Die Bremer Ultra-Gruppe "Caillera" hat seit ihrer Gründung ein ganz klares antifaschistisches Selbstverständnis.
Screenshot Website caillera

"Potential für weitere Aktionen nutzen"

Ultras – das steht für viele Menschen immer noch ausschließlich für Gewalt und Pyrotechnik. Dabei sollte längst bekannt sein, dass sich viele aktive Fans gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus im Stadion engagieren. Beispielsweise die Bremer Ultra-Gruppe "Caillera", die im Rahmen der "Aktionswochen gegen Antisemitismus" gleich mehrere Veranstaltungen organisiert hat.

Von Redaktion fussball-gegen-nazis.de

2012 veröffentlichte das "Simon Wiesenthal Center" eine Liste der "Top-Ten Antisemiten".  Auf Platz vier: die europäischen Fußballfans. In der Begründung für diese hohe Platzierung verweist das Center auf die gefährliche Tendenz, dass antisemitische Vorfälle sich nicht nur in den osteuropäischen Fußballstadien häufen, sondern auch in Westeuropa zunehmen.  Als ein besonders schlimmes Beispiel hierfür nennt das "Simon Wiesenthal Center" die Vorkommnisse aus dem Spiel West Ham United gegen die Tottenham Hotspurs: Dort hatten große Teile der West Ham Fans "Adolf Hitler’s coming for you" und "You’re getting gassed in the morning" gesungen und die Geräusche einer Gaskammer nachgeahmt.  Aber nicht nur in englischen, sondern auch in deutschen Stadien sind rechtsextreme und antisemitische Parolen ein Problem: So hinterließen im März 2006 Fußballfans aus Hannover bei ihrem Besuch in Bremen einen Aufkleber, auf dem sie das Wappen des SV Werder zu einem orangefarbenen Davidstern verfremdet hatten. Ein Jahr zuvor hatten Anhänger von Energie Cottbus ihre Dresdner Gastgeber auf einem Transparent als "Juden" beschimpft.  Und im September 2006 riefen etwa 30 Neonazis beim Kreisliga B- Spiel von Alt-Glienicke gegen den jüdischen Verein Makkabi Berlin Parolen wie "Vergast die Juden" und "Synagogen müssen brennen".  Auch aktuelle Fälle, wie die rechtsextremen Parolen einiger Fans von Lok Leipzig beim Spiel ihres Vereins in Babelsberg belegen, wie groß das Problem in Deutschland ist.

Antifaschistisches Selbstverständnis der "Caillera"

Aber natürlich gibt es auch Fans, die sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Die Bremer Ultra-Gruppe "Caillera" beispielsweise, die seit ihrer Gründung im Sommer 2012 ein ganz klares antifaschistisches Selbstverständnis hat. "Wir versuchen den Raum, in dem wir uns bewegen – und das ist bei uns Ultras nun einmal zumeist das Stadion bzw. das Fußballumfeld - möglichst diskriminierungsfrei zu gestalten. Dabei legen wir besonderen Wert auf ein respektvolles Verhalten und die Auseinandersetzung mit Sexismus, Homophobie, Antisemitismus, Nationalismus, Rassismus oder Antiziganismus", sagt Bene. Im Bremer Stadion sei dieses Problem glücklicherweise vergleichsweise gering, so das Mitglied der Ultra-Gruppe. Als Grund hierfür sieht Bene auch das Engagement seiner Gruppe sowie weiterer Fangruppierungen sowie des Vereins und des Fan-Projektes.  Viele Einzelpersonen oder auch Gruppen hätten die Problematik allerdings noch nicht erkannt, und so komme es auch in Bremen immer mal wieder zu diskriminierenden Ausfällen im Fanblock, erklärt er. "Mit der Beteiligung an den Aktionswochen gegen Antisemitismus verfolgen wir verschiedene Ziele. Einerseits wollen wir ein klares Zeichen gegen Antisemitismus im Fußball nach außen setzen. Andererseits hoffen wir natürlich durch die inhaltlichen Veranstaltungen Fußballfans, aber auch Nicht-Fußballfans, für das Thema zu sensibilisieren und neue Denkanstöße zu geben."

Vortrag zum Thema "Fußball und Antisemitismus" im Ostkurvensaal

Zwei Veranstaltungen haben die Bremer Ultras bereits im Rahmen der "Aktionswochen gegen Antisemitismus 2013" durchgeführt:  Einen Vortag über die "Formen des Judenhasses von der Antike bis zur Gegenwart" und eine Vorführung des Films "They were not silent", kombiniert  mit einem Vortrag und einer anschließenden Diskussion. "Bei beiden Veranstaltungen wurden unsere Erwartungen sogar übertroffen. Beide Veranstaltungsorte waren übervoll und die Dozenten haben für zwei sehr interessante Abende gesorgt", weiß Bene.  Die nächste Veranstaltung der Ultras findet nun am 16. November um 18 Uhr im Ostkurvensaal des Bremer Stadions statt. In dem Vortag von Enno Wöhler und Alex Feuerherdt geht es nun um das Thema "Fußball und Antisemitismus".  Die beiden Referenten möchten dabei nicht nur anhand von Vorfällen in den Stadien zeigen, wie sich Antisemitismus im Fußball äußert und wie er funktioniert. Sie beziehen auch die Debatte um die Kommerzialisierung des Fußballs und Boykottaktivitäten, die sich gegen Mannschaften aus dem jüdischen Staat richten, in ihre Analyse mit ein. Und: Sie verweisen darauf, dass die Vorkommnisse im Fußball lediglich eine sichtbare Komponente des tief in der deutschen Gesellschaft verankerten Antisemitismus darstellen.  Um die Kosten der Veranstaltungsreihe zu refinanzieren, bieten die "Caillera"  übrigens auch T-Shirts und Beutel mit dem Logo "Fußballfans gegen Antisemitismus" an. Diese können über die Website und die Facebook-Seite der Gruppe oder bei Heimspielen des SV Werder bezogen werden.

"Aktionswochen gegen Antisemitismus" der Amadeu Antonio Stiftung

"Es ist schön und wichtig, dass gerade aus der Fanszene heraus der wachsende Antisemitismus thematisiert und sich entschieden dagegen positioniert wird. Wir wissen, dass es viele Fußballfans gibt, die sich ein entschiedeneres Engagement von Fans und Vereinen gegen Antisemitismus wünschen. Ich hoffe, dass dieses Potential genutzt wird und in noch mehr Stadien Aktionen gegen Antisemitismus und andere menschenverachtende Ideologien stattfinden", sagt Jan Riebe von der Amadeu Antonio Stiftung. Die Stiftung organisiert bereits seit 2003 die "Aktionswochen gegen Antisemitismus", die jährlich rund um den 9. November stattfinden.  Mit den Aktionswochen möchte die Amadeu Antonio Stiftung das Gedenken an die Novemberpogrome, die sich in diesem Jahr zum 75. Mal jähren, mit der Thematisierung von aktuellem Antisemitismus verbinden. In diesem Jahr beteiligen sich über 170 Organisationen, Schulen, Jugendzentren und jüdische Gemeinden aus 90 Städten in allen Bundesländern mit 380 Veranstaltungen an der damit bundesweit größten Kampagne gegen Antisemitismus. Der gesamte Veranstaltungskalender - nach Bundesländern geordnet - und alle Information zu den Aktionswochen gegen Antisemitismus finden sich unter: www.aktionswochen-gegen-antisemitismus.de

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