Zum Testspiel in Babelsberg kamen 250 Fans von Hapoel. Das Bloomfielstadion in Tel Aviv ist bei Heimspielen, wie hier beim Derby gegen Maccabi im November 2012, stets gut gefüllt.
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Fußball ist politisch – Auch in Israel

Fußball ist in Israel wie so Vieles eng mit Politik verknüpft. So ist der israelische Verband international immer wieder Anfeindungen ausgesetzt, zuletzte drohte der Ausschluss aus der FIFA. Auch innerhalb des Landes sind Fußballspiele häufig ein Duell von Fangruppen, die verschiedene politische Ansichten vertreten. Hapoel Tel Aviv ist derzeit in der Nähe von Berlin im Trainingslager und spielte ein Testspiel in Babelsberg. Ein guter Anlass sich den israelischen Fußball am Beispiel Hapoels etwas genauer anzuschauen.

Von Redaktion Fussball-gegen-Nazis.de

Am 4.Mai veröffentlichte die FIFA ihre Tagesordnung für den 65. Jahreskongress. Unter  Punkt 15.1 war zu lesen: "Vorschlag des palästinensischen Fußballverbands zu Suspension des israelischen Fußballverbands". Der Versuch den Nahost-Konflikt auch innerhalb der FIFA auszutragen, scheiterte allerdings schon kurz vor der Jahreshauptversammlung, da Jibril Rajoub, Präsident des palästinensischen Fußballverbands, den Antrag aufgrund mangelnder Aussichten auf Erfolg zurückzog. Es war nicht der erste Versuch Israel aus einem Fußballverband auszuschließen. Anfang der 1970er Jahre wurde Israel aus dem AFC, dem asiatischen Kontinentalverband, geworfen, nachdem sich regelmäßig Vereine aus arabischen Ländern weigerten gegen israelische Teams anzutreten.  Aus diesem Grund ist der israelische Fußballverband auch seit 1994 festes Mitglied der UEFA.

Jibril Rajoub reagierte auf die Vorwürfe, er würde den Fußball missbrauchen um einen politischen Konflikt auszukämpfen mit den Worten " Ich will das Leid meines Volkes beenden. Ich bin für den Sport zuständig, ich mache keine Politik." Seit 2009 ist Rajoub Mitglied des Zentralkomitees der Fatah, dem höchsten Gremium der Partei. Den Vorschlag während der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele 2012 in London eine Schweigeminute für die 1972 in München ermordeten israelischen Sportler abzuhalten, nannte Jibril Rajoub "rassistisch". Seine Aussage, er hätte nichts mit Politik zu tun, wirkt vor diesem Hintergrund fadenscheinig. 

Tel Aviv zu Gast in Babelsberg

Hapoel Tel Aviv ist derzeit zur Saisonvorbereitung im Trainingslager in der Nähe von Berlin. Neben Spielen gegen den FC Union Berlin und RB Leipzig stand auch ein Kurzausflug nach Babelsberg auf dem Programm. Die Fans von Hapoel Tel Aviv und dem SV Babelsberg 03 teilen eine politisch linke Haltung. Der Andrang an den Kassen war dementsprechend groß, sodass das Spiel um 15 Minuten nach hinten verschoben werden musste. Das Testspiel lockte 1750 zahlende Gäste in das Babelsberger Karl-Liebknecht-Stadion.

Die Nordkurve Babelsberg zeigte als Zeichen der Solidarität mit einem seit Anfang Juli inhaftierten Ultra von Werder Bremen ein Transparent mit der Aufschrift "Free Valentin". Der Inhaftierte war mutmaßlich bei einer Schlägerei im Nachgang des Nordderbys beteiligt, rechte Hooligans hatten die linken Ultras an diesem Tag angegriffen. 

Auf dem Platz agierten beide Mannschaften von Beginn an auf Augenhöhe. Schon in der 12. Minute gingen die Gäste aus Israel nach einem Torwartfehler mit 0:1 in Führung. Danach hatte die erste Hälfte aber in Sachen Torchancen nicht mehr viel zu bieten. Zu Beginn der zweiten Halbzeit entrollten auch die ca. 250 Fans von Hapoel ein "Free Valentin" Transparent. Beide Fanszenen kritisieren so die Ermittlungsrichtung der Bremer Polizei, die ihrer Meinung nach anstatt gegen die antirassistischen Ultras lieber auf die gewaltbereiten rechtsextremen Hooligans der Hansestadt ausgerichtet werden sollte.

Kurz nach Wiederanpfiff sorgten die Babelsberger Nordkurve außerdem mit Pyrotechnik und viel Rauch für eine kurze Spielunterbrechung. Das Spiel wurde in der zweiten Hälfte intensiver und auch spannender. Zum Ende des Spiels konnten sich beide Teams klare Torchancen erarbeiten. Nach einer Druckphase der Babelsberger zehn Minuten vor Schluss, sorgte ein Treffer von Hapoel in der 88. Minute für die Vorentscheidung. Auch der verdiente Anschlusstreffer in der Nachspielzeit konnte am Sieg der Israelis nichts mehr ändern.

Fans beider Mannschaften mit "Free Valentin" Transparent (Quelle: Redaktion FGN)

Fußball in Israel ist vor allen Dingen durch die beiden großen Sportverbände Hapoel und Maccabi und deren Rivalität geprägt. Während der Maccabi-Verband 1921 von zionistischen Gruppen in Europa gegründet wurde und seinen Sitz zuerst in Deutschland, später in England und erst ab 1946 in der Nähe von Tel Aviv im heutigen Israel hatte, entstand der Hapoel-Verband um 1926 aus der israelischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung rund um die Stadt Haifa. Die Hapoel-Clubs gelten seither als linksgerichtet während die Maccabi-Vereine eher dem bürgerlich-konservativen Lager zugeordnet werden. Bevor Anfang der 1990er Jahre der israelische Sport internationaler wurde, war für viele Sportler*innen die Angehörigkeit zum jeweiligen Verband wichtiger als die zum speziellen Club bei dem sie spielten. Auch ein Wechsel zu einem Verein aus dem anderen Verband war für viele Sportler*innen lange Zeit undenkbar. Die beiden größten israelischen Fußballvereine, Maccabi Tel Aviv und Hapoel Tel Aviv, spiegeln die oben beschriebene Rivalität wieder. Ähnlich wie in München oder Mailand teilen sich die beiden Spitzenclubs aus Tel Aviv ein Stadion und pflegen eine intensive Abneigung gegeneinander.

Rechte Fans aus Jerusalem

Eine weitere Rivalität haben die Hapoel-Fans aus Tel Aviv zu dem Jerusalemer Club Beitar. Im Gegensatz zur eher sportlichen Rivalität zu Maccabi ist Beitar aus politischen Gründen für viele Hapoel Fans ein rotes Tuch. Als Teil des rechten Beitar-Verbandes weigert sich Beitar Jerusalem muslimische Israelis als Spieler aufzunehmen. Teile des Beitar-Anhangs gelten außerdem als rechtsradikal. Mit Fangesängen wie "Tod den Arabern" oder dem zeigen der "Kach"-Fahne machen sie immer wieder auf sich aufmerksam. Als der Verein Anfang 2013 zwei muslimische Spieler aus Tschetschenien verpflichten wollte, protestierten die Fans und Unbekannte zündeten sogar das Vereinsheim an. Da ein großer Teil der Hapoel Fans selbst arabischstämmig ist und aufgrund der deutlichen politischen Differenzen gilt ein Aufeinandertreffen der beiden Clubs immer als Hochsicherheitsspiel. Regelmäßig zeigen die Fans von Hapoel anlässlich der Spiele gegen Beitar Choreografien und Transparente gegen Rassismus und Rechtsradikalismus.

So friedliche und freundschaftlich wie in Babelsberg laufen die Spiele Hapoels in der israelischen Premier League demnach eher selten ab. Der Nahost-Konflikt ist in Israel auch im Fußball deutlich wahrzunehmen. Während offen rechtsradikale Fans, wie bei Beitar Jerusalem, Fußball als Plattform für ihr rassistisches Gedankengut nutzen und gegen die arabische und muslimische Bevölkerung hetzten, positionieren sich Vereine wie Hapoel Tel Aviv klar gegen Rassismus und üben Kritik am israelischen Staat. Wie in jedem anderen Land ist der Fußball in Israel nicht unpolitisch, sondern spiegelt die gesellschaftlichen Verhältnisse mit all seinen Facetten wieder.

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