Titelbild des Flyers zu #Moderation aus der Flyer-Reihe der Amadeu Antonio Stiftung Digital zum Umgang mit Hate Speech.
Amadeu Antonio Stiftung

Was tun, wenn mir als Seiten-Moderator/in Hate Speech begegnet?

Herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie eine Social Media-Seite oder eine Kommentarspalte betreuen, können Sie besonders viel für eine gute digitale Debattenkultur tun! Die Schattenseite ist, dass Sie vermutlich auch viele diskriminierenden Postings lesen müssen. Und die Grenzen zwischen Gerade-noch-Zulässigem und Inakzeptablem sind nicht immer leicht zu ziehen …

 

Was Sie brauchen:

 

  • Öffentlich einsehbare Diskussionsregeln/Netiquette, auf die Sie sich beziehen können

  • In Unternehmen: Eine Ansprechperson in der Leitung mit offenem Ohr für neu auftretende Probleme

  • Ein Konzept im Umgang mit Hate Speech – denn es gibt nicht den EINEN Umgang. Wägen Sie ab, wo Sie sich zwischen »alles zulassen« und »Schutz von Minderheiten/Bedrohten« positionieren wollen. Möglich sind:

  • Moderieren ➜ Vorteil: Raum für plurale Debatten; Minderheitenschutz, Diskussionsregeln. Nachteil: Aufwändig, teuer

  • Diskutieren ➜ Vorteil: Nutzer*innen sind an redaktioneller Meinung interessiert, Autor*in wirkt überzeugend. Nachteil: Sehr aufwändig, kostet Zeit und Nerven

  • Sich Positionieren ➜ Vorteil: Zeigt Haltung, ermutigt andere. Nachteil: Regt zu Protest an. Kann Leserbindung stärken und schwächen

  • Löschen ➜ Vorteil: Community wird nicht mit Rassismus o.ä. belästigt, Grenzen werden gezeigt. Nachteil: Zensur-Vorwurf

  • Nicht empfehlen würden wir: Ignorieren ➜ Vorteil: Keine Aufmerksamkeit für schlechtes Benehmen. Nachteil: Laute Debatte, Menschen werden auf Ihrer Seite beschimpft

  • Zwiespältig: Ironisieren ➜ Vorteil: Zeigt Haltung, Ventil für Frust, Lenken der Diskussion. Nachteil: keine offene Diskussion, verhärtete Fronten

  • Je nachdem, wie Sie moderieren wollen, brauchen Sie genügend und gut geschulte Moderator*innen! Dabei sollten Sie entscheiden: Sollen diese in verschiedenen Stilen (und mit Kennzeichnung) oder alle einheitlich nach außen kommunizieren?

 

Wie moderieren?

  • Formulieren Sie möglichst klare Grenzen: Kommt nur Strafbares raus? Oder auch Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, …? Am besten mit Beispielen festhalten!

  • Pflegen Sie Ihre »trusted User«, also diejenigen, die regelmäßig konstruktiv mitdiskutieren. Schreiben Sie sie an, loben Sie sie, danken Sie ihnen – es motiviert die, die an der Basis diskutieren.

  • Reagieren Sie zuerst auf einen sachlichen und/oder konstruktiven Kommentar! Auf vielen Social Media-Seiten wird der Kommentar, auf den Sie als Moderation zuerst reagieren, oben angezeigt – und bestimmt damit den Ton weiterer Beiträge.

  • Wenn viele Hasskommentare zu einem Thema kommen: Beantworten Sie nicht jeden Vorwurf. Ein Statement auf die Homepage/Social Media-Seite, auf das Sie verweisen können, reicht aus.

 

 

Hilfreich kann sein:

  • Liste aktueller abwertender Begriffe, um Mitmoderator*innen zu informieren

  • Formulieren Sie Grundlagen-Antworten zu Abwertungen, die öfter vorkommen.

  • Fortbildungen etwa zu Gesprächsstrategien, die eine konstruktive Debatte zerstören, wie Themenhopping (Gegenstrategie: nur ein Thema diskutieren), Whataboutism (Gegenstrategie: nicht provozieren lassen, Denkfehler benennen), Propaganda-Spam (Gegenstrategie: einmal beantworten, dann ignorieren/löschen), personalisierte Lügen und Pseudowissenschaft (Gegenstrategie: Quellen fordern, selbst prüfen)

  • Seien Sie in der Redaktion solidarisch! Wenn jemand einen Fehler macht, helfen Sie sich gegenseitig. Vorwürfe kommen genug von außen!

  • Erleben Sie Online-Hate, sprechen Sie das offline an, um es zu verarbeiten – als kollegiale Fall-Beratung, mit Freund*innen oder mit professioneller Unterstützung. Suchen Sie auf alle Fälle professionelle Hilfe, wenn Sie merken, dass die Moderation Sie stark belastet, etwa nicht mehr abschalten und schlafen lässt.

 

Grundlegend für den Umgang mit populistischen Argumentationen:

  • Immer fragen: Bis zum Kern der Aussage. Nach Lösungen. Auch Zahlen und Fakten hinterfragen

  • Menschenfeindliche Positionen benennen und erklären

  • Übersetzen: Was wird gesagt – und was ist gemeint

  • Möglichst wenig Bühne zur Selbstinszenierung geben – und die Inszenierung hinterfragen

  • Nicht durchgehen lassen: Inszenierung als Retterin der Demokratie; Emotionen statt Fakten; Versuch, mit wenig fassbaren Aussagen durchzukommen; Umdeutung von Begriffen (»Rassismus gegen Weiße« etc.); Einforderung von radikalen Lösungen; Erweiterung des Sagbaren; Kulturalisierung von Konflikten

  • Bei Sachthemen: Lieber inhaltliche Auseinandersetzung statt kompletter Ausgrenzung

  • Differenzieren Sie zwischen Menschen mit geschlossenen Weltbildern, die nur agitieren, und Menschen, die (noch) am Gespräch interessiert sind.

  • Don’ts: Belehren, Moralisieren, Wut, Überheblichkeit, Lächerlich-Machen über Dinge, die nichts mit Politik zu tun haben (z.B. Orthographie, Profilbild etc.)

 

Ziel der Moderation:

  • Eine möglichst diskriminierungsfreie Debatte, in der alle zu Wort kommen können, die sich an die grundlegenden Debatten-Regeln halten

  • Weniger Alltagsrassismus, Diskriminierung, Verbreitung und Normalisierung von Vorurteilen, mehr Empathie, Nachdenklichkeit und Medienkompetenz

  • Im Internet überzeugt man keine Menschen mit geschlossenen abwertenden Weltbildern von der Demokratie.

  • Aber: Demokratische Menschen stärken sich gegenseitig oder können von professionellen Netzwerken gestärkt werden.

  • Unentschlossene oder Unüberlegte können zum Nachdenken angeregt werden.

 

ENGAGIEREN SIE SICH MIT UNS!

 

Ich will selbst eine Initiative gründen.

Die Amadeu Antonio Stiftung berät, fördert und vernetzt Projekte:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/projektfoerderung

 

Ich will helfen, die Debattenkultur im Internet zu verbessern.

Beratung, Fortbildung, Qualifizierung und Unterstützungbieten:

 

Ich möchte an meiner Schule/Bildungseinrichtung einen Workshop veranstalten, damit noch mehr Menschen in der Lage sind, gegen Hate Speech zu argumentieren.

Bundesweites Workshop-Angebot »Hate Speech begegnen«, umgesetzt von jungen Trainer*innen nach dem peer trainer-Prinzip:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/peer-training

 

INFORMATIONEN UND MATERIALIEN

 

Belltower.News – Netz für digitale Zivilgesellschaft

Tagesaktuelles journalistisches Informationsportal zu Demokratie-Gefährdung on- und offline
www.belltower.news

Publikationen der Amadeu Antonio Stiftung

Praktische Handreichungen für die demokratische Zivilgesellschaft, kostenlos, gedruckt oder zum Download verfügbar unter:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/#Soziale_Netzwerke

 

 

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