Antisemitisches Bild, das Jan-Ulrich Weiß von der AfD Brandenburg auf Facebook teilte: "Wir steuern deine Nachrichten, Medien, Öl und Deine Regierung". Für AfD-Chef Bernd Lucke einer von den "relativ vielen Einzelfällen".
Screenshot Facebook

Was ist eigentlich rechtsextrem an der AfD?

Die AfD ist nicht rechtsextrem. Oder? Rechtsextrem sind jedenfalls die politische Herkunft sowie die Handlungen einiger AfD-Mitglieder in ganz Deutschland. Mit den Worten des AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke handelt es sich dabei um „relativ viele Einzelfälle“, ein hübscher Euphemismus. "An sich" sei die Partei aber nicht „ausländerfeindlich“ und reagiere entsprechend. Bisher heißt das: Ehemalige Mitglieder rechtsextremer Parteien wie NPD und DVU sind nicht willkommen. Bei Mitgliedern anderer rechtspopulistischer Parteien werde das „persönliche Gespräch“ gesucht. Wir dokumentieren einige der "Einzelfälle" aus dem Jahr 2014.

Wir dokumentieren einige Fälle und Verläufe aus dem Jahr 2014.

Von Simone Rafael

In der "Alternative für Deutschland", so betonen Funktionsträger der Partei, sei kein Platz für Rechtsextreme. Nichts desto trotz sehen das deutschlandweit einige Rechtsextreme anders. AfD-Chef Bernd Lucke spricht von  „relativ vielen Einzelfälle“ (BAMSFAZ).  Wir haben ein paar zusammengetragen, vornehmlich aus den letzten Monaten. 

Mitglieder aus rechtsextremen Vereinigungen

NPD:

  • Björn J. Neumann kandidierte 2011 in Hamburg bei der Bürgerschaftswahl für die NPD, ist jetzt bei der AfD – Parteiausschlussverfahren läuft (bnr).
     
  • Martin Hering, im September 2014 noch AfD- und NPD-Mitglied, Betreiber eines „nationalen Versandhauses“. Soll jetzt aus der AfD ausgeschlossen werden. (Störungsmelder).
     
  • Richard Jürgen Uhlemann aus Dippoldiswalde war ebenfalls Mitglied der NPD und langjähriges Fördermitglied der AfD. Er wurde aus der Partei ausgeschlossen (Störungsmelder).

Pro Deutschland:

  • Sven Schröder, heute für die AfD im Brandenburger Landtag (BILD)

Wiking Jugend:

  • Hans Holger M., Mitglied AfD Sachsen, war in den in den 1990er-Jahren in der rechtsextremen "Wiking Jugend" aktiv war (Anonymous Austria)

Rechtsextreme Bands:

  • Paul M., Musiker der Band „Blitzkrieg“ mit eigenem Label, gegen den auch in „Blood & Honour“-Zusammenhängen ermittelt wurde, ist Mitglieder AfD Zwickau (Anonymous Austria). Inzwischen hat er die Partei verlassen.

Rechter Lifestyle:

  • Sven Asmus betreibt „Rottweiler Ink“, einen in der rechten Szene beliebten Bekleidungsversand, und ist AfD-Mitglied im Kreisverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge (Störungsmelder)

Witikobund

  • Andreas Kalbitz, Landtagsabgeordneter Brandenburg (bnr)      

Zusammenarbeit mit der NPD

  • In Dresden besucht AfD-Mitglied Sören Oltersdorf eine Veranstaltung der NPD-Parteijugend „JN“ - Parteiausschlussverfahren wurde beantragt (Chronikle.orgmdr).
     
  • Die AfD-Kreistagsfraktion im Landkreis Nordwestmecklenburg verweigerte im August 2014 eine gemeinsame Erklärung der anderen Fraktionen gegen die NPD (ER).
     
  • Im Landkreis Vorpommern-Greifswald stimmen drei AfD-Vertreter allen von der NPD-Fraktion eingebrachten Anträgen zur Asylpolitik zu. Das Greifswalder AfD-Mitglied Gunter Jess unterstützte den Antrag sogar inhaltlich in einer Rede und verteidigte ihn (OZ). Trotz auch parteiinterner Kritik beharrt die AfD im Kreistag darauf, auch künftig bei Gefallen mit Anträgen der NPD zu stimmen  (nordkurier.de).
     
  • Oktober 2014: Zwei Mitglieder der Duisburger AfD-Fraktion im Stadtrat stimmen offen für NPD- und ProNRW-Vertreter bei der Ausschuss-Besetzung.  Sie wählten "Pro-NRW"-Chef Mario Malonn ins höchste Sicherheitsgremium der Stadt, den Polizeibeirat, der nun an vertrauliche Informationen der Polizei kommt, etwa Sicherheitslagen, Problemfälle unter Zuwanderern und Anmeldungen von Demonstrationen. In Gelsenkirchen funktionierte das Bündnis andersherum, hier wurde AfD-Mann Hartmut Preuß mit den Stimmen von "Pro NRW" in den Polizeibeirat gewählt (RP). Der AfD-Landesvorsitzende Marcus Pretzell fordert den Fraktionsvorsitzender Holger Lücht daraufhin zum Parteiaustritt auf. Der ist sich aber keiner Schuld bewusst und will sein Amt nicht aufgeben. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Alan Imamura ist dagegen von allen Parteiämtern zurückgetreten  (WAZII). Im Gelsenkirchener Stadtrat stimmte ein AfD-Mitglied mit ProNRW (DerWesten).
     
  • November 2014:  AfD und die NPD machen im Kreistag von Dahme-Spreewald gemeinsame Sache gegen die Flüchtlingspolitik. In einem gemeinsamen Antrag fordern sie "konsequente Abschiebung" und "geregelte Einwanderung". (MAZ).

Rechtsextreme Aktivitäten

  • Oktober 2014: Jan-Ulrich Weiß, Nachrücker für die AfD in den Brandenburger Landtag, veröffentlicht auf Facebook eine antisemitische Karikatur, die an die Legende der jüdischen Weltverschwörung anknüpft (JA). Fraktionsausschluss beantragt – in den Landtag will Weiß nun als fraktionsloser Abgeordneter einziehen.
     
  • Oktober 2014: Die Staatsanwaltschaft Rostock hat den AfD-Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern, Holger Arppe,  wegen Volksverhetzung angeklagt. Arppe hat laut der Anklage im Kommentarbereich der rechtsextremen Online-Plattform „Politically Incorrect“ jahrelang zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen, gegen Ausländer gehetzt und demokratische Politiker beleidigt. Er habe dafür das Pseudonym „antaios_rostock“ benutzt. Seit Bekanntwerden der Anklage Ende voriger Woche versucht der AfD-Bundesvorstand, Arppe zum Rücktritt zu bewegen – der nennt die Anschludigen „haltlos“ und „politisch motiviert (ksta).
     
  • 08.10.2014: Zwei Mitglieder des Landesvorstands in Sachsen-Anhalt verbreiten und liken auf Facebook Verschwörungstheorien, Tötungsfantasien gegen US-Präsident Obama und die Verharmlosung des Holocaust. Der Magdeburger Beisitzer Jobst von Harlessem  teilt die Inhalte, seinem Vorstandskollege Dirk Hoffmann gefällt das. Der Bundesvorstand nennt die Äußerungen eines AfD-Mitglieds unwürdig. AfD-Landeschef Poggenburg geht auf Distanz, hält seine Vorstandskollegen aber weiterhin für tragbar. Interessanterweise war allerdings Poggenburg schon im April 2014 in die Kritik geraten, weil er einen herabwürdigenden Beitrag über Michel Friedmann veröffentlicht hatte (mdrjumpradioII).
     
  • Oktober 2014: Der AfD-Landtagsabgeordnete in Thüringen, 
    Thomas Rudy aus Gößnitz klickt auf Facebook auf „Gefällt mir“ bei einem Foto eines Moped mit Seitenwagen, das mit einem Hakenkreuz und einem Hitler-Bild nebst der Bezeichnung "Führer" gestaltet war. Während frühere Mitstreiter im rechtsextermen Tendenzen vorwerfen, spricht er davon, bei Urlaubsbildern eines Bekannten auf „Gefällt mir“ geklickt zu haben, ohne sie wirklich anzusehen (otz).

     
  • Oktober 2014: Auf der Facebook-Seite der "AfD Städteregion Aachen” wird eine rassistische Meldung der Neonazi-Partei "Der III. Weg" geteilt: "Während aber im Merkelland die bundesdeutschen Innenstädte immer öfter zum Austragungsort von multi-kriminellen bürgerkriegsähnlichen Zuständen durch die zahllosen ausländischen Kultur-Entreicherer verkommen, sollen nach dem Willen der Herrschenden nicht enden wollende Summen hart erarbeiteter deutscher Steuergelder im schmutzigen Asyl-Sumpf versinken." (Screenshot bei publikative).
     
  • 10.11.2014: Auf dem Hamburger Landesparteitag hat ein AfD-Mitglied die brutalen "Hooligan gegen Salafisten"-Demonstrationen  als „friedlich“ verteidigt. Seinen Landesvorsitzenden nannte er "amoklaufenden Parteichef", weil der gegen Hooligan-Sympathisanten in der AfD vorgehen wollte. Der in der Alternative für Deutschland (AfD) schwelende Streit um die Hooligan-Demonstration in Köln ist auf dem Landesparteitag in Hamburg eskaliert. Im Kern ging es um die Sympathiebekundungen von Parteimitgliedern für die Kundgebung "Hooligans gegen Salafisten" Ende Oktober in der Domstadt (focus.de). Bernd Lucke, Parteisprecher und -vorstand der Alternative für Deutschland (AfD), kündigt Ausschlussverfahren gegen Parteimitglieder an, die mit gewalttätigen Demonstranten und Hooligans sympathisieren. (NOZ).

Rechtsextreme Wähler_innen?

  • In ihrer Studie "Die stabilisierte Mitte? Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014" kommen Prof. Dr. Elmar Brähler und PD Dr. Oliver Decker zu dem Schluss: "Gemessen an der Größe der Parteien sind die Anteile rechtsextremer Wähler demnach bei AfD und NPD deutlich größer als bei den Volksparteien. Die Leipziger Forscher kommen zu dem Schluss, dass fast jeder dritte AfD-Wähler chauvinistisch und jeder zweite ausländerfeindlich sei." Ihr Mitarbeiter Johannes Kiess stellt fest: "Es fällt allerdings auf, dass die stärkste Anziehungskraft bei den Wählern mit einer ausländerfeindlichen, antisemitischen und  chauvinistischen Einstellung neben den rechtsextremen Parteien die AfD hat." (PM)
     
  • Das Forsa-Institut beschäftigte sich nach der Landtagswahl in Sachsen mit der Frage, wer die AfD wählt. Von AfD-Sympathisant_innen schätzten sich dabei 28 Prozent als "politisch rechts" ein - bei Anhänger_innen rechtsextremer Parteie sind das 61 Prozent. Trotzdem sieht die Studie des Forsa-Instituts, dass AfD und rechsextreme Parteien ähnliche Themenfelder bearbeiten: "Die Trennungslinie zwischen den beiden Lagern ist die soziale Schichtzugehörigkeit", sagt Forsa-Chef Güllner, "Anhänger der AfD stammen eher aus der Ober- und Mittelschicht mit relativ hohem Einkommen und entsprechend hoher Schulbildung, während Sympathisanten der rechtsextremen Parteien dagegen überwiegend aus den unteren sozialen Schichten mit geringem Einkommen und geringer Schulbildung kommen." Nach den AfD-Erfolgen bei Europa- und Landtagswahlen sei aber auch bei der AfD ein Zulauf aus den unteren sozialen Schichten zu beobachten (stern).
     

Und nun?

Der AfD-Vorsitzender Bernd Lucke hat inzwischen nicht nur gegenüber der Bild am Sonntag die "relativ vielen Einzelfälle" zugegeben, sondern kurz zuvor auch einen Brief zum Thema an alle AfD-Mitglieder verfasst. Darin schreibt er laut ksta.de: „Bei allem Erfolg, den wir nach außen hin haben, geben einige Entwicklungen in der Partei Anlass zur Sorge.“ Die AfD dürfe „nicht den Schatten eines Zweifels daran lassen, dass politischer Extremismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und religiöse Intoleranz mit dem Gedankengut der AfD als demokratischer Rechtsstaatspartei unvereinbar sind.“ 

 

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