Podium auf dem Fankongress in Berlin: Lauter weiße Männer, alle einig gegen Diskriminierung, die sie nicht betrifft.
ngn/lp

Alles nicht politisch? Arbeit gegen Diskriminierung in den Fankurven

Vergangenes Wochenende fand in Berlin der Fankongress statt. Ausgerichtet von Fußballfanorganisationen wie "Unsere Kurve" und "Pro Fans" fanden sich an zwei Tagen über 690 Fans aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen. Abseits aller Vereinsfeindschaften diskutierten sie über ein fanfreundliches Stadionerlebnis, Mitbestimmung in den Vereinen, Sozialarbeit in den Kurven und eben auch die Selbstregulierung dieser bei diskriminierenden Vorfälle.

Von Laura Piotrowski

Am Sonntag Vormittag sitzen mehrheitlich weiße Männer im Publikum und verfolgen die letzte Podiumsdiskussion auf dem Fankongress. Platz genommen haben hier Fanvertreter, Fanbeauftragte, Fansozialarbeiter und ein Fanforscher – allesamt weiße Männer. Sie kommen aus München, Dortmund oder Babelsberg. Aber wer diskutiert hier eigentlich und wen repräsentieren die Diskussionsparteien? Der Widerspruch ist allzu deutlich, auch aus dem Publikum kommt die Kritik, dass hier eine gesellschaftliche privilegierte Mehrheit über Diskriminierung reden will, ohne dass nur eine Betroffenenperspektive mit am Tisch sitzt. Schnell sind sich so auch alle Diskutanten einig, Diskriminierung dürfe es im Fußball nicht geben, das sei nicht politisch, sondern schon "dem gesunden Menschenverstand" geschuldet.

Zwar betont der Vertreter von Babelsberg: "Es gibt keinen politikfreien Raum, auch nicht das Fußballstadion!" Trotzdem kommt keine Kontroverse auf, die politikfreie Devise der anderen wird nicht kritisiert, man steht harmonisch zusammen. Aufgrund der Eskalation in manchen Kurven in den vergangenen Wochen hatten eigentlich viele im Publikum erwartet, dass bei der Diskussion auch über Aachen oder Dortmund gesprochen wird, Selbstregulierung anhand aktueller Beispiele diskutiert und diskriminierungsfreie Räume eingefordert werden. Auf konkrete Vorkommnisse gehen die Diskutanten aber gar nicht ein, bestätigen sich nur gemeinsam in Platitüden, die jede*r szenekundige Beobachter*in schon gehört hat. Politik gehöre nichts ins Stadion, gerade ohne Politik gäbe es auch keine Diskriminierung, Vereine und vor allem Fansozialarbeit müssten sich mit dem Thema befassen – weil die Kurve eben auch nur ein Abbild der Gesellschaft sei und man müsse doch Emotionen ausleben dürfen.

Spannend an der Debatte hätte die Frage sein können, wie diese "Selbstregulierung" eigentlich von statten gehen sollte. Auf dem Markt der Möglichkeiten des Kongresses stellte sich auch ein Forschungsprojekt der Uni Kassel vor, dass die Selbstregulationskompetenz von Fußballfans untersuchen möchte. Die Diskutanten verlieren über die Selbstregulierung wenige Worte, nur dass die Fanprojekte eine wichtige Rolle spielen und neutrale Räume für Aushandlungsprozesse innerhalb und zwischen den Fangruppen zur Verfügung gestellt werden müssen. Den Einwurf eines Publikumsteilnehmers, dass man sich hier doch nicht selbst belügen müsse und Selbstregulierung in den Kurven vor allem Gewalt bedeute, übergehen alle geschickt. Genauso umschiffen die Diskutanten die Frage nach Selbstreflektion als Grundlage jeder Arbeit gegen Diskriminierung. Gut, dass die Macher*innen vom Fankongress von vornherein bestimmte Gruppen von der Teilnahme ausgeschlossen haben, in der Hausordnung wird klar gesagt, dass Diskriminierungen jeder Art untersagt sind. Also finden sich im Kosmos auch keine der Gruppen ein, die aktuell daran arbeiten, dass die Kurven kein diskriminierungsfreier Raum sind – so dass darüber auch nicht gesprochen wurde.

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