Screenshot Website Partizan Minsk

Ein anderer Fußball ist möglich: Solidarität mit einem besonderen Club

Der FC Partizan Minsk ist ein demokratischer Verein unter der autoritären Herrschaft Alexander Lukaschenkos. Jetzt kommt der Club mitsamt Fans zu einer Tour nach Deutschland.

Von André Anchuelo

Fußballfans, die sich aktiv gegen Rassismus und Nazis in den Kurven einsetzen. Das kennt man hierzulande - nicht einmal nur von Vereinen wie dem FC St. Pauli, Tennis Borussia Berlin oder dem SV Babelsberg 03. Aber in Weißrussland? Das osteuropäische Land wird gern als "letzte Diktatur Europas" bezeichnet. Dem autoritären Herrscher Alexander Lukaschenko wurde wiederholt Wahlfälschung vorgeworfen. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International berichten immer wieder von Repressalien gegen Oppositionelle sowie Homosexuelle und andere Minderheiten.

Angesichts des ausgedehnten Einsatzes staatlicher Gewalt ist kaum denkbar, dass die Menschen in Weißrussland einen Alltag jenseits politischer Unterdrückung kennen. Noch viel weniger scheint es möglich, dass gesellschaftliche Aktivitäten wie Fußball davon frei sind und sich eine aktive Fanszene entwickeln kann.

Vom Traktorenwerk zur antifaschistischen Fankultur

Doch es gibt sie - beim Fußballclub Partizan Minsk. Der Verein existiert seit zehn Jahren und entstand aus der Fusion der Betriebssportvereine des Minsker Traktorenwerks (MTZ) und des Republikanischen Instituts für Berufsausbildung (RIPO). Die Fans engagierten sich schon sehr früh antirassistisch und wurden schnell zu einem Symbol für eine aktive antifaschistische Fankultur weit über Weißrussland hinaus. Der Verein unterstützte das Engagement der Fans von Beginn an.

Sportlich lief es für den Club ebenfalls lange gut. Von 2004 bis 2010 spielte der MTZ RIPO erfolgreich in der ersten weißrussischen Liga. In der folgenden Saison wurde der Verein in Partizan Minsk umbenannt. Doch nach dem Rückzug des sogenannten Oligarchen und Großsponsors Wladimir Romanow und der damit einhergehenden Insolvenz zu Beginn des Jahres 2012 verlor Partizan die Lizenz für die höchste Spielklasse. Das bedeutete zunächst das Ende des Vereins.

Nur wenige Monate später allerdings konnte nach dem beispiellosen Einsatz der Fans in Weißrussland, die ihren Verein nicht sterben lassen wollten, der Verein Partizan Minsk als selbstverwalteter Fußballclub neu gegründet werden. Eine internationale Solidaritätskampagne, die von antifaschistischen Fangruppen aus Deutschland initiiert wurde, unterstützte den Neuanfang.

Alle Aktiven spielen ehrenamtlich

Der Verein startete mit 24 Spielern, zwei Trainern, einem Arzt und neuem Personal in der Geschäftsstelle in der vierten Liga, der Minsker Stadtliga. Alle Aktiven, abgesehen von den Trainern, engagieren sich ehrenamtlich. Die Spieler bekommen lediglich kleine Prämien. Der Spielbetrieb wird komplett über Spenden der Zuschauer und den Verkauf von Merchandise-Artikeln finanziert. Die erste Saison hat der Club erfolgreich als Tabellenfünfter abgeschlossen. Die neue Spielzeit beginnt bald - in Weißrussland richtet sich die Saison anders als in Deutschland nach dem Kalenderjahr.

Der neugegründete FC Partizan ist für die Aktiven und die Fans nicht nur ein Verein, sondern auch ein gesellschaftliches Projekt. Die dahinter stehenden Fans zu treffen, ihnen die Möglichkeit zu bieten, über ihren Alltag zu berichten und Spenden für ihre Arbeit zu sammeln, soll jetzt das Ziel einer Tour von Partizan durch Deutschland sein. Der junge Club wird mit seinem kompletten Kader inklusive Vereinsführung nach Deutschland kommen.

Soli-Tapete im Millerntor-Stadion (Quelle: http://savemtz.blogsport.eu)

Die maßgeblich an der Solidaritätskampagne beteiligten Fangruppen gehören zu den Vereinen FC St. Pauli, SV Babelsberg 03, Roter Stern Leipzig, Tennis Borussia Berlin und Victoria Hamburg. Geplant sind unter anderem Spiele gegen die zweiten Mannschaften von Tennis Borussia im Berliner Mommsenstadion und von Babelsberg 03 im Potsdamer Karl-Liebknecht-Stadion.

Emanzipatorische Ansätze

Die begleitende Veranstaltungsreihe hat den Titel "Another Football Is Possible", in Anlehnung an den Slogan "Eine andere Welt ist möglich" der globalisierungskritischen Bewegung. Verwiesen wird damit sowohl auf die kritische Betrachtung der Kommerzialisierung des Fußballs und der Entwicklung der Sportvereine zu Wirtschaftsunternehmen als auch auf mögliche emanzipatorische Ansätze. Denn es sind vor allem die Fanszenen, die gesellschaftliches Engagement pflegen und sich explizit in politische Diskurse einmischen.

Andererseits versuchen selbstverwaltete Vereine wie Roter Stern Leipzig oder FC Internationale Berlin zu zeigen, dass auch innerhalb von Vereinsstrukturen Alternativen möglich sind. Über solche Fragen soll im Rahmen der Tour bei Podiumsveranstaltungen unter anderem in Berlin und Leipzig diskutiert werden.

Angesichts rigider Visabestimmungen für Menschen aus Weißrussland und sehr begrenzter finanzieller Ressourcen ist die Organisation einer solchen Tour ein schwieriges Unterfangen. Fast wäre sie gescheitert, weil sich zunächst kein Verein in der Lage sah, Bürgschaften für Visa abzugeben. Das Problem konnte zwar gelöst werden, trotzdem sind die Veranstalter weiterhin auf Spenden angewiesen. Transport, Verpflegung und Begleitprogramm müssen bezahlt werden. Dem vorläufigen Terminplan zufolge soll die Tour am 17. März in Berlin beginnen. Über die Stationen Hamburg und Leipzig führt sie nach Potsdam-Babelsberg, wo am 22. März die Abschlussparty steigen soll. Ein ausführliches Programm, die endgültigen Termine sowie die Bankverbindung zum Spendenkonto finden sich unter: http://savemtz.blogsport.eu

Textübernahme aus der Jungle World

 

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