Die Facebookseite von Fankultur.com - wurden hier Fußballbegeisterte vom Verfassungsschutz ausgespäht?
Screenshot Facebook, 26.9.2014

Der V-Mann in der Fanszene

Martin Thein machte sich in den vergangenen Jahren als Fußballfanforscher einen Namen. Er war viel in den Fanszenen des Landes unterwegs und veröffentlichte mehrere Bücher beim Göttinger „Werkstatt-Verlag“. Hierfür reiste er quer durch die Republik und interviewte Anhänger verschiedener Vereine, zudem war er 2011 Mitbegründer des Webportals fankultur.com. Seine Karriere endete nun jäh mit der Veröffentlichung des Buches „Heimatschutz“ von Stefan Aust und Dirk Laabs, in dem er als „V-Mann-Führer im NSU-Umfeld“ Erwähnung findet.

Von Marc Latsch

Als sich Martin Thein beim „Werkstatt-Verlag“ vorstellte, gab er die Universität Köln als seinen Tätigkeitsort an. Die Stadt war auch korrekt, nur arbeitete er dort für das „Bundesamt für Verfassungsschutz“. Wie erst durch die Recherche der Autoren Stefan Aust und Dirk Laabs bekannt wurde, ist Thein dort bereits seit zwei Jahrzehnten angestellt. Lange Zeit war er dort im operativen Geschäft tätig, 2004 soll er in die Verwaltung gewechselt sein. Er war damals nicht nur als V-Mann im Umfeld der NSU aktiv, sondern soll auch den V-Mann „Tarif“ mitbetreut haben. Dieses Pseudonym gehört zu Michael See, einem ehemaligen NPD-Mitglied mit Affinität zu rechtem Terror. Im November 2011, sieben Tage nach der Enttarnung des NSU, schredderte das Bundesamt für Verfassungsschutz dessen Akte.

Der Verfassungsschutz liest mit

Nach seinem Ausstieg aus dem operativen Geschäft strebte Thein nach einer Karriere in der Wissenschaft. Ab 2006 promoviert er bei Professor Werner Patzelt in Dresden. Dort schreibt er, dass deutsche Neonazis kaum noch gewalttätig seien. Schließlich wendete er sich vermehrt dem Fußball zu und baute 2011 an der Universität Würzburg das Institut für Fankultur mit auf, mit dem auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zusammenarbeitete. Im selben Jahr ging dann auch das Webportal fankultur.com online. Es kann angesichts Theins „Nebentätigkeiten“ nicht ausgeschlossen werden, dass dort der Verfassungsschutz regelmäßig mitliest und Erkenntnisse über die deutschen Fanszenen sammelt.

Anwerbeversuche in Fan-Kreisen

Ansonsten suchte der umtriebige Fanforscher nach Anschluss in der Szene. Sowohl zu bekannten Wissenschaftlern wie Gerd Dembowski, als auch zu den einzelnen Fanszenen bemühte er sich um einen intensiven Kontakt. Für seine Bücher interviewt Thein die Fans von Dynamo Dresden und dem 1.FC Köln, als Club-Anhänger genießt er das Vertrauen der Nürnberger Ultras. In allen drei Städten gab es nach dem Auftreten Theins Anwerbeversuche vom Verfassungsschutz in den Reihen der Fans. Eine Auffälligkeit bei der aus heutiger Sicht der Zufall wohl gänzlich ausgeschlossen werden kann. Seit dem Bekanntwerden seiner V-Mann-Tätigkeit hat sich Thein übrigens gänzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er deaktivierte seine Mail-Adresse, seinen Facebook-Account und seine Telefonnummer. Zu den Vorwürfen hat er sich bis heute nicht geäußert.

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