Das Spiel Dortmund gegen Bayern wird zum schwarz-rot-goldenen Finale hochstilisiert (Titelbild "Tip der Woche")
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Deutsche Invasion: Wie Fans aus dem CL-Finale einen Nationenkampf machen

Morgen findet in London das Champions-League-Finale mit zwei deutschen Mannschaften statt. Für einige Fans ist das Grund genug, das Spiel zum Kampf "Deutschland gegen England" zu stilisieren. Sie rufen zu gemeinsamen Choreos auf.

Von Andreas Bock

Fußballspiele brauchen Labels. Es gibt heutzutage jedenfalls kaum eine Partie, die ohne knackigen Titel auskommt. Dabei ist es erst einmal egal, wie groß diese Spiele sind oder wie viel Strahlkraft die Mannschaften haben. Nahezu jede Woche müssen wir erfahren, dass demnächst irgendwo ein "Giganten-Treffen", ein "Hassgipfel" oder ein "Angstspiel" ansteht.
 

Am 25. Mai findet in London das Champions-League-Finale statt, und natürlich gibt es auch dafür allerhand Slogans. Da ist bereits jetzt vom "Gift-Gipfel" und von "Final-Feinden" ("Bild") zu lesen, derweil Fans in sozialen Netzwerken das "Deutsche Finale" besingen. Zunächst mag das einige moderate und neutrale Zuschauer erfreuen, schließlich steigen die Anhänger nicht in den Pöbelwettstreit ein. Allein, sie stilisieren das Spiel zu einem Kampf "Deutschland gegen England".
 
Alles in allem ergibt sich daraus das alte klebrige Wir-sind-(wieder)-wer-Gerede. Neulich hat "Sport1" zum Beispiel einen Aufruf auf seiner Facebook-Seite geteilt, der sich in Windeseile auf mehreren tausend User-Seiten wiederfand: 

"Flug nach London 198 Euro
Eintrittskarte 125 Euro
Fanschal 30 Euro
 
Die Gesichter der Engländer, wenn Dortmunder und Münchener gemeinsam ›Football’s coming home‹ singen... unbezahlbar."
 
Dazu findet man in den Facebook-Kommentarspalten Sätze wie "German Invasion to England", "Bin dafür, dass die Insel neu besiedelt wird", "Teilt euch doch den Pott, und Deutschland kann über beide jubeln", "Die Inselaffen hätten es verdient", "Ich glaub ich hätt’ Pipi in den Augen" oder "England hat eine Queen, wir bald den Pokal".

"Es wäre endlos geil!"
 
Auch im Forum von transfermarkt.de freuen sich die Fans auf eine gemeinsame Sache: "Ich hoffe, die BVB-Anhänger können sich mit unseren Fans darauf verständigen, dass wir die ersten zehn Minuten im Wembley ›Football is coming home‹ singen." Die Antwort: "Es wäre endlos geil!"
 
In den vergangenen Tagen kursierten zudem Mails, in denen Fans dazu aufriefen, gemeinsame BVB- und FCB-Fan-Aktionen beim Finale zu starten. Die Engländer, so die Erklärung, würden sich dann in ihrem eigenen Stadion grün und blau ärgern, wenn wir, die Deutschen, ihnen zeigten, wie mächtig wir sind.

Nur: Wer sind wir überhaupt?
 
Eine "Wir-vereint-gegen-die"-Rhetorik kennt man sonst nur von den Fußballanhängern, die zu Großturnieren mit Rückspiegel-Fähnchen und Xavier Naidoo im Autoradio zur Fanmeile fahren. Das ist manchmal auch etwas seltsam, doch letztendlich sehen wir dort immerhin Fußballspiele, in denen die Auswahlteams verschiedener Nationen aufeinandertreffen.
 

Die nationale Einheit steht über allem
 
Über dem jetzigen Verbrüderungs- und Verständigungskonstrukt schwebt der kleinste gemeinsame Nenner: die (zufällige) gemeinsame Nationalität. Und manchmal klingt es, als sei es sogar BVB- und FCB-Fans egal, welcher Verein Champions-League-Sieger wird. Auszug aus einer anderen Reaktion unter dem besagten Aufruf:
 
"Wir wollen eine Choreographie schaffen, in der beide Fanlager zusammenarbeiten. Die Vereinsfarben wären auf beiden Seiten sichtbar sein, aber in der Mitte des Stadions soll eine Deutschlandfahne entstehen. Mein Herz schlägt Schwarz-Gelb, aber dennoch freue ich mich endlich wieder auf einen deutschen Sieger."
 
Grundtenor: Die nationale Einheit steht über allem. Hauptsache ein deutscher Klub wird Champions-League-Sieger, und Hauptsache eine andere Nation ist (vermeintlich) gedemütigt worden. Dann kann man wieder breite Brust zeigen am Strand von El Arenal, dann kann man wieder stolz gucken, wenn einen wildfremde Leute am Flughafen ansprechen: "Ach, Sie sind Deutscher? Super habt ihr das gemacht!" Ganz egal, ob der eigene Verein verloren hat oder eigentlich weder der FC Bayern noch Borussia Dortmund ist, sondern KFC Uerdingen oder Holstein Kiel heißt.

Wir gegen die

Ein Wunder, dass noch niemand eine Dortmund-Duisburg-Bochum-Schalke-Allianz gefordert hat, die gemeinsam im Wembley-Stadion "Ruhrpott" skandiert. Oder Augsburg-, Löwen- und Nürnberg-Fans dazu animiert hat, sich in den FCB-Block zu stellen, um dort ein kollektives "Bayern" anzustimmen. Wir gegen die.
 
Noch einmal zur Erinnerung:  Am 25. Mai findet in London das Champions-League-Finale der Saison 2012/13 zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern. Das ist für die Fans beider Lager, aber auch für alle neutralen Bundesliga-Fans vermutlich das interessanteste Endspiel in der Geschichte des Wettbewerbs, schließlich gab es eine vergleichbare Konstellation seit Bestehen der Champions League noch nie. Und schließlich kennen die Bundesliga-Fans die Mannschaften besser als die spanischen oder englischen Teams. Kurzum: Das Finale ist weder ein "Gift-Gipfel" noch ein Kampf "Deutschland gegen England", es ist das Finale der vermutlich besten Mannschaften und größten Rivalen der vergangenen Jahre.

Auch um zurück zu dieser Normalität und Sachlichkeit zu kommen, erhob die Bayern-Ultra-Gruppe "Schickeria" vergangenes Wochenende eine unsachliche Gegenstimme. Sie entrollte ein Banner mit den Worten "Alle reden vom deutschen Finale. Wir nicht! Wir sind Bayern! Wir sind München! Scheiß BVB!" Eine ehrliche, dreckige Fanpeitsche.
 

Die Engländer nehmen es mit Selbstironie
 
Auch die Engländer machen bei dieser ganzen Hysterie nicht mit. Im Gegenteil. Sie schreiben unaufgeregt, selbstironisch und lobend über die deutschen Teams. Keine Spur von einem wie auch immer gearteten Nationenkampf in zweieinhalb Wochen. Die "Sun" schrieb nach den Vier-Tore-Halbfinal-Hinspielen "Four-Sprung durch Technik", und die "Daily Mail" titelte nach den Halbfinalsiegen des BVB und FC Bayern extrem lässig: "Fussball’s coming home: Keine Beschwerde. Warum auch? Es ist quasi unmöglich, zu bestreiten, dass die zwei Top-Klubs in der Bundesliga derzeit auch die zwei besten in Europa sind."

Und bei englischen Twitterern kursiert derweil Gag, die Deutschen hätten im Wembley-Stadion schon ihre Handtücher ausgelegt, um die Plätze zu reservieren. Das kennt man ja. Vom Urlaub in El Arenal.

 

Textübernahme mit freundlicher Genehmigung von

11freunde.de

 

 

 

 

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