In Wuppertal demonstrierte schon im Juni ein zivilgesellschaftliches Bündnis, um auf den politischen Hintergrund des Messerangriffs durch mutmaßliche HoGeSa Anhänger im April hinzuweisen.
Sechel

HoGeSa – unpolitische Messerstiche in Wuppertal?

Am 5.Oktober begann der Prozess gegen mutmaßliche Anhänger der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa), die im April einen Mann vor dem Autonomen Zentrum Wuppertal niederstachen und lebensgefährlich verletzten. Drei Männer waren an der Tat beteiligt, gegen sie wurde nun Anklage erhoben. Dabei scheint die Staatsanwaltschaft die Tat zu entpolitisieren. 

von Robin Dullinge

Am frühen Morgen des 11. April 2015 kam es vor dem AZ Wuppertal zu einem brutalen Überfall auf einen Besucher mit türkischer Migrationsgeschichte. Er wurde von drei Personen angegriffen, die sich durch Rufe als Anhänger von HoGeSa erkenntlich gemacht haben sollen. Ein Tatverdächtiger stach dem Opfer laut Staatsanwaltschaft acht Mal in den Rücken. Nun steht der Beginn des Prozesses gegen die drei Tatverdächtigen bevor, die wegen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung angezeigt sind. Der mutmaßliche Messerstecher pflegt seit geraumer Zeit enge Kontakte zur neonazistischen Partei "Die Rechte". Bei dieser finden sich vorwiegend militante Neonazis wieder, deren freie Kameradschaften verboten wurden.

Polizei spielte am Tatabend eine zweifelhafte Rolle

Dass es dem AZ Wuppertal und dem Betroffenen jedoch nicht nur um den aus ihrer Sicht versuchten Mord geht, wurde bereits im Sommer deutlich. Am 13. Juni diesen Jahres demonstrierte ein zivilgesellschaftliches Bündnis aus Gewerkschaften, Autonomem Zentrum und Anderen unter dem Motto "Gemeinsam gegen Rassismus & rechte Gewalt" von der Wuppertaler Innenstadt zum Tatort. Dabei gab es auch eine Zwischenkundgebung vor der Polizeiwache "Hofkamp", die am Tatabend ebenfalls eine Rolle spielte und in einem Redebeitrag kritisiert wurde. Zur Sprache kam der Einsatz einer Hundertschaft am Tatabend, die das AZ brutal räumten und ebenfalls Anzeigen wegen versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung gegen einige der Besucher_innen stellten. Am Tatabend hatten Polizist_innen unnötige Gewalt angewendet, um in das AZ  zu gelangen und zunächst zahlreiche der Besucher_innen als Tatverdächtige behandelt. In einem offenen Brief kritisierten die Opferberatung Rheinland und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW das Polizeivorgehen als Täter-Opfer-Umkehr und die Kriminalisierung der Hilfeleistenden AZ-Besucher_innen.

Staatsanwaltschaft scheint die Tat zu entpolitisieren

Die Staatsanwaltschaft geht den Anzeigen jedoch weiterhin nach und behauptet zudem, dass zwei der bisher öffentlich bekannten mutmaßlichen Täter nicht mehr in der rechten Szene aktiv seien. Unabhängige Recherchen belegen jedoch das Gegenteil und decken auf, dass es sich bei den Beiden um stadtbekannte und militante Neonazis handelt, die schon über viele Jahre in der rechten Szene aktiv sind. Der politische Hintergrund der Tat ist offensichtlich und seit Beginn 2015 einer von zahlreichen Übergriffen auf Antirassist_innen. Einer der Tatverdächtigen soll ebenfalls bei dem Angriff auf eine Gedenkkundgebung an den NSU-Bombenanschlag in der Probsteigasse beteiligt gewesen sein, der sich am 18. Januar ereignete, nachdem eine Demonstration von HogeSa in Essen verboten wurde.

Folgerichtig problematisiert das Autonome Zentrum an den aktuellen Ermittlungen eine Täter-Opfer-Umkehr und daraus folgende Kriminalisierung antirassistischer Strukturen. Auch deshalb sind am vergangenen Freitag mehrere Hundert Menschen auf die Straßen gezogen, um den öffentlichen Druck auf die Staatsanwaltschaft und Polizei zu erhöhen und von den Anzeigen gegen die Besucher_innen und Helfer_innen des AZ Wuppertal abzusehen. Ohne die schnelle Reaktion einiger AZ-Besucher_innen, die den Betroffenen versorgten, wäre er vermutlich verstorben. "Bisher gibt es keinen nachvollziehbaren Grund für das aktuelle Vorgehen der Behörden, die Ermittlungen dürfen nicht entpolitisiert werden. Die Distanzierung der Täter von rechten Kreisen ist nicht nachzuweisen", erklärte einer der Demonstrierenden. Es müsse Aufgabe der Staatsanwaltschaft und Gerichte sein, den politischen Hintergrund zu ermitteln, zu bewerten und öffentlich ein Statement zu setzen, dass rechte und rassistische Gewalt nicht geduldet werde. "Sollte anders entschieden werden, würde das rechte Gewalttäter_innen in ihrem Handeln bestätigen und motivieren. Diese politische und gesellschaftliche Aufgabe obliegt den Behörden und ebenfalls den Medien, die den Prozess kritisch begleiten und dokumentieren sollten."

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