Bei der Mahnwache von "Friedensaktivist*innen" auf dem Platz der Republik waren auch Hooligans gern gesehen. Nebenbei konnte an einem open Mic jede*r seine Ideen über die Nichtexistenz der BRD oder die "Verschwörung der Zionisten" zum Besten geben.
Redaktion FgN

Geplatzt: Demonstration von Hooligans am 9. November in Berlin

Die vor zwei Tagen bekannt gewordene rechte Demonstration, die aus dem Berliner Hooligan-Umfeld für den 9. November angemeldet worden war, fand heute nicht statt. Trotzdem bewegten sich immer wieder Gruppen von Neonazis durch die Stadt und nahmen nicht zuletzt an den Kundgebungen von Reichsbürger*innen, "Friedensaktivist*innen" und Verschwörungstheoretiker*innen am Rande der Feierlichkeiten zum Mauerfall teil. Stadtbekannte Neonazis wurden in Lichtenberg von der Polizei daran gehindert, einen möglichen Aufzug abzuhalten.

Von der Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Vergangenen Freitag, den 7. November, war bekannt geworden, dass am Jahrestag der Reichspogromnacht und des Mauerfalls doch ein Aufmarsch von rechten Hooligans in Berlin geplant war. Als Anmelder konnte zeitnah Steven K. geoutet werden. Für die Beobachter*innen der rechten Szene in Berlin ist er kein Unbekannter, sondern ein Aktivist aus dem Umfeld des für seine rechtsgesinnten Fans bekannten Fußballklubs BFC Dynamo und seines Zeichens Anführer der BFC-Ultragruppierung "Black Boys Dynamo". Auf Facebook ließ Steven K. keinen Zweifel an seiner rechten Gesinnung und Sympathien mit der NPD.

Angekündigt wurde die Demonstration auf Facebook, ist aber nicht als "offizielle" HoGeSa-Veranstaltung benannt. Etwa 200 Menschen hatten zugesagt. Quelle: Screenshot Facebook.

Etwa 300 Linke warteten am Alexanderplatz auf die rechten Hooligans

Aus linken Kreisen wurde für diesen Sonntag zu Gegendemonstrationen mobilisiert, um den Aufmarsch zu verhindern. Doch schon am Morgen lief via Twitter die Nachricht, dass die rechte Demonstration vom Anmelder abgesagt worden sei. Trotzdem sammelten sich etwa 300 Linke an der Weltzeituhr auf dem Alexanderplatz, um an diesem geschichtsträchtigen Tag zu zeigen, dass man eine rechte Demonstration nicht akzeptieren würde. Nicht zu vergessen ist für einige der Umstehenden auch, dass vor drei Jahren der Nationalsozialistische Untergrund NSU enttarnt wurde, der 9. November also kein Tag sei, um Neonazis mehr Öffentlichkeit zu gewährleisten. Als dann eine Gruppe von etwa 30 Neonazis um den bekannten Berliner Rechtsextremen und NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmidtke am S-Bahnhof Alexanderplatz angekommt, droht die Situation kurz zu kippen. Eine größere Gruppe Linker versuchte zu den Neonazis in den Bahnhof zu kommen, der Polizei gelingt es jedoch, die verschiedenen Lager zu trennen und die Gegendemonstrant*innen auf dem Alexanderplatz festzuhalten.

Polizei führt Personenkontrollen bei mutmaßlichen Hooligans durch, die auf dem Weg zum Platz der Republik und den verschiedenen Veranstaltungen sind. Quelle: Redaktion FgN

Zeitgleich bewegten sich einige Rechtsextreme vor dem Bundestagsgebäude, wo sie an einer Kundgebung von selbst ernannten "Friedensaktivist*innen" aus dem rechten Lager teilnahmen. Als die Polizei einige mutmaßliche Hooligans der Veranstaltung verweisen wollte, solidarisierten sich die Organisator*innen der Kundgebung kurzentschlossen mit den jungen Männern aus dem Spreewald, holten sie auf die Bühne und erklärten gemeinsam mit den Menschen vor der Bühne den Wunsch, dass diese an der Veranstaltung teilnehmen sollten. Und man Hooligans überhaupt "möge".

Neonazis in Lichtenberg festgehalten

Später bewegte sich eine größere Gruppe Neonazis in den Berliner Bezirk Lichtenberg, wo sie am S-Bahnhof von der Polizei am Weiterziehen gehindert und etwa eine Stunde lang am Bahngleis eingekesselt wurde. Unter den Anwesenden waren einige bekannte Gesichter des "Nationalen Widerstands Berlin", auch Sebastian Schmidtke erschien wieder vor Ort. Angereiste Antifa-Aktivist*innen wurden mit Platzverweisen belegt. Später geleitete die Polizei die Rechten in kleineren Gruppen aus dem Bahnhofsgebäude.

Polizeibeamt*innen geleiteten die Neonazis in kleinen Gruppen aus dem Bahnhof Lichtenberg, nachdem sie sie längere Zeit am Bahngleis festgesetzt und Antifa-Aktivist*innen des Platzes verwiesen hatten. Quelle: Redaktion FgN

Rechte Gemengelage am Rande der Feierlichkeiten zum Mauerfall

Auf dem Platz der Republik demonstrierten am Rande der Feierlichkeiten zum Mauerfall auch die Reichsbürger*innen für ihre Ideen von Deutschland und der BRD. Störversuche von Linken wurden später durch die Polizei unterbunden. Quelle: Redaktion FgN 

Nachdem die Neonazis es an diesem Tag nicht geschafft haben, wie geplant unter dem Motto "Das deutsche Volk wehrt sich" und damit "gegen das System der Salafisten & Flüchtlinge" zu demonstrieren, wie im Internet angekündigt worden war, reihten sich immer wieder Einzelpersonen bei den rechten Kundgebungen von selbst ernannten Friedensaktivist*innen, Reichsbürger*innen und später der vom rechtsgerichteten Journalisten Jürgen Elsässer angemeldeten Kundgebung für "Frieden und Souveränität" ein. Elsässer verkündete auf der Veranstaltung, dass er die Demonstrationen der "Hooligans gegen Salafisten" klar als antifaschistisch begreife, was nicht zuletzt den anwesenden Antifa-Aktivist*innen, die die rechten Demonstrant*innen vor dem Bundestag wiederholt stören konnten, missfiel.  

Wie weiter?

Dass die Hooligans in Berlin nicht wie angekündigt, selbst eine Demonstration abhielten, erklärt sich jedenfalls nicht mit dem Angebot anderer Veranstaltungen, wie von Elsässer oder den Reichsbürger*innen. Ideologisch gibt es zwar Schnittmengen, aber keine eindeutigen Übereinstimmungen. Es bleibt zu vermuten, dass die Taktik des Katz-und-Maus-Spiels in Berlin geplant war, ähnlich wie in den vergangenen Tagen An- und Abmeldungen von "HoGeSa"-Demonstrationen durch die Medien geisterten. Die Gemengelage bleibt unübersichtlich und es wird sich zeigen, inwieweit es den "HoGeSa"-Anhänger*innen gelingt, sich in Hannover zu einer ähnlich erfolgreichen Demonstration, wie in Köln zu formieren. Oder an einer Wiederholung zu scheitern und somit auch die Unterstützung eher erlebnisorientierter Gruppen zu verlieren. 

Mehr dazu:

Theo Schneider auf Störungsmelder von Zeit Online

Am 11.11. wurde bekannt, dass die geplante Demo gegen Salafisten von der Polizei verboten wurde (Spiegel Online) Am 12.11. stellte der Anmelder einen Eilantrag gegen das Verbot (taz.de)

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