Die "Bad Blue Boys" sind die berüchtigste Fangruppierung Kroatiens
flickr/ cc/ Rasiermesser Kalle

In der Tradition der Ustascha – Rechtsextremismus im kroatischen Fußball

Am 22. Juli traf in Novigrad die U21 von Manchester City auf den kroatischen Erstligaverein HNK Rijeka. Was ein Testspiel zur Saisonvorbereitung werden sollte endete in einem Eklat:  Der dunkelhäutige französische Juniorennationalspieler Seko Fofana soll von einem Gegenspieler rassistisch beleidigt worden sein. Trainer Patrick Viera nahm sein Team anschließend vom Feld, die Begegnung wurde abgebrochen. Die Untersuchungen zu diesem Vorfall laufen noch, doch Rassismus und extremer Nationalismus sind im politisch aufgeladenen Kroatischen Fußball leider keine Seltenheit. Auch Bekenntnisse zur faschistischen Ustascha-Bewegung und Serbenhass sind Alltag in den Stadien der Republik im Südosten Europas.

Von Marc Latsch

Fußball ist in Kroatien bis zum heutigen Tage eine Form der politischen Vergangenheitsbewältigung. Das mag nicht wirklich überraschen, wenn man bedenkt, welche bedeutende Rolle der Sport für die Anfänge des Jugoslawien-Konflikts gespielt hat. Der 13. Mai 1990 gilt für viele kroatische und serbische Fans als der eigentliche Kriegsbeginn, nicht die ein Jahr später erfolgenden Unabhängigkeitserklärungen Slowenien und Kroatiens. An diesem Tag sollten mit Dinamo Zagreb und Roter Stern Belgrad zwei Hochkaräter des jugoslawischen Fußballs aufeinandertreffen. Doch 40 Minuten vor Spielbeginn stürmten Mitglieder der „Bad Blue Boys“, der bedeutendsten Fangruppierung Dinamos, auf das Spielfeld. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit den serbischen Gästefans und der Polizei, zahlreiche Verletzte und einige Schwerverletzte waren zu beklagen. Das Spiel wurde nicht angepfiffen. Dinamos Spieler Zvonomir Boban wurde außerdem mit seinem Kung Fu-Tritt gegen einen Polizisten zum Symbol des Aufbegehrens gegen den jugoslawischen Staat.

Eine Armee aus Fans

Doch die geschichtliche Relevanz der „Bad Blue Boys“ war mit diesem Tag noch längst nicht beendet. Die fanatischen Anhänger Dinamos blieben richtungsweisend für die Anfänge des Unabhängigkeitskrieges. Als den Kroaten im aufkeimenden Konflikt zunächst die militärischen Strukturen fehlten, nahmen die Fans den Kampf selbst in die Hand. Ausgestattet mit kroatischen Abzeichen, der Bulldogge als Logo ihrer Gruppierung und Schusswaffen forcierten sie den „Befreiungskampf“. Der Krieg ist nun seit beinahe zwei Jahrzehnten beendet, doch der Fanatismus und die Außenwirkung der Ultras sind geblieben. Die BBB gelten als eine der brutalsten Fangruppierungen der Welt, ausgestattet mit großem Einfluss auf den Verein und einem extremen Nationalismus. Im Juli 2003 wurde eine Gruppe von sechs Ägyptern (ein Kind und fünf ältere Menschen) auf offener Straße brutal von Nazi-Skinheads zusammengeschlagen, ein Großteil der Angreifer gehörte den „Bad Blue Boys“ an. Auch im eigenen Verein ist die Gruppierung gefürchtet, griffen sie doch bereits eigene Spieler an und setzten eine Stadionloge in Brand um ihre Forderungen durchzusetzen. Ideologisch befindet sich Vereinspräsident Zdravko Mamic allerdings scheinbar auf Linie der BBB. Im Vorfeld des Spiels gegen Serbien im März 2013 bezeichnete er den der serbischen Minderheit angehörigen kroatischen Sportminister Zeljko Jovanovic als „Kroatenhasser“, der eine „Beleidigung für den kroatischen Geist“ sei.

Rassismus als Alltagsphänomen

Nun sind solche Ausfälle allerdings kein Alleinstellungsmerkmal der Ultras von Dinamo Zagreb. Die beiden weiteren größten Fangruppierung Kroatiens, die mit der BBB verfeindete „Torcida“ aus Split und die „Armada Rijeka“ des bereits erwähnten HNK verfügen ebenfalls über klare rechtsextreme Tendenzen. Die „Torcida“ fiel insbesondere im November 2007 auf, als sie in Anlehnung an die Hitlerjugend schwarze T-Shirts im Nazi-Design mit der Aufschrift „Hajduk Jugend“ drucken ließen. Auch der HNK Rijeka machte bereits vor der Partie gegen Manchester City mit Negativschlagzeilen von sich Reden: Im Herbst 2013 wurde der Verein wegen rassistischer Äußerungen seiner Fans zu einer Geldstrafe von 8000 Euro und zu einer Teilsperrung des Stadions beim nächsten Heimspiel verurteilt. Beobachter berichten immer wieder über rechtsextreme Symbole in der Heimkurve, Keltenkreuze gehören zum Standardrepertoire der Fans. Insgesamt stehen die Allermeisten der Fanszenen im Kroatischen Fußball politisch rechts, eine Gemeinsamkeit die besonders zum Tragen kommt, wenn die Kroatische Nationalmannschaft ihre Spiele austrägt.

„Za Dom – Spremni“

Im vergangenen Herbst löste Kroatien in Relegationsspielen das Ticket für die Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Josip Simunic, langjähriger Bundesligaprofi u.a. bei Hertha BSC, lief nach der Partie zur Fankurve und skandierte mehrmals „Za Dom“, die Menge antwortete mit „Spremni“. Seine persönliche WM-Teilnahme war damit vom Tisch, die Fifa sperrte den Verteidiger für zehn Länderspiele und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 30000 Franken. „Za dom –Spremni“ (Dt. „Für die Heimat bereit“) war die Grußformel der Ustascha,  die sich, 1929 als Geheimbund gegründet, zu einer faschistischen Bewegung entwickelte. Fünf Jahre Später beteiligte sich die Ustascha am erfolgreichen Mordanschlag auf König Alexander I., 1941 wurde ihr Gründer Ante Pavelic durch die Unterstützung der Achsenmächte Diktator des neugegründeten „Unabhängigen Staats Kroatien“. Als treuer Verbündeter des Deutschen Reichs wurden Konzentrationslager für Serben, Juden, Roma und kroatische Antifaschisten errichtet, der Herrschaft der Ustascha fielen je nach Schätzung zwischen 300000 und 750000 Menschen zum Opfer. Die Reaktionen der kroatischen Öffentlichkeit auf die Sperre für Simunic waren dennoch gespalten. Viele Journalisten zeigten sich empört über die Aktion des Spielers, während in den sozialen Netzwerken und Fußballstadien Sympathiebekundungen überwogen. Der kroatische Verband erwog sogar einen Einspruch gegen das Fifa-Urteil, Nationaltrainer Niko Kovac zeigte sich eher von der Sperre als der Aktion des Spielers enttäuscht. Der Spieler selbst hatte mit einem solchen Durchgreifen der Fifa wohl auch nicht gerechnet, gehört die Verehrung der Ustascha doch fest zur kroatischen Fankultur.

Nationalistische Exzesse in der Fankurve

Kaum ein Länderspiels Kroatiens vergeht ohne rechtsradikale und rassistische Äußerungen oder das Hissen von Flaggen der Ustascha. Die Liste an Verfehlungen kroatischer Fußballfans in jüngerer Vergangenheit ist lang und die im Folgenden genannten Beispiele sind beliebig zu ergänzen: 2007 formen Zuschauer in kroatischen Fanblock ein großes „U“ zur Huldigung der faschistischen Bewegung. Bei der Europameisterschaft 2008 soll der damalige Nationaltrainer Slaven Bilic nach dem Sieg gegen Österreich Musik des extremen Nationalisten und Ustascha-Verherrlichers „Thompson“ gespielt haben. Vier Jahre später bewarfen Fans im Spiel gegen Italien Mario Balotelli mit Bananen. Im März 2013 sangen Tausende Menschen beim Aufeinandertreffen mit Serbien die Parole „Tötet die Serben“. Außerdem wurde der kroatische Fußballverband immer wieder wegen rechtsradikaler Salutierungen und gewalttätiger Ausschreitungen zu Geldstrafen verurteilt. Der Fußball in Kroatien symbolisiert dabei auch die mangelnde Vergangenheitsbewältigung innerhalb der kroatischen Gesellschaft. Angestachelt vom Nationalismus des noch frischen Jugoslawienkonflikts ist die Aufarbeitung des faschistischen Regimes der Ustascha nur unzureichend erfolgt. Auf dieser Grundlage werden kroatische Fankurven wohl auch noch in den kommenden Jahren ein Hort für Rassismus, extremen Nationalismus und faschistische Symbolik bleiben.

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