Hannes Ostendorf ist Sänger der Hooliganband "Kategorie C - Hungrige Wölfe", hier bei HoGeSa in Hannover. Sein Name fällt jedoch auch im Zusammenhang mit Angriffen auf Ultras in Bremen immer wieder.
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Klein, aber schlagkräftig: Rechte Hooligan-Szene in Bremen

Am Spieltag des 101. Nordderbys zwischen Werder Bremen und dem Hamburger Sportverein wurden Bremer Ultras von Bremer Hooligans angegriffen. Und von der Polizei zum Ort des Geschehens zurück getrieben, wo es zu einer erneuten Schlägerei kam. Dabei hatte die Polizei ihren Anteil an der Eskalation und das leider nicht zum ersten Mal.

Von Lina Morgenstern

Einige Ultras hatten das ausverkaufte Nordderby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger HSV (1:0) außerhalb des Stadions in einer Kneipe gesehen. Nach dem Abpfiff begab sich die etwa 30köpfige Gruppe zum Weser-Stadion. Dabei passierten sie das "Verdener Eck", eine Stammkneipe von rechten Hooligans. Nachdem sie sich auf Anruf durch die dort Anwesenden als Bremer Ultras zu erkennen gegeben hatten, griffen die Hooligans sie an. Unter ihnen befanden sich laut Augenzeugen bekannte Gesichter, wie Hannes Ostendorf, Sänger der rechtsextremen Band "Kategorie C - Hungrige Wölfe". Die Ultras flohen in die Richtung des Stadions, wo sie auf dem Deich von der Polizei festgesetzt und kontrolliert wurden. Nachdem sich das Stadion geleert hatte und große Teile der Bremer Fanszene auf den Deich strömten, riegelte die Polizei das Gelände ab, räumte die Kreuzung und ließ für sämtliche Ultras nur den Weg über die Verdener Straße weg vom Stadion und in Richtung der Hooligans im "Verdener Eck" frei. Augenzeugen berichten vom massiven Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz, mehrere Menschen wurden verletzt, mindestens eine Person schwer.

Polizei trieb Werder Fans in die Richtung rechter Hooligans

"Zurück am ´Verdener Eck´ war die Situation für die Hooligans und Ultras unübersichtlich. Die einen wurden von der Polizei unter Gewalteinsatz in diese Richtung gezwungen, die anderen müssen einen Angriff der Bremer Ultras als Antwort für den eigenen Angriff zuvor vermutet haben. Hier kam es wieder zu massiven Auseinandersetzungen", erklärt Fanprojektmitarbeiter Daniel Behm. Während der Geschehnisse wurden viele Menschen verletzt, auch mehrere Hooligans. Einer soll der Sänger der Hooliganband "Kategorie C" Hannes Ostendorf selbst sein, bestätigen ließ sich das durch Recherchen nicht. Jedoch postet Ostendorf seit dem Nordderby wiederholt "Fahndungsfotos" angeblicher Bremer Ultras die des "versuchten Totschlags" bezichtigt werden, auf seiner Facebook-Fanpage. Versehen sind die Bilder mit dem Hinweis man solle Informationen an die "Bremer Hoolizei" geben. Die Bilder werden jedoch schnell wieder gelöscht. Auch die Partei "Die Rechte" postete auf ihrem Facebookprofil eine Bildergalerie mit dem Titel "Antifa, UItras, Gewalttäter und ihre Unterstützer", in der zwei Fanprojektmitarbeiter und die Rechtsextremismusexpertin Andrea Röpke gezeigt wurden. Der Aufruf zur Selbstjustiz ist hier subtiler verpackt.

Hooliganszene in Bremen klein, aber schlagkräftig

Die Schlägereien vom Wochenende reihen sich ein in die Ereignisse der letzten Jahre. 2007 griffen Neonazis und rechte Hooligans gemeinsam eine Party antirassistischer Ultras im Bremer Ostkurvensaal an, unter den Angreifern soll auch Hannes Ostendorf gewesen sein. Nach dem Vorfall begannen Verein, Fanszene und Fanprojekt vermehrt gegen rechtsextreme Strukturen in der Bremer Fanszene aktiv zu werden. "Auch die Polizei hat teilweise sehr angemessen reagiert, als eine geplante Flyeraktion von Hools und Nazis vor dem Weser-Stadion schon im Vorfeld verhindert wurde", erklärt Pavel Brunßen vom Transparent Magazin. Er beobachtet die Entwicklungen in der Bremer Fanszene genau. Seit einigen Jahren sind rechte Hooligans und Neonazis aus dem Bremer Fanblock verschwunden und finden auch keine Möglichkeit mehr, wieder anzudocken. Sogar bei Auswärtsspielen stellte sich die Bremer Fanszene geschlossen gegen rechte Vereinnahmungsversuche. "Die Hooligans sind im Hintergrund immer noch da. Sie finden zwar keinen Raum mehr im Stadion, aber sie versuchen, wieder anzudocken und das gelingt ihnen bisher nur auf der Straße. Hier ist die Polizei in der Pflicht – und die Ereignisse vom diesjährigen Nordderby zeigen, dass es da Verbesserungsbedarf gibt", fährt Brunßen fort. 

 

Dieses Foto postete die "German Defence League" auf Facebook und am 23.04.2015 wurde es auch über den Kanal von Hannes Ostendorf geteilt. Kurze Zeit später verschwand es wieder, geschwärzt haben wir das. (Quelle: Screenshot Facebook)

Klares Polizeiversagen

Auch die Fanprojektmitarbeiter sehen die jüngsten Angriffe als Versuch der Hooligans, wieder Raum zu greifen. Und ärgern sich über das Vorgehen der Polizei, die die Ultras in die Arme der Hooligans getrieben hat. Polizeisprecher Dirk Siemering will das nicht so sehen. Er erklärte im Weser Kurier, dass sich die gewaltbereiten Gruppen gesucht und gefunden hätten. Auf Nachfrage von Fussball-gegen-nazis.de, ob die Polizei in ihrer Einschätzung der politischen Situation und der räumlichen Gegebenheiten nicht versagt hätte, erklärt er, dass die Geschehnisse derzeit aufgearbeitet würden und er zu laufenden Ermittlungen nichts sagen könne. Gelungen am Polizeieinsatz beim Nordderby findet er die Trennung der Fangruppen aus Hamburg und Bremen.

Nichts gelernt hat die Polizei also aus ihrer Fehleinschätzung beim letzten Nordderby 2014. Damals hatten rund 130 Hooligans und Neonazis versucht, das Bremer Weserstadion per Schiff zu erreichen. Mit dabei wieder Hannes Ostendorf, die Neonazi-Hooligans der Bremer Gruppe "Standarte" und Daniel Fürstenberg, ehemaliger Kandidat der NPD aus Verden. Vermummt und mit einem Transparent gegen den HSV fuhren sie die Weser hoch, bis sie von der Wasserpolizei gestoppt wurden und am Martini-Anleger das Schiff verlassen mussten. Eine lasche Personenkontrolle später konnten sich die Hooligans unbehelligt in der Stadt verteilen und griffen Passant*innen und auch die Journalistin Andrea Röpke an, die mit einem Taxi fliehen konnte. Auch diesen Spieltag bezeichnete die Polizei im Nachhinein als "relativ friedlich".

"Die rechte Hool-Szene in Bremen ist klein, aber sehr aktiv und schlagkräftig. Außerdem gibt es Verbindungen zu den Hells Angels, da entsteht eine beängstigende Situation", erklärt Thomas Hafke, Mitarbeiter im Fanprojekt Bremen. Er war 2007 auch bei den Aufarbeitungen des Angriffs auf den Ostkurvensaal beteiligt und kritisiert die milden Strafen gegen die beteiligten Hooligans. "Die Angreifer von 2007 waren auch bei den Auseinandersetzungen um das Nordderby wieder beteiligt."

Hooligans drängen auf die Straße und wieder in die Kurven

Besonders Hannes Ostendorf, Sänger von Kategorie C, taucht immer wieder auf. Seit 2014 ist er bundesweit in die Schlagzeilen gekommen, weil seine Band die Musik zu den Demonstrationen der Hooligans gegen Salafisten geschrieben hat. In Bremen darf die Gruppe laut dem Innensenator Ulrich Mäurer (CDU) zwar nicht auftreten, in Köln stachelte sie jedoch 4500 Hooligans zu den Ausschreitungen an und brüstet sich dafür bis heute auf ihrer Facebookseite. Im Zuge von HoGeSa ist das Erstarken der rechten Hooligans offensichtlich geworden, das bis dahin nur für Fanszenekenner auffällig war, nachdem in Aachen oder Braunschweig antirassistische Ultras die Kurven verlassen haben und die rechten Fans und  Hooligans wieder dominieren. In den vergangenen Monaten war es in einigen Stadien, wie in Düsseldorf  sogar zu Übergriffen rechtsgerichteter auf antirassistische Fans im Stadion gekommen. Und auch die Bremer Hooligans testen offensichtlich, wie weit sie gehen können und drängen getragen von der Resonanz auf HoGeSa zurück Richtung Weser-Stadion.

"Ohne die rechtsextremen Hooligans gäbe es keine starke rechte Szene, wie das Beispiel Dortmund zeigt. Fußball spielt eine grundlegende Rolle und ist eine zentrale Rekrutierungsplattform für Nazis", erklärt auch der Rechtsextremismusexperte und Journalist Olaf Sundermeyer in der ZDF Dokumentation "Radikale Fußballfans". Diese war kurz nach dem Nordderby gelaufen und passt zur aktuellen Diskussion. Im Film spricht ein Bremer Fan das erste Mal öffentlich über einen Angriff von Bielefelder Hooligans auf ihn und seine Freunde, bei dem er selbst fast gestorben wäre. Die Dokumentation wirft Schlaglichter auf das Problem der Gewalt im Fußball und nimmt auch das Erstarken der Hooligans durch ihre Rolle bei HoGeSa sowie ihre aktive Beteiligung an der Pegida-Bewegung unter die Lupe. Zwar gibt es in Bremen keine Pegida-Kundgebungen, aber von der Hansestadt aus werden HoGeSa-Demonstrationen unterstützt.

Nach dem Weckruf 2007 hat sich in Bremen sehr viel getan, Fanszene und Verein sind sensibel für das Problem mit rechten Fans. Auch nachdem Stadionverbote für rechte Gewalttäter ausgelaufen waren, konnten diese nicht wieder in der Fanszene andocken. Es ist nun an der Polizei, sich über die Entwicklungen auf den neuesten Stand zu bringen und politisch motivierte Übergriffe strafrechtlich zu verfolgen, anstatt sie räumlich zu begünstigen.

Update am 07.Mai 2015: 

Auseinandersetzungen zwischen linken Werder-Ultras und rechten Bremer Hooligans nennt das Innenressort des Senats "unpolitisch". (Taz)

Erneuter Angriff von rechten Hooligans in Bremen auf linke Ultras. (Kreiszeitung)

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