, auf den Stadionleinwänden läuft die Werbung dafür. Nach dem Spiel stehen viele Menschen Schlange, um ein solches Sondertrikot zu erwerben. In Kooperation mit dem Verein erscheinen auch zwei Artikel im Stadionheft "Kreisel" zum Spiel, das ganz im Zeichen des Kampfes gegen Rassismus stehen soll. Dynamo Geschäftsführer Christian Müller erklärt darin: "Die Antirassismus-Arbeit ist für uns als Verein von großer Bedeutung."  

1953international leistet seit 2006 vielfältige Arbeit

Außerdem stellt sich im Stadionheft "Kreisel" auch die Faninitiative 1953international vor und erläutert dort den Hintergrund der FARE-Aktionswochen, die sich europaweit gegen Rassismus und Homophobie wenden. Seit 2006 engagieren sich Fans der SGD in dieser Initiative, die eine offene Kurve und keinen Rassismus im Stadion wollen. Noch im Gründungsjahr hatten sie im Rahmen der FARE-Wochen gemeinsam mit dem Verein den Slogan "Rassismus ist kein Fangesang" präsentiert. Heute prangt er bei jedem Heimspiel auf den Anzeigetafeln unter der Torzählung.  "Ich finde, dass sich das Klima im Stadion seit Beginn unseres Engagements sehr positiv verändert hat. Besonders im K-Block, wo die aktiven Fans stehen, zeige sich das. Rassistische Sprechchöre und Rufe seien bei Heimspielen sind selten geworden, viele Fans tragen unsere Nickis", erklärt Gerd vor dem Spiel. Auch viele in der aktiven Fanszene schätzen das Engagement der Gruppe.

Anders sieht es in einem Sitzplatzbereich neben dem Gästeblock, aus. Hier sind einige Fans mit Pullis der Marke "Erik and sons" oder anderer einschlägiger Kleidung unterwegs. Und während des Spiels sind antisemitische Beschimpfungen zu hören, wenn mal was nicht so läuft, wie es soll. Es kommt auch vor, dass, wie bei der Partie gegen den FC St. Pauli letzte Saison, Hitlergrüße gezeigt werden.

Fans und Verein gemeinsam gegen Rassismus

Mittlerweile ist das Stadion voll gefüllt mit Menschen, 29.563 Fans warten auf den Anstoß. Als auf den Anzeigetafeln ein aktuelles Video, das vom Verein in Kooperation mit 1953international produziert wurde, gezeigt wird, kehrt kurz Ruhe ein. In dem kurzen Film positionieren sich Spieler und Trainer mit Statements für Toleranz und gegen Rassismus. Als das Video zu Ende ist, brandet Applaus auf. Wenige Minuten danach läuft der Countdown, das Spielfeld wird von den Werbebannern geräumt, die Einlaufkinder nehmen gemeinsam mit den Mannschaften Aufstellung und betreten dann das Spielfeld. Die Einlaufkinder sind vorwiegend Mädchen, einige sind schon das zweite Mal dabei, allen stehen Freude und Stolz ins Gesicht geschrieben. Gerd findet es gut, dass viele Mädchen dabei sind und auch, dass zwei Gruppen, die von der Gesellschaft schwach gemacht werden, heute und hier stark sein können und vor einem ausverkauften Stadion alle gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus setzen. "Es ist toll zu sehen, wie viel Freude wir den  Kindern auch bereiten. So können wir Dynamo von einer besonders schönen Seite zeigen", sagt Gerd. Außerdem dürften die Kinder ihre Nickis und Hosen behalten, die sie tragen. So können sie sich nachhaltig an ihren großen Auftritt heute erinnern. Währenddessen sind die Fernsehkameras auf die Kinder gerichtet, ein Mädchen aus dem Irak winkt freudig in die Kamera. Sie ist schon das zweite Mal Einlaufkind und war auch dabei, als der Verein einige Flüchtlingskinder in den Osterferien zum Besuch der Dynamo-Fußballschule eingeladen hatte. Sie ist mit ihren 8 Jahren schon im Fußballfieber – ihr Herz schlägt für die Schwarz-Gelben. 

Mickael Poté schießt das Siegtor im Trikot gegen Rassismus

In der 71. Spielminute schießt dann Mickael Poté endlich das erste Tor des Spiels. Das Stadion scheint vor Freude zu platzen, alle springen von den Plätzen und jubeln für ihren Stürmer aus Benin, der auch schon mit rassistischen Anfeindungen zu kämpfen hatte. Besonders, weil er seit fast einem Jahr kein Tor mehr geschossen hatte, aber immer wieder in der Startelf stand, gab es viel Murren und auch vereinzelte rassistische Schmähungen gegen ihn. Als er nun beim Spiel gegen Energie Cottbus zum Kopfballtor hochspringt und Dresden damit in Führung bringt, prangt der Schriftzug "Love Dynamo – Hate Racism" auf seiner Brust. Den Cottbusser Fans scheint das Führungstor wenig zu gefallen, zum zweiten Mal in diesem Spiel werfen sie Knallkörper aufs Spielfeld, zünden Pyrotechnik im Block. Das Spiel muss für 10 Minuten unterbrochen werden.  Doch dann läuft das Spiel bis zum Ende, die schwarz-gelbe Mannschaft verteidigt ihre Führung und geht mit einem Sieg vom Platz. Vielleicht haben ihr wieder die Einlaufkinder ein bisschen Glück gebracht – auch bei der letzten Aktion mit Flüchtlingskindern beim Spiel gegen den SC Paderborn hatte die Mannschaft gewonnen.  An diesem Sonntag jedenfalls haben Fans und Verein gemeinsam ein Zeichen gegen Rassismus  gesetzt – und gewonnen.

*Name geändert

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