Wenn mich immer jemand gefragt hat, warum ich mit 10 Anderen einem Ball hinterherlaufe und welchen Sinn das erfüllt, dann hab ich immer die gleiche Antwort gegeben. Ich habe immer gesagt, dass Fußball für die Menschen mehr ist, als nur sinnlos gegen einen Ball zu kicken. Ich möchte euch gerne einen kleinen Einblick in mein Fußballerleben gewähren und damit ist nicht die sportliche Laufbahn gemeint, sondern vielmehr die menschliche Seite, die dahinter steckt.
Von Matthias Saathoff
Fußball ist ein weltweit anerkannter Sport, überall in den 193 offiziellen Ländern wird Fußball gespielt und das meist immer nach den internationalen Regeln. Für Sozialpädagogen ist der Fußball ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Arbeit. Ich bin mit 4 Jahren schon zum Fußball gekommen und war nie besonders begabt. Mit 4 Jahren Fußball zu spielen ist noch etwas, was menschlich keinen großen Stellenwert hat, weil die Kommunikation weitestgehend nicht stattfindet und man nur den Vater oder den Trainer schreien hört. Richtig interessant wird es da erst im Schulalter, wenn man 6-7 Jahre alt ist. Dort wird schon bei Spielen kommuniziert und man kennt sich aus dem täglichen Alltag der Schule. Fußball war plötzlich wichtig geworden und stärkte das Gemeinschaftsgefühl, die Jungs wollten alle spielen und die Mädchen sind öfters zu den Spielen gekommen um uns anzufeuern, wir waren quasi die Helden der Grundschule und haben uns dabei richtig gut gefühlt. Die Gegner kannte man meist aus der Nachbarschaft und so wurde fast jedes Spiel zu einem kleinen Freundschaftsspiel, man lernte den Gegner zu bekämpfen, aber dies stets Fair zu tun und mit Rücksicht auf seine Gesundheit. Ja mit 7 Jahren war man schon so weit, denn auch die Trainer damals waren sehr bedacht darauf, dass man sich fair verhält.
Das Thema Rassismus kam erst mit 19 Jahren
Mit 13-14 hatten wir dann in der Schule zum ersten Mal das Thema 2. Weltkrieg. Wir fingen an zu lernen, welche grausamen Taten wir als Land damals begangen haben. Aber verzeiht mir das Fazit, damals als Jugendlicher war das noch sehr uninteressant, wir haben es registriert, gelernt und einen Test geschrieben, damit war das Thema abgehakt. Emotional wurde dabei niemand. Parallel lief der Fußball natürlich weiter und ich spielte gemeinsam mit Türken, Kurden, Russen, einem Inder, einem Marokkaner sowie einem Nigerianer. Später kam noch ein Junge aus Tschetschenien der dem andauernden Krieg mit Russland entflohen war und zu uns in die Klasse kam. Beim Fußball und in der Schule hat dies aber niemanden interessiert, jeder wurde sofort aufgenommen und niemand irgendwie gesondert behandelt. Dem Jungen aus Tschetschenien brachten wir so schnell wir konnten Deutsch bei und er nahm mir sogar meinen Stammplatz weg. Wir sind bis heute befreundet!
Das Thema Rassismus und Intoleranz kam dann erst später, im Alter von 19 Jahren. Dort wurde Fußball gespielt und der Respekt ging verloren. Toleranz Fehlanzeige und man vermisste die freundschaftlichen Spiele aus der Jugend. Plötzlich war der junge aus Tschetschenien ein „blöder Neger“ der doch zu seinem Land wieder zurückgehen sollte und der Inder ein blöder Reisfresser. Ich sage das so unzensiert, damit man sieht, welche Veränderungen mit dem Alter gekommen sind. Als Kind bist Du von solchen Problemen nie betroffen, der Mensch wird nicht anhand der Hautfarben bemessen oder aus welchem Land er kommt, wir haben nur seine Qualität als Fußballer und Freund betrachtet. Nun standen wir plötzlich auf dem Platz und unsere Freunde wurden rassistisch beleidigt. Eine komplett neue Erfahrung, für beide Seiten. Natürlich haben wir uns für unsere Freunde eingesetzt, aber es blieb jedes Mal ein bitterer Nachgeschmack. Wir waren traurig über das Erlebte.
Heute ist der vermisste Respekt wieder da
Und jetzt, mit 26 Jahren befinde ich mich wieder im Aufbautraining. Der Ton ist ruppig geblieben, aber der vermisste Respekt ist wieder da, die Fußballer sind reifer geworden und Rassismus kein aktuelles Thema mehr. Warum aber im Alter von 18-22 Jahren? Was ist in dieser Zeit anders? Ich kann es nicht beantworten, aber die Erfahrung mit Rassismus gemacht zu haben, hat mich dahingehend bestärkt, mich aktiv dagegen auszusprechen und auch aktiv mit meinem Namen etwas dagegen zu machen. Sicher bin ich mir der Gefahr bewusst, der ich mich da stelle. Aber ich habe damals auf dem Fußballplatz meine Freunde auch nicht im Stich gelassen, warum sollte ich heute aufhören damit? Ich wollte mit diesem Artikel einen kurzen Einblick darin gewähren, wir einfach und unkompliziert man als Kind/Jugendlicher mit diesem Thema umgeht. Irgendein Prozess beim erwachsen werden verursacht bei einigen eine fehlentwickelte Bildung, die sich dann meistens (leider nicht immer) im späteren Alter wieder korrigiert.
Textübernahme mit freundlicher Genehmigung von
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