Streetart in Dresden.
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SG Dynamo Dresden: Rassismus ist kein Fangesang

Die SG Dynamo Dresden hat bundesweit einen miesen Ruf, die Fanszene gilt als mindestens rechts offen und jedenfalls als gewaltbereit. Dass die Fans sich dieses Jahr zum vierten Mal an den FARE Aktionswochen gegen Rassismus und Diskriminierung beteiligen, seit 2012 schon mit Flüchtlingen zusammen Fußballspiele besuchen oder gar die Ultras Dynamo Anfang der 2000er aus einer eher antifaschistischen Personengruppe heraus entstanden sind, lässt sich kaum glauben. Fußball-gegen-Nazis.de hat sich auf eine Spurensuche beim größten Sportverein in Ostdeutschland gemacht.

Von Redaktion FGN

„Love Dynamo – hate Racism“ lautet der einprägsame Spruch, den die 1. Mannschaft auf Initiative der antirassistischen Fangruppe 1953international zum Heimspiel gegen Fortuna Köln (0:0) vergangenes Wochenende getragen hat. Zur Partie eingeladen haben sie auch einige Asylsuchende, die derzeit im Dresdner Umland leben. Für sie ist ein Spieltag bei der SGD eine willkommene Abwechslung und Kontaktmöglichkeit mit Dresdner*innen. Schon seit der Saison 2012/2013 besuchen die Aktivisten des Dresdner Traditionsvereins immer wieder Heimspiele zusammen mit Flüchtlingen, gemeinsam mit der AG Asylsuchende Sächsische Schweiz wurden sie dafür 2013 mit dem Sächsischen Integrationspreis ausgezeichnet.

Seit über 10 Jahren engagieren sich Dynamo Fans gegen Rechts

„Rassismus und andere Formen der Diskriminierung sind ein Problem, dem sich eine freiheitliche, demokratische und moderne Gesellschaft überall stellen muss. Nicht nur im Stadion, aber auch dort“, so Dixie Dörner, Ehrenspielführer und aktuelles Aufsichtsratsmitglied der SG Dynamo Dresden. Seit 2006 ist eine antirassistische Faninitiative in der Dresdner Kurve aktiv, schon seit der Gründung des späteren DFB Fanprojekts Dresden im Jahr 2003 wurde antidiskriminierende Arbeit forciert. Einige Beobachter*innen sehen sogar die Gründung der Ultras Dynamo im Jahr 2000 als Beginn der Arbeit gegen Rechts, weil die neue Ultra-Kultur zu einer Verdrängung der bis dahin dominierenden rechtsgerichteten Hooligans führte. Auf Fotos aus der Anfangszeit der Ultras sind Che Guevara Flaggen und rote Sterne in der Kurve zu sehen, Gerüchten zufolge waren Dresdner Ultras auch außerhalb des Fußballstadions gegen Nazis aktiv. Mindestens verdrängte jedoch die fußballbezogene Anfeuerungskultur die neonazistisch skandierenden Hooligans.

Als letzter wichtiger Akteur des Dresdner Fußballs ist dann 2010 der Verein Dynamo Dresden selbst in die Arbeit gegen Menschenverachtung eingestiegen. Zwar wurde schon 2007 ein Nachtrag zur Stadionordnung erlassen, der das Tragen rechter Marken und Symbole im Dynamo Stadion verboten hat, dieser wird von vielen Fans aber als Feigenblatt und Einzelaktion der Geschäftsführung des Vereins gewertet. Aktuell arbeitet der Verein gemeinsam mit Fans und Fanprojekt an einer Neufassung des Nachtrags, um aktuelle Nazimarken und rechte Symboliken zu ergänzen, aber auch um die notwendige Mitsprache der Fans zu ermöglichen.

Auch der Verein ist nicht untätig

„Wir raten den Verantwortlichen im Verein immer, einen Dialog zwischen Fans und Verein herzustellen. Nur so fühlen sich die Fans als Akteure ernst genommen“, erklärt auch Jonas Gabler, Fanforscher und Mitarbeiter bei der Kompetenzgruppe Sportkulturen und Sportkultur bezogene Soziale Arbeit FoFaS. Die Kompetenzgruppe berät Vereine, wie den 1. FC Köln oder auch den BVB Dortmund, bei Problemen mit rechten Fans oder menschenverachtendem Gedankengut in der Kurve und Konflikten zwischen verschiedenen Fanlagern. Einiges, was Gabler als Ratschläge an die Vereine gibt, erinnert an Maßnahmen, die bei der SG Dynamo Dresden längst ergriffen wurden. Der Verein beschäftigt mit Marek Lange und Korinna Dittrich zwei Fanbeauftragte, die in einer eigenständigen Fanabteilung seit 2012 für und mit den Fans arbeiten, sensibilisiert für das Thema Diskriminierung sind und eine Brücke zwischen den verschiedenen Akteuren herstellen. Von ihnen ging auch die Idee für den SGD-Preis (alias Stark-Gegen-Diskriminierung) aus, den der Verein seit 2012 an zivilgesellschaftliche Projekte vergibt, die sich gegen Ausgrenzung und für ein Miteinander stark machen. Zuletzt ging der mit 5000 Euro dotierte Preis an den Infoladen Zittau, der in der grenznahen Kleinstadt einen Treffpunkt für linksalternative Jugendliche bietet und politische Bildungsarbeit betreibt, die in der ostsächsischen Region sonst zu oft von der NPD oder NPD nahen Organisationen übernommen wird.

Kern der antirassistischen Arbeit: 1953international

Abgesehen von einigen eigenen Aktivitäten kooperiert der Verein sehr stark mit der antirassistischen Faninitiative 1953international, die den Kern der Arbeit gegen Diskriminierung im Dresdner Stadion zu bilden scheint und auch durch steten Druck auf die Vereinsführung selbige für die Wichtigkeit des Themas überzeugen konnte. „Ohne 1953international wäre der Verein doch selbst nie so aktiv geworden, wie er heute ist. Bis jetzt gehen die meisten coolen Aktionen doch von den Fans aus – wobei der Kontakt zu den Fanbeauftragten immer hilfreich ist“, schätzt ein langjähriger Fan der Sportgemeinschaft, nennen wir ihn Walther, ein.

Unterstützung kommt auch vom Dresdner Fanprojekt

Nicht unwesentlich war dabei aber das Dresdner Fanprojekt, welches die Initiative 1953international bei ihrer Gründung beraten hat und seit dem auch immer wieder Unterstützung bietet. Außerdem setzen die Mitarbeiter*innen des Fanprojekts selbst Akzente in der Arbeit. Im Herbst 2012 zeigten sie beispielsweise die Ausstellung „Tatort Stadion 2“, die sich mit Fußball und Diskriminierung beschäftigt. Oder sie touren mit einer Streetkick-Anlage, auf deren Banden „Love Dynamo – hate Racism“ steht, einmal nahmen sie sogar am Christopher Streetday in Dresden teil. Mit dem Lernzentrum Denk-Anstoß führen sie seit Jahren Workshops an Schulen durch, einen zum Thema Rassismus im Fußball.

Good practices in Dresden

Damit sind im Fußballumfeld der SG Dynamo Dresden einige Akteure auf verschiedenen Ebenen aktiv und treten spürbar für ein faires Miteinander und gegen Menschenverachtung ein. „Ich finde auch, dass man das merkt. In den letzten Jahren gibt es im Stadion immer weniger Nazi-Mist und vorletztes Jahr hat unser Capo Lehmi auch noch mal ne klare Ansage gemacht, dass rassistische Sprechchöre nicht klar gehen. Auch das U-Bahn-Lied wird zu Hause schon lange nicht mehr gesungen, das haben die Meisten schon kapiert“, so Walther weiter. Baustellen sehen er und andere Fans noch bei den Themen Sexismus und Homophobie. Befürchtungen gibt es auch, weil der Verein seit 2014 wieder in der 3. Liga spielt und unterklassige Vereine bekanntlich  weniger öffentlichen Druck spüren, gegen Menschenverachtung in ihrer Fanszene aktiv zu bleiben.

Über die Jahre gesehen zeigen die Maßnahmen der Fans, des Vereins und des Fanprojekts trotzdem Wirkung. Der Verein tut gut daran, Impulse, die aus der Kurve selbst kommen, aufzunehmen und zu verstärken. Ohne Frage hat die SG Dynamo Dresden so nicht alle Probleme gelöst. In der Dresdner Kurve zu stehen, fühlt sich nicht an, wie beim deutlich politischeren Verein Tennis Borussia Berlin zu sein, von deren Fans die Kampagne „Fußballfans gegen Homophobie“ ausgeht. Aber so mies, wie ihr Ruf, sind der Ostclub und seine Fans dann eben auch nicht. 

***UPDATE***

Wie die Sächsische Zeitung am 23.10. berichtet, gab es nach dem Heimspiel, zu der auch die 4. FARE Aktion lief, einen Übergriff auf drei Tunesier auf Höhe der Sportsbar "Acki´s", der Staatsschutz ermittelt jetzt. Auf Höhe dieser Bar aus war zuletzt auch der Mannschaftsbus von St. Pauli mit Steinen angegriffen wurden. In Dresden ist bekannt, dass am Acki´s häufig sehr unangenehme Gestalten zugegen sind, so einige dürften nach ihrem Kleidungsstil auch der rechten Szene zuzuordnen sein. Jetzt sollte man von 1953international und auch vom Verein ein Statement erwarten.

30.10.2014: 1953international äußerte sich mittlerweile zum Vorfall wie folgt: "Am Mittwoch nach dem Spiel mussten wir allerdings eine Pressemitteilung der Polizei zur Kenntnis nehmen, in der von einem ekelhaften Übergriff auf drei tunesische Staatsangehörige die Rede ist. Auch wenn die Hintergründe noch nicht geklärt sind, motivieren uns solche Vorkommnisse nur um so mehr, Rassismus bei unserer SG Dynamo, in Dresden, in Sachsen, in Deutschland und überall kontinuierlich entgegen zu treten! Wir werden versuchen, in Kontakt mit den Opfern zu treten und sie zu unseren Heimspielen einzuladen, damit unser Stadion das bleibt, was alle immer erzählen: ein bunter Querschnitt unserer Gesellschaft. LOVE DYNAMO – HATE RACISM"

 

 

 

Mehr zu Dynamo Dresden auf fussball-gegen-nazis.de: 

- Interview mit 1953international

- Beitrag zum Fanprojekt Dresden

- oder unter "Vereine >> Dynamo Dresden"

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