Symbolbild Soldaten.
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Rechtsextremer Soldat führte Doppelleben als Flüchtling

Was ist das für eine Geschichte? In Hessen wurde ein aus Offenbach stammender Bundeswehrleutnant wegen Terrorverdachts verhaftet, der sich zugleich als syrischer Flüchtling ausgab und Waffen organisiert hatte, um einen Anschlag mit rassistischem Hintergrund zu verüben.
 

Würde sich ein Krimi-Autor die folgende Konstellation ausdenken, würde das Manuskript mutmaßlich als absurd zurückgewiesen, aber das sind die bisher bekannten Fakten zum Fall laut Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main:
 

Was ist passiert?

Die Polizei durchsucht 16 Orte in Frankreich, Deutschland und Österreich, findet Waffen – u.a. Sprengstoff und Kriegswaffen – und belastendes Material. Daraufhin nimmt sie einen Oberleutnant der Bundeswehr und einen 24-jährigen Bekannten des Mannes fest.

Wer sind die Verdächtigen?

  • Ein 28-jähriger Bundeswehrleutnant, Franco A., gebürtig aus Offenbach,  aktuell im französischen Illkirch stationiert als Teil des Jägerbataillons 291, eines Teils der Deutsch-Französischen Brigaden. Er absolvierte gerade eine Ausbildung zum „Einzelkämpfer“, war deshalb auf einem Lehrgang in Hammelburg (Bayern) – und wurde aus dem Lehrgang verhaftet. Verdacht: Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat mit „fremdenfeindlichen“ (d.i. rassistischen) Hintergrund.

  • Helfer soll ein 24-jähriger, gebürtig ebenfalls aus Offenbach stammender Student aus Friedberg (Wetterau-Kreis) sein, Mathias F., dessen Wohnung ebenfalls durchsucht wurde – dort wurden Handgranaten und Sprengstoff gefunden. F. gab an, die Waffen von Franco A. erhalten zu haben, sich aber "nichts dabei gedacht" zu haben.
     

Wie ist die Polizei auf die Verdächtigen gekommen?

  1. Der 28-jährige Soldat besorgte sich eine illegale Waffe, eine Pistole mit Kaliber 7,65mm, die er anschließend Ende Januar auf dem Flughafen in Wien in einem Lüftungsschacht versteckte. Dort wurde sie vom Sicherheitspersonal entdeckt und der Polizei gemeldet - die sich dann auf die Lauer legte, um denjenigen zu verhaften, der die Waffe holen wollte. Als Franco A. die scharfe Waffe dann aus dem Versteck holte, wurde er von der österreichischen Polizei festgenommen, Verdacht: Unerlaubter Waffenbesitz. Er gab an, die Waffe am Rand des Balls der Offiziere am 20. Januar in Wien gefunden zu haben - in einem Busch. Er kam wieder auf freien Fuß - wurde allerdings fortan beobachtet, weil die Polizei die Geschichte mit der gefundenen Waffe nicht glaubte.

  2. Im Zuge der Untersuchung wurden allerdings seine Fingerabdrücke genommen. Ein Abgleich mit gespeicherten Daten ergab eine Übereinstimmung: Mit einem Mann, der im Dezember 2015 als syrischer Flüchtling in der Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen registriert worden war und seit Januar 2016 in einer Flüchtlingsunterkunft in Zirndorf in Bayern untergebracht worden war, dort einen Asylantrag stellte und staatliche Leistungen als Asylbewerber bezog. Als Geflüchteter nannte sich Franco A. "David Benjamin" und gab an, christlichen Glaubens und Sohn eines Obsthändlers in Damaskus zu sein.

  3. Offenbar führte der 28-jährige Soldat seit Monaten unentdeckt ein Doppelleben als syrischer Geflüchteter – und das, ohne ein Wort arabisch zu sprechen und obwohl der zugleich in Frankreich stationiert war.

  4. Mit seinem Helfer, dem 24-jährigen Studenten, teilte er offenbar ein laut Polizei eindeutig rechtsextreme und rassistische Gesinnung, wie die Polizei beobachten konnte. Dies zeigte sich in der Telefonüberwachung. Außerdem soll A. in einer WhatsApp-Gruppe mit Gleichgesinnten Hetz-Texte ausgetauscht haben.
     

Was vermutet die Polizei?

Die Verdächtigen hatten einen Anschlag geplant, die Behörden gehen von einem rassistischen Motiv aus.  Möglich wäre, dass sie einen Anschlag verüben und ihn dann Geflüchteten in die Schuhe schieben wollten, berichtet Spiegel Online mit Bezug auf „Ermittlerkreise“.

 

Wir werden diese Ermittlungen interessiert weiter verfolgen und berichten.

 
 

Erst im April ergab die Antwort des Verteidigungsministeriums auf diene Parlamentsanfrage der Linksfraktion, dass der militärische Abschirmdienst (MAD) derzeit 275 rechtsextreme Verdachtsfälle in der Bundeswehr untersucht, 12 aus den Jahren 2011-2013, 20 aus dem Jahr 2014, 47 aus 2015 und 147 in 2016 – und bereits 53 aus dem Jahr 2017. Teilweise sind es Propaganda-Delikte. 11 Soldaten wurden aus dem Dienst entlassen (vgl. Süddeutsche Zeitung).

Aktualisiert am 28.04.2017

Aktualisierung am 02.05.2017

 

Wehrbeauftragter der Bundeswehr: "Hierarchien, Waffen, Uniform – das zieht manche an"

Die Bundeswehr ist nach Einschätzung des Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) "strukturell anfälliger" für Rechtsextremismus als andere Bereiche der Gesellschaft. "Hierarchien, Waffen und Uniformen" zögen manchen Bewerber an, den die Bundeswehr eigentlich nicht haben wolle.

 

Bundeswehr hatte schon 2014 Kenntnis von rechter Gesinnung des Terrorverdächtigen

Wird in der Bundeswehr doch Rechtsextremismus vertuscht? Die Gesinnung des Soldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hatte und einen Anschlag geplant haben soll, war offenbar schon Jahre bekannt.

 

Anne Helm: "In den Augen solcher Menschen bin ich eine Volksverräterin"

Die Linken-Abgeordnete Anne Helm steht auf der Liste des tatverdächtigen Bundeswehrsoldaten, der sich als Flüchtling ausgab. Ein Gespräch über Drohungen von rechts.
Sie sagen, Sie bekommen häufiger Anrufe des LKA wegen Drohungen von Rechtsradikalen. Was macht Sie zum Ziel für solche Leute?
Helm: In den Augen solcher Menschen bin ich eine Volksverräterin. Ich kämpfe ja gegen dieses völkische Konstrukt von Treue zur Nation und Rasse. Folglich läuft alles, wofür ich stehe oder woran ich arbeite, den Zielen solcher Leute zuwider.

 

Aktualisierung 03.05.2017

 

Franco A. und der "Rassenkampf" und das "kleine rechtsextreme Netzwerk"

Franco A., der Bundeswehrsoldat, der sich als Flüchtling ausgab und dabei und einen Anschlag plante, hat bereits vor Jahren eine ausführliche "Theorie vom Rassenkampf" vorgelegt - und zwar als Abschlussarbeit 2013 an der prestigeträchtigen Militärakademie Frankreichs. Die französischen Ausbilder äußern sich entsetzt über den von der Bundeswehr entsandten jungen Offizier, lassen ihn durchs Examen fallen und empfehlen seine "Ablösung". Ein Bundeswehr-Gutachter nennt A.s Text einen "rassistischen Appell", von dem "der Schritt zum Rassenkampf nicht groß" sei. Doch die Karriere des Soldaten wird nur ganz kurz gebremst, wie aus Unterlagen hervorgeht, die n-tv vorliegen. Ein gutes halbes Jahr später bekommt A. seinen Abschluss - für eine neue Arbeit mit einem anderen Thema -, wird zum Berufssoldaten ernannt und setzt seine Offizierslaufbahn ungehindert fort - inklusive wiederholter Sicherheitsüberprüfungen durch den Bundeswehrgeheimdienst MAD. Details berichten n-tv und die Welt

Der terrorverdächtige Offizier stahl offenbar auch Munition aus Armeebeständen, wie gestern bekannt wurde. Generalinspekteur Wieker gab zu, dass die Bundeswehr "Unstimmigkeiten festgestellt" habe. Die Munition stamme angeblich von einer Schießübung, die unter der Leitung von Franco A. stand. Auf der Liste der möglichen Anschlagsopfer standen nach Angaben aus Sicherheitskreisen der frühere Bundespräsident Joachim Gauck, Justizminister Heiko Maas (SPD) und andere Politiker.

Um Franco A. soll es ein "kleines rechtsextremes Netzwerk" in der Truppe geben. Nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) geht das Ministerium derzeit von einer Gruppe von bis zu fünf Personen aus. Entsprechende Informationen sollen die Obleute des Verteidigungsausschusses im Bundestag vom Ministerium im Rahmen einer umfangreichen Informationssammlung erhalten.

 

Aktualisierung 04.05.2017

 

Franco A. hatte Politiker und Engagierte im Visier

Der wegen Terrorverdachts verhaftete Bundeswehr-Offizier Franco A. hatte einem Zeitungsbericht zufolge neben Einzelpersonen auch religiöse Verbände und Menschenrechtsaktivisten im Visier. BKA-Fahnder hätten in einem Taschenkalender des Verdächtigen eine Art "Todesliste" mit potenziellen Anschlagszielen, darunter den Zentralrat der Juden und den Zentralrat der Muslime, gefunden. Darüber hinaus gebe es Einträge zu Politikern und Menschenrechtsaktivisten. Neben der Vize-Bundestagspräsidentin Claudia Roth (Grüne) soll darin auch der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und die Gründerin der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, zu finden sein.

 

Wie rechts ist die Bundeswehr?

In den Schaft seines Sturmgewehrs ist ein Hakenkreuz eingeritzt, auf einer Pergament-Urkunde klagt ein Wehrmachtssoldat darüber, dass Gott und Soldaten nur in der Not geehrt werden, auf die Wand in seinem Zimmer in der Kaserne Illkirch ist ein "H...H" gekritzelt, das zweite H geht aus einem J hervor. Ob Franco A. damit nun "Heil Hitler" sagen oder die Hitler-Jugend verewigen wollte, ist unerheblich. Aus seiner rechtsextremen Gesinnung hat der Offizier, der in der vergangenen Woche unter dringendem Terrorverdacht festgenommen wurde, nie einen Hehl gemacht. Seine unmittelbaren Vorgesetzten haben zuletzt stets das Gegenteil behauptet. Man darf auch sagen: Sie haben gelogen.

Die Frage, ob die deutsche Armee anfällig für rechtes Gedankengut ist, ist so alt wie die Truppe selbst.

Kampf dem Korpsgeist? Die Ministerin von der Leyen will die Mentalität der Bundeswehr ändern, doch bislang hat sie wenig gegen lang bekannte Probleme getan. Und die Soldaten vertrauen von der Leyen nicht.

 

Der Fall Franco A.: Chronologie einer Verharmlosung

Der Oberleutnant, der am Standort der deutsch-französischen Brigade in Illkirch bei Straßburg Dienst leistete, war am vergangenen Freitag festgenommen worden, weil er offenbar einen Anschlag plante. Schon 2014 scheinen es Vorgesetzte versäumt zu haben, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) davon zu unterrichten, dass Franco A. in seiner Masterarbeit die Angst vor einer Zerstörung der westlichen Gesellschaften durch Subversion zu schüren versuchte.

 

Aktualisierung 05.05.2017

 

Die rassistische Gedankenwelt des Franco A.

Bereits im Jahr 2014 fiel Oberleutnant Franco A. mit einer rassistischen Masterarbeit auf, fabulierte über Rassenreinheit, hetzte gegen Migranten. Aus den Bundeswehr-Akten ergibt sich eine unglaubliche Chronologie des Wegschauens.

 

Bundeswehr: „Der Saustall gehört endlich ausgemistet“

Aktivist Jakob Knab spricht über das Idealisieren der NS-Historie, die Feigheit von Ausbildern der Bundeswehr - und wie die Streitkräfte das alles überwinden können.
Herr Knab, waren Sie überrascht, als Sie von dem mutmaßlichen rechtsextremistischen Netzwerk rund um den Bundeswehr-Offizier Franco A. erfuhren?
Nein, überrascht war ich nicht. Das ist ein extremer Fall. Aber die Glorifizierung der Wehrmacht ist bei den Traditionalisten in der Bundeswehr leider immer noch sehr weit verbreitet.

 

 

Das Foto wurde auf Flickr unter der Lizenz CC-by-NC 2.0 veröffentlicht.

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