Das Banner der Kampagne zu Gast bei Werder Bremen am 14.10.2011.
Fußballfans gegen Homophobie

Erfolgreicher als gedacht: Fußballfans gegen Homophobie

In Berlin trafen sich vergangenes Wochenende trotz Bahnstreik 50 Fußballaktive zum dritten Netzwerktreffen der Fußballfans gegen Homophobie. Zum Thema „Frauen im Fußball zwischen Sexismus und Selbstermächtigung“ diskutierten sie in mehreren Workshops über Strategien gegen Sexismus und eine Erweiterung der seit drei Jahren bestehenden Kampagne gegen Homophobie im Fußball, um einen stärkeren Fokus auf Sexismus zu setzen. Trotz dem bisherigen Erfolg der Kampagne sehen sie noch viele Probleme.

Von Laura Piotrowski

„Ich denke schon, dass Sexismus und Homophobie den Rassismus im Stadion ablösen oder ersetzen. Im Fußball scheint es immer wichtig sein, den Gegner möglichst hart abzuwerten. Und da viele Fans rassistische Sprüche dafür nicht mehr ok finden, Sexismus in der Gesellschaft aber weit verbreitet ist, wird halt gegen ´Schwuchteln´ und ´Mädchen´ geschimpft“, erklärt Christian Rudolph, Mitinitiator der Kampagne „Fußballfans gegen Homophobie“, die von Fans des Berliner Vereins Tennis Borussia (TeBe) ausgeht. Grundsätzlich ist er überrascht von der breiten Resonanz, die die Kampagne in den letzten Jahren erhalten hat. Gestartet war sie mit einem lila Banner, das zwei sich küssende Fußballer, einen Regenbogen im Hintergrund und den Spruch „Fußballfans gegen Homophobie“ darstellt. Das Banner ging nach seinem ersten Einsatz bei den „Respect Gaymes“ des Lesben- und Schwulenverbands Berlin auf Wanderschaft und wurde schon fast von 100 Fankurven während dem Spiel präsentiert. Am stärksten gefreut hat es die Macher*innen der Kampagne, dass auch Fans vom Bundesligaverein Hamburger SV das Banner anfragten und im Stadion präsentierten: „Ich hätte nicht gedacht, dass die Fans vom HSV hinter so einer Aussage stehen“, so Rudolph weiter. Auch international stoße die Kampagne auf Resonanz und wurde adaptiert, wie bei Portland Timber und oder in Mexiko bei der Brigada Azul Crema.

„Mit Männern assoziierte Stereotype wie Härte, Kampfgeist oder Durchsetzungsvermögen, die für den Fußballer als unabdingbar gelten, werden exklusiv dem heterosexuellen Spieler zugeschrieben. Schwulsein dient hierbei als Synonym für Schwäche“ schreiben die Macher*innen der Kampagne auf ihrer Website. Ähnlich sieht das Almut Sülzle, eine renommierte Fußballfan-Forscherin, die das Netzwerktreffen in Berlin mit einem Inputvortrag zu Sexismus im Fußball eröffnete. Gemeinsam mit Tanja Walther-Ahrens, die auf dem Eröffnungspodium den Berliner Fußballverband vertritt, weist sie aber auch auf die scheinbare Unterrepräsentanz von Frauen im Fußball hin. „Frauen werden im Fußball unsichtbar gemacht, obwohl sie mittlerweile in den Stadien ein Drittel aller Zuschauer*innen und vor dem Fernseher fast die Hälfte ausmachen – das können nicht alle nur ´eine Freundin von...´ sein!“, so Sülzle. Sie kennzeichnet in ihrem Vortrag Strategien, die den Mythos der Männersache Fußball aufrechterhalten. Zum einen ist die Schwelle, um als Frau und Fußballfan akzeptiert zu werden, sehr hoch. Auch weibliche Fußballultras, die beim Treffen sind, berichten von den Schwierigkeiten, sich in den Gruppen zu beweisen und dass in manchen Fankurven Frauen nicht einmal im aktiven Block rund um den Vorsänger stehen dürften. Um diese genderspezifischen Themen anzugehen und auch, um sich als Frau in der Kurve selbst zu behaupten, haben sich deshalb bei einigen Fanszenen rein weibliche Ultra-Gruppen gebildet, zuletzt beim 1. FC Heidenheim. Kritikwürdig finde einige Teilnehmende des Netzwerktreffens, dass diese aber nur Untergruppen der jeweils dominierenden Ultra-Gruppe darstellen. Der Potsdamer Verein SV Babelsberg 03 bildet hier mit einer eigenständigen rein weiblichen Ultragruppe eine bundesweite Ausnahme.

Zum anderen wird der Mythos der männlichen Fußballkultur auch durch die Unsichtbarmachung von Frauenfußball und durch eine „männliche Grammatik“ der Fußballfankultur bestärkt. „Fußball wird so zum Rückzugsort für echte Männlichkeit stilisiert, durch die kameradschaftliche Struktur dieser männerbündischen Fangruppen wird jegliche sexuelle Attraktion ausgeschlossen. Dazu ist es nötig, sich mit sexistischer Sprache von Frauen und eben Nicht-Heterosexuellen abzugrenzen. So können Gefühle im Stadion zur Männersache werden und beim Torjubel dürfen sich schon mal zwei Spieler küssen – weil Fußballspieler per definitionem nicht schwul seien“, so Sülzle. Dabei vermutet sie, dass die Fußballfans im Vergleich zu Vereinen und Verbänden am offensten für homosexuelle Spieler*innen sind, wie man an der seit Jahren erfolgreichen Kampagne der Fußballfans gegen Homophobie sehen könne. Diese Annahme stützt eine aktuelle Studie aus der TU Chemnitz, in der ein Sportwissenschaftler 3000 Fußballfans befragt hat und zum Ergebnis kam, dass 94% der Fans nichts gegen schwule Fußballspieler habe.

Tapete der Ultras Dynamo aus Dresden beim Spiel in Babelsberg, 2011. (Quelle: Ultras Dynamo, creative commons)

„So lange wie sexistische Bilder von starker Männlichkeit und schwacher Weiblichkeit im Fußball funktionieren, so lange wird auch Schwulenfeindlichkeit im Fußball zu Hause sein“, meint Sülzle. Das zeigt sich nicht zuletzt an Choreografien, wie von den Ultras Dynamo und auch in sexistischer Werbung, wie von Lidl zur Fußball WM 2014. Strategien und Ideen dagegen gab es auf dem Netzwerktreffen trotzdem so einige. Man müsse die Fanprojekte stärker einbeziehen, Frauenfußball häufiger in die Medien bringen, Aktionstage analog zu den FARE Aktionswochen gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball organisieren oder mal, wie TeBe Fans 2000 gegen den FC Cottbus, eine Auswärtsfahrt in Stöckelschuhen und Rüschenröckchen machen, um den Männer-Mythos zu irritieren.

Ideen gegen Sexismus der Teilnehmenden vom Netzwerktreffen. (Quelle: Redaktion FGN)

Wobei einer der Teilnehmenden resigniert meinte, so lange man im kleinen Kreis bleibe, könne man diese Ideen spinnen. Zurück in der heimischen Fußballkurve wären die Probleme aber noch fundamental: der Schiri wird dann wieder als „schwule Pfeife“ beschimpft, der verfehlte Elfmeter wie "von einem Mädchen" geschossen. Besonders die Fanszene um TeBe sei eben als linke Szene bekannt und nicht zu verallgemeinern. Analog zur Arbeit gegen Rassismus in den Fankurven ist es deshalb an der Zeit, Sexismus und Homophobie breit mit Fans und Vereinen zu diskutieren. So wie eine Mehrheit der aktiven Fans mittlerweile gegen Rassismus eintritt, könne sich auch die Haltung zu Frauenverachtung und Schwulenfeindlichkeit in den Kurven ändern. Christian Rudolph unterstreicht, dass man beide Themen nicht voneinander trennen könne und stellt in Aussicht, dass sich die von TeBe Fans gestartete Kampagne in Zukunft mehr dem Thema Sexismus widmen wolle. Irgendwer müsse einfach voran gehen. Das lila Banner wandert jedenfalls weiter und kann bei der Kampagne angefragt werden. 

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